Frage an Olaf Schwede von Jochen S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Herr Schwede: ,,Schon heute sei der Bedarf an Auszubildenden mit Bewerbern aus Hamburg nicht zu decken,, mopo.de Warum glauben sie es gibt zu wenig Hamburger Bewerber wenn doch jedes Jahr Jugendliche keine Lehrstelle finden? MfG Jochen Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt,
leider haben Sie bei Ihrer Frage nicht nur die Anrede vergessen, sondern mir auch ein Zitat in den Mund gelegt, dass mir im Artikel in der Morgenpost nicht zugerechnet wird. Der von Ihnen zitierte Satz leitet vielmehr ein Zitat eines Hamburger Unternehmers ein.
Der Artikel ist unter http://www.mopo.de/hamburg/politik---wirtschaft/sie-wollen-hamburgs-azubis-helfen/-/5067150/7190384/-/index.html nachzulesen.
Dort heißt es:
Ob bei Gewerkschaften, Handwerks- oder Handelskammer - überall findet Schwede Zustimmung. Schon heute sei der Bedarf an Auszubildenden mit Bewerbern aus Hamburg nicht zu decken. „Und wenn wir noch mehr Auswärtige gewinnen wollen“, sagt der Unternehmer Volker Enkerts, „dann müssen wir attraktiven Wohnraum zur Verfügung stellen.“
Hier ist somit eine Begründung wiedergegeben aus der heraus die Kammern und viele Arbeitgeber unser Projekt eines Auszubildendenwohnheims und die Idee eines Auszubildendenwerkes unterstützen. Weitere Zitate zu diesem Projekt finden Sie auch auf http://www.azubiwerk.de . Dort werden Sie feststellen können, dass es unterschiedliche Motive gibt, das von mir angestoßene Projekt gutzufinden. Ich werde dort beispielsweise wie folgt zitiert:
"In der Gewerkschaftsarbeit begegne ich immer wieder Auszubildenden denen es aufgrund ihrer geringen Vergütung und ihres jungen Alters schwer fällt in Hamburg bezahlbaren Wohnraum zu finden. Als ich als Student nach Hamburg kam, stand mir sofort und ohne Suche ein günstiges WG-Zimmer in einem Wohnheim des Studierendenwerkes in zentraler Lage zur Verfügung. Das muss es auch für Auszubildende geben. Deshalb habe ich mit Mitstreitern zusammen ein Konzept für Wohnheime und die Idee eines Auszubildendenwerkes als Stiftung unter Beteiligung der Sozialpartner entwickelt. Als Gewerkschafter und SPD-Kandidat setze ich mich nun aus ganzem Herzen für die Umsetzung dieser Ideen ein."
In der Politik kann man ein konkretes Projekt aus unterschiedlichen Motiven richtig finden und unterstützen, ohne das dies einen Widerspruch darstellt. Während mir die soziale Lage der Azubis besonders wichtig ist, fürchtet die Arbeitgeberseite um ihren Fachkräftenachwuchs und um die qualifizierte Zuwanderung von Auszubildenden nach Hamburg. Beides ist inhaltlich nicht falsch, macht aber eine unterschiedliche Motivlage deutlich. Derartige unterschiedliche Motivlagen für ein gutes gemeinsames Ziel sind aber nicht ungewöhnlich, wenn Gewerkschafter und Arbeitgeber gemeinsam ein Problem angehen.
