Frage an Norbert Lins bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Norbert Lins
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Frage von wolfgang h. •

Frage an Norbert Lins von wolfgang h. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Norbert Lins,

ich habe die Frage in der Kategorie "Internationales" eingestellt.
Sie könnte aber auch in viele andere Kategorien eingestellt werden, da die Auswirkungen viele Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens betreffen werden.

Am 29. Mai finden die nächsten EU-Wahlen statt.

Die Frage: Mich würde jetzt schon Ihre Haltung zu JEFTA interessieren.

Falls Sie Informationsbedarf zu JEFTA haben, habe ich zwei DIN A4 Seiten einer Studie zum Thema beigelegt:
https://blog.campact.de/wp-content/uploads/2018/10/Zusammenfassung-Studie-JEFTA.pdf

Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Harr

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CDU

Sehr geehrter Herr Harr,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne beantworten möchte. Ich stehe dem Freihandelsabkommen mit JEFTA positiv gegenüber.

Während des gesamten Verhandlungszeitraums hat die Europäische Kommission umfassend über den Stand und den Fortschritt der Verhandlungen informiert. Neben der frühzeitigen Veröffentlichung des Verhandlungsmandats, umfassender Berichte jeder einzelnen Verhandlungsrunde und des schlussendlich ausgehandelten Vertragstexts hat die Europäische Kommission die Fragen des zuständigen Handelsausschusses des Europäischen Parlaments in 13 Sitzungen beantwortet und in über 40 Sitzungen mit den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten über den Fortgang der Gespräche berichtet (siehe http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/eu-japan-economic-partnership-agreement/meetings-and-documents/). Sowohl Bürgerinnen und Bürger, als auch das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten waren somit zu jedem Zeitpunkt umfassend informiert. Der Vorwurf, dass die Verhandlungen intransparent gewesen seien, ist daher nicht haltbar.

Dass das geplante Handelsabkommen genau unter die Lupe genommen wird, ist wichtig. Entscheidend für die Bewertung des geplanten Abkommens ist jedoch, dass die öffentliche Diskussion auf Fakten basiert. Eine thematisch ähnlich gelagerte Diskussion gab es bereits im Vorfeld des Handelsabkommens mit Kanada (CETA), deren Kritikpunkte sich bei genauem Hinsehen als unbegründet erwiesen haben. Da das geplante Handelsabkommen mit Japan in weiten Teilen den in CETA erfolgreich etablierten Regelungen entspricht, ist die Realität der beste Beweis dafür, dass die gegenwärtig vorgebrachten Bedenken unbegründet sind. CETA ist am 21. September seit einem Jahr in Kraft, ohne dass sich an dem Status Quo etwas geändert hätte. Vor diesem Hintergrund werde ich mich für eine rasche Abstimmung über das geplante Handelsabkommen mit Japan einsetzen und um breite Zustimmung werben.

Die in der Europäischen Union und Japan etablierten Umwelt- und Arbeitnehmerschutzstandards zählen bereits heute zu den strengsten weltweit. Das geplante Handelsabkommen verbietet explizit von etablierten Standards abzuweichen bzw. diese nicht durchzusetzen.

Zunächst werden im Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) der EU mit Japan zukünftige Klima- und Umweltschutzmaßnahmen nicht unzulässig eingeschränkt. Vielmehr enthält das WPA das Bekenntnis beider Vertragsparteien zu einer Vielzahl unterschiedlicher multilateraler Übereinkommen in dem Bereich Umwelt sowie zur Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (Kapitel 16). Insbesondere verpflichten sich beide Vertragsparteien zur wirksamen Umsetzung des Pariser Klimaschutzübereinkommens und weiterer multilateraler Umweltübereinkommen (Art. 16.4), darunter Übereinkommen zur Erhaltung und nachhaltigen Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen (Fischbestände, biologische Vielfalt und Wälder). Beispielsweise sieht das Abkommen eine stärkere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von illegalem Holzeinschlag und illegaler, nicht regulierter oder nicht gemeldeter Fischereitätigkeit vor.

Ihre Sorge hinsichtlich einer Nivellierung bisheriger Schutzstandards durch regulatorische Kooperation ist ebenfalls unbegründet, da das Kapitel über die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen freiwillig ist und somit die Regelungsfreiheit der Parlamente über die Lebensumstände im eigenen Land durch das WPA nicht eingeschränkt wird. Die im Abkommen vorgesehene regulatorische Kooperation soll vielmehr die Transparenz über Zulassungsverfahren, geltende Regelungen und zuständige Stellen verbessern, zu einem Austausch über Forschungsergebnisse beitragen und technische Anforderungen, z.B. in der Zulassung harmonisieren. Materielles Recht kann in den zuständigen Kooperationsausschüssen nicht geschaffen oder geändert werden. Hierzu wäre eine Anpassung des EU-Rechts mit den notwendigen rechtlichen Verfahren erforderlich.

Außerdem möchte ich Sie darauf hinweisen, dass das Abkommen zurecht als "EU-only" eingestuft worden ist. Denn die entscheidende (juristische) Frage für die Einordnung eines Abkommens als gemischtes Abkommen und damit für ein Zustimmungserfordernis der Mitgliedstaaten lautet allein: Besteht auf Ebene der EU eine Kompetenzlücke im Hinblick auf auch nur einen Teilaspekt des Abkommens? Insbesondere Bestimmungen zum Investitionsschutz können eine mitgliedstaatliche Beteiligung am Abkommen erforderlich machen. Da derartige Bestimmungen aber gerade nicht im WPA zwischen der EU und Japan geregelt sind, ist dessen Einordnung als „EU-only“ nicht zu beanstanden.

Zuletzt noch zur Privatisierung der Wasserressourcen: Wasser und Abwasser bleiben auch mit dem WPA Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und jede Kommune kann weiterhin entscheiden, ob sie diese Aufgabe selbst wahrnimmt oder einem privaten Dienstleister überträgt. Lediglich eine Änderung ergibt sich insoweit durch das Abkommen. Wenn Kommunen sich entscheiden, die Versorgung an einen privaten Dienstleister zu übertragen, können sich in Zukunft neben europäischen, südkoreanischen und kanadischen Anbietern (die bereits heute an solchen öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen können) auch japanische Anbieter an europaweiten Ausschreibungen beteiligen. Entscheidet sich eine Kommune später dazu, die Wasserversorgung anstatt durch einen privaten Anbieter wieder selbst wahrzunehmen, ist dies auch weiterhin problemlos möglich. Die Entscheidungshoheit ist und bleibt bei der Kommune. Im Ergebnis sind also kommunale Monopole und zukünftige Re-Monopolisierungen genau wie die Freiheit der Inländerbegünstigung im Bereich der Wasserversorgung (und der öffentlichen Daseinsvorsorge generell) weiterhin möglich. Dies hat die EU in Vorbehalt Nr. 21 (Anhang 8 B-II) klar festgeschrieben.

Hoffentlich konnte ich einige Ihrer Bedenken gegen das aus meiner Sicht sehr zu begrüßende WPA mit Japan ausräumen. Kommen Sie bei weiteren Fragen oder Anregungen gerne wieder auf mich zu.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Norbert Lins

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