Frage an Norbert Lins bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Norbert Lins
CDU
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Frage von Susanne M. •

Frage an Norbert Lins von Susanne M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Lins,

wie stehen Sie, zu den Handelsabkommen CETA, TTIP und TiSA?

Ich habe den Eindruck, als ob die Entscheidungsfindung dem Glauben: „Die Wirtschaft wird es schon richten“ und deren Interessenvertretern überlassen wird.

Die modernen Freihandelsabkommen nutzen letztendlich nur den Großkonzernen. Sie können das billigste Angebot machen. Daß dabei die Klein- und Mittelstandsbetriebe, die, wie man mittlerweile erkannt hat, das Beste sind, was wir haben, auf der Strecke bleiben, scheint die Politiker nicht zu interessieren. Billigste Angebote fordern ihren Tribut: soziale und gesundheitliche Standards werden sinken und die Welt wird rücksichtslos ausgebeutet.

Wohin soll dies führen? Und wo sind die Vorteile für ALLE Menschen?

Die Werte:Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und soziale Absicherung sind in dieser Abkommenszukunft gefährdet. Und es gibt keinen befristeten Vertrag und keinen realisierbaren Ausstieg! Unsere Gericht und Parlamente werden im Schatten dieser Freihandelsverträge und ihrer Schiedsgerichte stehen!

Die Würde des Menschen ist die Basis unseres Landes und nicht die gigantischen Gewinne Einzelner aus globalen Konzernen.

Ich hoffe, sehr geehrter Herr Lins, daß meine Bedenken bei Ihnen Gehör finden und verbleibe auf Antwort wartend mit besten Wünschen.

S. M.

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CDU

Sehr geehrte Frau M.,

vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Anfrage. Gerne antworte ich Ihnen darauf.

CETA ist ein modernes, ausgewogenes Handelsabkommen, mit dem neue Maßstäbe und Standards für künftige Handelsabkommen weltweit gesetzt werden. Es bietet enorme Chancen für die EU und Kanada, die ich Ihnen gerne erläutern werde.

Wir müssen auf das hinarbeiten, was wir alle wollen: Chancen, Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum. Mit Freihandelsabkommen wird der Marktzugang gewährleistet, und es werden einheitliche Bedingungen für Unternehmen geschaffen, indem nicht nur Zölle abgeschafft, sondern auch nichttarifäre Handelshemmnisse erheblich herabgesetzt werden. Dadurch eröffnen sich neue Chancen, vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die 99 % aller Unternehmen in Europa ausmachen und für 85 % der neuen Arbeitsplätze verantwortlich zeichnen, die im Laufe der vergangenen fünf Jahre in Europa geschaffen wurden.
Generell werden mit Freihandelsabkommen nahezu alle Einfuhrzölle abgeschafft, sodass die EU-Exporteure allein mit dem CETA Abkommen jährlich mehr als 500 Millionen EUR sparen können. Dies unterstützt die KMU’s, da sie nicht wie andere globale Großkonzerne diverse Logistikzentren im internationalen Raum haben und ohne Freihandelsabkommen auf einen teuren Export angewiesen sind. Mit Freihandelsabkommen werden gerade den KMU’s der Marktzugang vereinfacht, es werden einheitliche Bedingungen für Unternehmen geschaffen und die landwirtschaftlichen Interessen der EU beachtet. Zum Beispiel im Falle von CETA werden 145 europäische geografische Angaben geschützt und Eigentumsrechte in einem internationalen Kontext gewahrt werden. Gleichzeitig werden hohe Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitsstandards eingehalten. Freihandelsabkommen erleichtern generell die Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden der Vertragspartner. Regulierungszusammenarbeit – immer eine freiwillige Sache – bedeutet nicht, dass fest etablierte Standards zunichte gemacht werden. Im Gegenteil: Es bedeutet vielmehr, eine gemeinsame Basis zu finden und ähnliche Vorschriften und Standards zu koordinieren, um den Marktzugang zu verbessern, vor allem für die KMUs. Dadurch kann für eine bessere Regulierungsqualität und die effizientere Verwendung von Verwaltungsressourcen gesorgt werden.