Und es ist notwendig, dieses Problem anzugehen: Knapp die Hälfte aller Auszubildenden in Hamburger Unternehmen kommt ursprünglich nicht aus Hamburg. Diese Auszubildenden müssen in Hamburg Wohnraum finden, was aufgrund ihrer geringen Einkünfte sehr schwer ist. Die durchschnittliche tarifliche Ausbildungsvergütung lag 2009 im ersten Ausbildungsjahr bei 610 Euro brutto. Ich halte nichts davon Hamburger Jugendliche gegen diese Jugendlichen aus anderen Bundesländern auszuspielen. Mir ist jeder junge Mensch willkommen, der hier in Hamburg leben und arbeiten möchte. Die im Grundgesetz garantierte Berufswahlfreiheit und Freizügigkeit gilt auch für einen Jugendlichen aus einer Hartz IV-Familie in Anklam. Die Frage einer Ausbildung in Hamburg darf nicht vom Geldbeutel und sozialen Status der Eltern abhängig sein. Bestimmte Berufe sind nur in Hamburg erlernbar und wir können und dürfen es keinem Unternehmen verbieten qualifizierte und motivierte jugendliche Nicht-Hamburger einzustellen.
Die Frage, ob es in Hamburg genügend Ausbildungsplätze für alle Jugendlichen gibt, muss gleichzeitig differenziert betrachtet werden. Fakt ist, dass wir einen "zweigeteilten" Ausbildungsmarkt haben. Während hochqualifizierte und motivierte Jugendliche relativ leicht eine Ausbildung finden und die Unternehmen über zuwenig qualifizierte Bewerber klagen, haben wir gleichzeitig ca. 13.000 Jugendliche in den Angeboten des schulischen "Übergangssystems", denen es größtenteils schwer fällt eine Ausbildung zu finden. Vom bisherigen CDU-Senat, den Arbeitgebern und der Arbeitsverwaltung sind diese Jugendlichen bisher als nicht "ausbildungsfähig und -willig" abgestempelt worden. Diese Jugendlichen sind aber nicht vom Himmel gefallen, sondern sie sind das Ergebnis jahrelanger politischer Untätigkeit in diesem Bereich. Für diese Jugendlichen müssen wir etwas tun. Wir müssen ihnen durch eine grundlegende Reform des Übergangssystems von der Schule in den Beruf Chancen eröffnen, ihnen über Ausbildungsprogramme Chancen eröffnen und ihre Vermittlung in Ausbildung und Arbeit verbessern. Jedem dieser Jugendlichen eine Ausbildung oder Arbeit zu verschaffen ist ein wichtiges Ziel eines zukünftigen SPD-Senates. Wir dürfen aber nicht so tun als würden wir das Problem fehlender Ausbildungsplätze durch eine nicht umsetzbare Begrenzung des Zuzugs nach Hamburg lösen können. Über eine Einstellung auf einen Ausbildungsplatz entscheiden nach wie vor die Arbeitgeber in jedem Einzelfall.
Strukturell ist es übrigens auch richtig, dass wir den Zuzug von außen brauchen, um unseren Fachkräftebedarf zu decken. Bei 14.000 Ausbildungsplätzen jährlich und 16.000 Schulabgängern in Hamburg lassen sich - nach Abzug der Studierenden, Vollzeitschüler (Pflegeberufe, Erzieher, etc.) und Jugendlichen die andere Wege der Qualifizierung nutzen - nicht alle Ausbildungsplätze mit Hamburgern besetzen. Rein rechnerisch. Wenn wir nicht die vielen Jugendlichen in Maßnahmen des Übergangssystems hätten, die in den vergangenen Jahren leer ausgegangen sind und die vielfach als nicht "ausbildungswillig und -fähig" abgestempelt wurden.
Angesichts sinkender Zahlen an Jugendlichen in anderen Bundesländern und einem steigenden Fachkräftebedarf in der Hamburger Wirtschaft werden wir weiterhin qualifizierte Zuwanderung aus anderen Bundesländern benötigen. Diesen Jugendlichen wollen wir über ein Auszubildendenwerk in Hamburg gute Startchancen eröffnen. Gleichzeitig müssen wir aber auch den Hamburger Jugendlichen helfen, besser in Arbeit und Ausbildung zu kommen. Gute sozialdemokratische Politik wird darin bestehen müssen, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen.
Für diese Politik, die sich an den Interessen aller jungen Menschen orientiert, bitte ich am 20.02.2011 um Ihre Stimmen auf Platz 27 der SPD-Landesliste.
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Schwede