Frage an Olaf Schwede von Anna M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Schwede,
gerne würden wir Ihre Position zu folgenden Themenblöcken erfahren:
A) Mindestlohn
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Seit dem 1.1.2015 gilt Deutschlandweit der Mindestlohn von 8,50 Euro/h.
Jedoch ist der Mindestlohn nicht Flächendeckend gültig, so gilt dieser bspw. nicht für Minderjährige.
Ebenso ist erst nach 2016 eine Anhebung des Mindestlohnes im Rahmen eines Inflationsausgleiches vorgesehen.
1) Wie stehen Sie zu der Einführung eines Gesetzlichen Mindestlohnes?
2) Wie soll Ihrer Meinung nach in Zukunft mit den jeweiligen Ausnahmen verfahren werden?
3) Halten Sie den Mindestlohn von 8,50 € für ausreichend, um den Lebensunterhalt zu bestreiten?
4) Wie soll sich der Mindestlohn perspektivisch entwickeln und wie werden Sie darauf hinwirken?
B) Mindestausbildungsvergütung
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Überwiegend arbeiten Jugendliche und junge Erwachsene in Ihrer Ausbildung weit unterhalb einer Armutsgrenze.
Sie können ihr Leben nicht aus der eigenen Arbeit finanzieren. Dies beeinflusst die Wahl des Ausbildungsbetriebes, der dann nach der Nähe zum Wohnort der Eltern ausgewählt wird, da man sich nur schwer eine eigene Wohnung leisten kann, und schränkt die Möglichkeiten ein, selbstbestimmt das eigene Leben zu gestalten.
1) Setzen sie sich dafür ein, dass Auszubildende und dual Studierende eine existenzsichernde Mindestausbildungsvergütung erhalten? Wenn ja, welche Höhe streben Sie hierbei an. Wenn nein, warum nicht?
2) Welche Konzepte entwickeln Sie darüber hinaus, um Auszubildende finanziell zu Unterstützen, bzw. zu entlasten?
3) Soll auf lange Frist gesehen darüber nachgedacht werden, den Mindestlohn auch in der Ausbildung geltend zu machen? Warum/ Warum nicht?
Sehr geehrte Frau M.,
vielen Dank für Ihre umfangreichen Fragen zum Mindestlohn, zur Einführung einer Mindestausbildungsvergütung und zu weiteren Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung bzw. Entlastung von Auszubildenden.
Als überzeugter Gewerkschafter in der SPD liegt mir die Verbesserung der sozialen Lage der Auszubildenden besonders am Herzen. Ich engagiere mich für diese Frage seit Jahren kontinuierlich in meinem Beruf als Gewerkschaftssekretär und seit 2008 parallel ehrenamtlich in der Initiative zur Schaffung eines Hamburger Auszubildendenwerkes. Von 1996 bis 2011 war ich haupt- und ehrenamtlich für die DGB-Jugend aktiv.
*Konkrete Verbesserungen für Auszubildende in Hamburg *
Konkrete finanzielle Entlastungen bzw. die Verbesserung der sozialen Lage der Auszubildenden sind auch jenseits einer gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung auf der Ebene eines Bundeslandes möglich.
Bezahlbarer Wohnraum für Auszubildende und ein Auszubildendenwerk:
In Wandsbek wird aktuell Hamburgs erstes Auszubildendenwohnheim mit 156 Wohnheimplätzen gebaut. Es wird im Sommer 2016 eröffnet und vom Auszubildendenwerk betrieben werden. Die Kaltmiete pro Zimmer wird bei 206 Euro liegen. Über eine spezielle Förderrichtlinie der Stadt Hamburg wird ein pädagogisches Unterstützungsangebot für minderjährige Auszubildende sichergestellt. Das aus einer privaten Initiative heraus entstandene Auszubildendenwerk wird bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums für Auszubildende von der Politik, der Wirtschaft und von Gewerkschaftern unterstützt. Die Idee für ein Auszubildendenwerk stammt von mir und basiert auf meinen Erfahrungen in der gewerkschaftlichen Jugendarbeit. Seit 2008 engagiere ich mich ehrenamtlich für dieses Projekt. 2011 fand es Eingang in das Regierungsprogramm der SPD. Mit dem ersten Auszubildendenwohnheim in Wandsbek ist nun ein entscheidender Schritt getan. Weitere Wohnheime für Auszubildende sind geplant.