CETA wird helfen, die europäische Wirtschaft und Europas Wachstumsmotor anzukurbeln, der immer noch darum ringt wieder so leistungsfähig zu werden wie vor der Krise.
Die Wirtschaft in der Union ist stark auf den Außenhandel angewiesen. 14 % unserer gesamten Arbeitskräfte sind unmittelbar abhängig von der Handelsleistung der Union.
CETA fördert Wachstum und schafft Arbeitsplätze. Jede Milliarde in Ausfuhren aus der EU unterstützt 14 000 Arbeitsplätze. Wenn wir uns von CETA und der Liberalisierung des Handels abwenden, geben wir auch unseren Wachstumsmotor auf. Freihandelsabkommen halten, was sie versprechen. Nach dem Freihandelsabkommen der EU mit Südkorea stieg die Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen der EU um 55 % bzw. 40 %. Insgesamt beläuft sich der Wert des Handelsverkehrs mit Südkorea inzwischen auf jährlich 15 Mrd. EUR. Letztendlich wurden durch das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südkorea 210 000 neue Arbeitsplätze in Europa geschaffen.

Wenn wir uns weigern, dem internationalen Handel den Weg in die Zukunft zu ebnen, werden es andere tun. Wenn wir CETA ablehnen, wenden wir uns von Chancen ab, die der internationale Handel bietet. Dass wir beim Thema Handel mit einer Stimme sprechen, hat unsere Union zum größten Handelsblock weltweit gemacht. Wir können den Wohlstand der Europäischen Union nicht aufrechterhalten, wenn wir wieder in nationalistische Handelsansätze verfallen. Kanada ist seit langer Zeit ein eng verbundener, zuverlässiger Partner, der die gleichen Grundwerte hat wie wir. Die anhaltende Diskussion ist ein Ringen um die Glaubwürdigkeit und Legitimität der EU gegenüber ihren Handelspartnern. Handelspolitik ist eine europäische Kernkompetenz. Wenn wir es als EU nicht mehr schaffen Handelsabkommen mit langjährigen guten Partnern abzuschließen, mit wem sind wir Europäer dann überhaupt noch vertragsfähig? Die Globalisierung ist Fakt und nicht umkehrbar. Mit CETA wollen wir Globalisierung gestalten und nicht einfach geschehen lassen. Diese Einladung würden andere Handelsmächte dankend annehmen. CETA ist mehr als ein Handelsabkommen; es ist das Model für die Zukunft der EU-Handelsbeziehungen.

Viele Sorgen bezüglich des Abkommens betreffen die demokratische Partizipation auf nationaler und europäischer Ebene, die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerte Garantie der kommunalen Selbstverwaltung oder die demokratische und souveräne Gestaltung der Wirtschafts- und Sozialordnung. Hier möchte ich betonen, dass keine dieser Rechte oder Garantien durch CETA missachtet oder eingeschränkt werden: Bereits in der Präambel (CETA-Volltext, S. 6) ist beispielsweise klargestellt, dass das Abkommen als Ganzes sowohl die genannten Prinzipien als auch die Regulierungshoheit der Vertragsparteien komplett schützt. Ferner erlaubt das Grundgesetz ausdrücklich die Teilnahme Deutschlands am Prozess der Völkerrechtssetzung (vgl. Art 23 und 24 GG). Dazu gehört auch, Gremien zur Durchsetzung dieser Verpflichtungen beizutreten und die Rechtsprechung solcher Gremien zu respektieren. Die Welthandelsorganisation mit ihrem eigenständigen Streitbeilegungsverfahren (WTO Dispute Settlement Understanding) ist hierfür ein Beispiel. Entsprechende zukünftige Verpflichtungen aus CETA sind rechtlich nicht anders zu bewerten. Die Mitgliedsstaaten haben der Europäischen Union außerdem die alleinige Zuständigkeit für internationalen Handel übertragen. Deshalb kann sie als Völkerrechtsperson auch internationale Verträge mit Gerichtsbarkeit eingehen. Laut einem Gutachten von Dr. Stephan Schill
(Volltext: http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/C-D/ceta-gutachten
investitionsschutz,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf )
„enthält CETA damit keine wesentlich über bestehende verfassungs‐ oder unionsrechtliche Vorgaben hinausgehende Bindungen des Gesetzgebers. Im Gegenteil, CETA bleibt in Kernpunkten hinter dem verfassungs‐ und unionsrechtlich erreichten Schutz von Investitionen zurück."
Oft wird in diesem Zusammenhang auch die Sorge geäußert, dass durch die geplante „regulatorische Kooperation“ Gesetzesinitiativen zuerst mit dem Handelspartner diskutiert werden müssten. Auch hier ist die Realität eine andere: Unter diesem Stichwort versteht man lediglich den informellen Austausch der Regulatoren beider Seiten bei der Erstellung von neuen Standards. Unsere regulären Gesetzgebungsprozesse bleiben völlig unberührt. Von einer Art Vetorecht der Handelspartner über europäische Gesetze kann jedenfalls keine Rede sein. Im Gegenteil, durch den Dialog im Rahmen der Regulatorischen Kooperation kann in vielen Detailfragen oft dasselbe hohe Schutzniveau für Verbraucher erreicht werden, ohne dass auf beiden Seiten des Atlantiks verschiedene Bedingungen für den Marktzugang zu erfüllen sind. So können besonders mittelständische Unternehmen immense Kosten sparen und leichter Zugang zum kanadischen Markt erlangen. Unterscheiden sich die von den demokratischen Institutionen zuvor festgelegten Schutzniveaus, bleibt eine solche regulatorische Kooperation außen vor. Dementsprechend formuliert der CETA-Text auch die Ziele der regulatorischen Kooperation. Diese umfassen Schutz und Gesundheit von Mensch, Tier und Natur (CETA Volltext, S. 397). Regulatorische Kooperation soll die verfolgten Schutzstandards also gerade nicht aushebeln, sondern fördern. Dies wird auch durch die Betonung der Rechte und Pflichten unter den bestehenden Abkommen, speziell dem Abkommen über gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (SPS) unterstrichen (S. 396). Der Regulierungsausschuss hat im regulatorischen Bereich keine bindende Entscheidungsbefugnis und kann auch deshalb die Schutzstandards der Parteien nicht unterlaufen. CETA betont daher das Reglungsrecht der nationalen Regierungen, das Eigentumsrecht und das Arbeits- und Umweltrecht.

Unter keinen Umständen werden die Regierungen durch CETA dazu angehalten, öffentliche Dienste zu privatisieren, oder davon abgehalten, das Dienstangebot für die Öffentlichkeit zu erweitern. CETA heißt nicht, dass die Entscheidung, einen privaten Anbieter mit der Erbringung eines öffentlichen Diensts zu beauftragen, irreversibel ist.
CETA weicht von traditionellen Ansätzen der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten ab und sieht die Einsetzung eines unabhängigen, unparteiischen und ständigen Investitionsgerichts vor. Den Mitgliedern dieses Gerichtes werden strenge Verhaltensregeln und Richtlinien auferlegt, und somit wird CETA auf keinen Fall zu einer Vorzugsbehandlung von ausländischen Investoren im Vergleich zu einheimischen Investoren führen.
Kanada und die EU verpflichten sich, die grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zu ratifizieren und wirksam umzusetzen. Die beiden Parteien vereinbaren, weder den Umweltschutz noch die Arbeitsrechte herabzusetzen, um Anreize für den Handel oder Investitionen zu schaffen. CETA hilft uns, Globalisierung effizient zu regulieren und gestalten und unterstützt den fairen Handel.

Der CETA-Text ist unter https://ec.europa.eu/germany/news/deutsche-%C3%BCbersetzung-des-ceta-abkommens-online-abrufbar_de öffentlich einsehbar.

Ich bin der Meinung, dass internationale Freihandelsabkommen durchaus positiv sind, solange die ausgehandelten Vertragstexte unsere Forderungen nach fairen, transparenten und nachhaltigen internationalen Partnerschaften erfüllen. Internationale Handelsvereinbarungen der EU werden nur in Kraft treten, wenn eine Mehrheit des Europäischen Parlaments dafür stimmt und sie einen Mehrwert für die Bürger Europas darstellen.

Ich würde mich freuen, wenn ich Ihnen mit meinen Informationen weiterhelfen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Norbert LINS
Mitglied des Europäischen Parlaments

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