Beratungsangebote zur Berufsausbildungsbeihilfe (BAB):
Perspektivisch kann das Auszubildendenwerk auch die Trägerschaft einer Beratungsstelle für Anträge auf Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) übernehmen. Ein solches Angebot ist sinnvoll, damit mehr Auszubildende die Möglichkeiten einer finanziellen Unterstützung während ihrer Ausbildung nutzen können. Dies wäre eine konkrete Hilfestellung, die gerade Auszubildenden mit niedrigen Vergütungen helfen würde.
Lernmittelfreiheit für Auszubildende:
Im Hamburger Schulfrieden von 2010 gelang es der SPD das Büchergeld an den Schulen abzuschaffen und die Lernmittelfreiheit wieder einzuführen. Das hat auch zu einer Entlastung der Auszubildenden an den beruflichen Schulen geführt, die teilweise erhebliche Summen für Fachbücher und Unterrichtsmaterial aufbringen mussten.
*Über eine Mindestausbildungsvergütung entscheidet der Bund*
So sinnvoll die Forderung nach einer Mindestausbildungsvergütung angesichts teilweise extrem niedriger Vergütungen auch ist: Diese politische Frage wird nicht bei der Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft am 15.02.2015 entschieden.
Gesetzliche Vergütungsvorschriften sind dem Arbeitsrecht zuzuordnen, das wiederum der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegt. Dies bedeutet, Hamburg hätte als Land die Gesetzgebungskompetenz, solange der Bund von seiner keinen Gebrauch macht. Das hat er aber mit dem Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns vom 11.8.2014 getan. Da das Thema „Einbezug von Ausbildungsvergütungen“ mit dem bekannten Ergebnis bei der Erarbeitung des Bundesgesetzes eine Rolle gespielt hat, kann man hier auch nicht auf eine Regelungslücke verweisen, die der Landesgesetzgeber nun schließen könne bzw. müsse.
Eine Gesetzgebung zu einer Mindestausbildungsvergütung würde zudem nicht im „luftleeren Raum“ stattfinden. Es ist davon auszugehen, dass die Kammern und Arbeitgeberverbände ein solches Gesetz massiv bekämpfen würden. Wenn das Land bei dieser Frage keine Gesetzgebungskompetenz besitzt, wäre eine Klage gegen ein solches Gesetz seitens der Arbeitgeber bzw. Kammern vorprogrammiert.
*Zu Ihren Fragen im Einzelnen: *
A 1) Wie stehen Sie zu der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes?
Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns war dringend erforderlich. Da lange hierfür eine Mehrheit im Bundestag fehlte, haben die SPD-regierten Bundesländer im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz Mindestlöhne im Vergaberecht und in den von ihren regelbaren Bereichen geschaffen. Die SPD-Mehrheit in der Hamburgischen Bürgerschaft hat bereits 2013 ein Landesmindestlohngesetz beschlossen. Dieses beinhaltete keine Ausnahmeregelungen für abweichende Tarifverträge oder für minderjährige Beschäftigte.
Ich habe mich persönlich für die Schaffung der Mindestlohnregelungen massiv eingesetzt und beruflich als Gewerkschaftssekretär die Einführung der Landesmindestlöhne in Hamburg (8,50 Euro) und in Schleswig-Holstein (9,18 Euro) aktiv begleitet.
A 2) Wie soll Ihrer Meinung nach in Zukunft mit den jeweiligen Ausnahmen verfahren werden?
Die meisten Ausnahmen sind Teil eines politischen Kompromisses, der zur Einführung und Durchsetzung des Mindestlohns auf Bundesebene notwendig war. Die CDU hat bei der letzten Bundestagswahl die absolute Mehrheit knapp verfehlt, die SPD erhielt ca. 25% der Stimmen. Dies hat die Verhandlungen um die Einführung eines Mindestlohns ohne Ausnahmen deutlich erschwert.
Ich halte eine Reihe von Ausnahmen für falsch und nicht nachvollziehbar. Der Mindestlohn muss auch für minderjährige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für Langzeitarbeitslose gelten. Dies ist zu korrigieren. Eine Reihe der Übergangsregelungen wird zum 01.01.2017 entfallen. Ob die Abschaffung anderer Ausnahmeregelungen möglich ist, wird aber auch vom Stimmergebnis der SPD bei der Bundestagswahl 2017 abhängen.
A 3) Halten Sie den Mindestlohn von 8,50 € für ausreichend, um den Lebensunterhalt zu bestreiten?
Der Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro in der Stunde war eine Forderung der Gewerkschaften. An dieser Höhe hat sich die Koalition aus CDU und SPD bei der Einführung des Mindestlohns orientiert. Dieser Mindestlohn soll regelmäßig erhöht werden. Hierzu wurde auf Bundesebene eine Kommission aus Arbeitgebern, Gewerkschaften und Wissenschaftlern geschaffen.
Fakt ist aber: Ein Mindestlohn stellt nur eine absolute Untergrenze dar. Er sichert kein gutes Einkommen. Das ist die Aufgabe von Tarifverträgen und Gewerkschaften. Wer ein gutes Einkommen haben möchte, muss sich weiterhin gewerkschaftlich organisieren und engagieren. Die gesetzliche Untergrenze hilft jedoch den Gewerkschaften höhere Löhne und Abschlüsse durchzusetzen.
Spannend ist, dass die SPD-regierten Länder teilweise höhere Mindestlöhne in den Vergabegesetzen und Landesmindestlohngesetzen verankert haben. In Schleswig-Holstein liegt der Landesmindestlohn aktuell bei 9,18 Euro, in Bremen bei 8,80 Euro, in Nordrhein-Westfalen bei 8,85 Euro und in Rheinland-Pfalz bei 8,90 Euro. Bundesländer in denen die Partei DIE LINKE regiert bzw. mit regiert haben keine höheren Mindestlöhne als 8,50 Euro in der Stunde. Auch hier gilt also: Wer einen höheren Mindestlohn auf Bundesebene möchte, muss die SPD wählen.
A 4) Wie soll sich der Mindestlohn perspektivisch entwickeln und wie werden Sie darauf hinwirken?
Ich halte es für notwendig, den Mindestlohn regelmäßig zu erhöhen. Jeder feste Wert hat das Problem, dass er im Laufe der Zeit immer mehr an realer Kaufkraft verliert. Die Möglichkeiten der Hamburgischen Bürgerschaft und ihrer Abgeordneten Einfluss auf die Höhe des Mindestlohns zu nehmen, sind aber extrem begrenzt bzw. kaum vorhanden. Hier ist die nun die unabhängige Mindestlohnkommission auf Bundesebene am Zuge.
Anders verhält es sich beim Mindestlohn nach dem Hamburgischen Mindestlohngesetz, der aber nur für wenige Bereiche gilt. Dieser soll nun nach der Bürgerschaftswahl zeitnah auf über 8,50 Euro erhöht werden. So heißt es auf S. 18 des SPD-Regierungsprogramms zur Bürgerschaftswahl 2015: „Wir haben einen Landesmindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde für Stadt, öffentliche Unternehmen, deren Tochterunternehmen und Auftragnehmer von öffentlichen Aufträgen eingeführt. Das gebietet die Gerechtigkeit. Dieser Mindestlohn wird überprüft und erhöht.“ Mit einer derartigen Erhöhung würde Hamburg ein wichtiges Signal an den Bund senden. Andere SPD-regierte Bundesländer sind diesem Weg bereits gegangen und haben weitergehende Mindestlohnregelungen (siehe oben).
B 1) Setzen sie sich dafür ein, dass Auszubildende und dual Studierende eine existenzsichernde Mindestausbildungsvergütung erhalten? Wenn ja, welche Höhe streben Sie hierbei an. Wenn nein, warum nicht?
Die Einführung einer Mindestausbildungsvergütung unterliegt der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Das Land Hamburg kann damit keine Mindestausbildungsvergütung gesetzlich festlegen. Jeder Versuch würde von den Kammern und Arbeitgeberverbänden massiv bekämpft und ggf. auf dem gerichtlichen Weg verhindert werden. Hier auf Landesebene in Hamburg Versprechungen zu machen, ist damit unseriös und hilft politisch dem Anliegen nicht weiter.
Angesichts teilweise extrem niedriger Ausbildungsvergütungen halte ich persönlich eine gesetzliche Mindestausbildungsvergütung für sinnvoll und erforderlich. Die Höhe könnte sich sinnvollerweise bei der Einführung an der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütung im ersten Ausbildungsjahr orientieren. Deren Höhe wird vom Bundesinstitut für Berufsbildung regelmäßig errechnet. Zukünftige Steigerungen könnten dann analog dem Mindestlohn von einer Kommission festgelegt werden. Bisher steht die Debatte zu diesem Thema aber noch am Anfang. Eine abgestimmte Position der SPD in Hamburg oder auf Bundesebene hierzu ist mir nicht bekannt.
B 2) Welche Konzepte entwickeln Sie darüber hinaus, um Auszubildende finanziell zu unterstützen, bzw. zu entlasten?
Zu den Themenfeldern bezahlbares Wohnen für Auszubildende, zur BAB-Beratung und zur Lernmittelfreiheit habe ich mich in der Einleitung zu diesem Beitrag ausführlich geäußert.
B 3) Soll auf lange Frist gesehen darüber nachgedacht werden, den Mindestlohn auch in der Ausbildung geltend zu machen? Warum/ Warum nicht?
Ich halte das für eher problematisch. Es sollte weiterhin zwischen einer regulären Beschäftigung und einer Beschäftigung zum Zwecke der Ausbildung differenziert werden. Wenn der Mindestlohn im vollen Umfang auch für Auszubildende gelten würde, kann dies den Druck deutlich erhöhen, dass Auszubildende sich für die Unternehmen auch rechnen müssen. Der Leistungsdruck würde steigen, die Qualität der Ausbildung potentiell leiden.
Die Ausbildung muss aber in erster Linie dem Erwerb von Qualifikationen und beruflichen Kompetenzen dienen. Dazu ist auch ein gewisser „Schutzraum“ notwendig. Bisher besitzen Auszubildende z.B. nach der (maximal 4 Monate dauernden) Probezeit einen weitgehenden Kündigungsschutz, sind für den Besuch der Berufsschule bezahlt freizustellen und haben einen Anspruch darauf nach dem Ausbildungsplan unterwiesen zu werden. Wenn Auszubildende den regulären Beschäftigten gleichgestellt werden, würden derartige Regelungen in der politischen Debatte unter Druck geraten. Ich wäre hier deswegen eher vorsichtig.
Ich hoffe, ich habe Ihre Fragen ausführlich genug beantwortet. Für ein persönliches Gespräch zu diesen Themen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Wie Sie meinen Antworten sicher entnommen haben, stehe ich als Kandidat für konkrete Verbesserungen für die Auszubildenden. Dafür setze ich mich seit Jahren und sehr kontinuierlich ein. Politik ist für mich nicht der Wettbewerb um die tollste oder radikalste Forderung.
Wenn Sie mich bei meinem konkreten Engagement unterstützen wollen, dann bitte ich Sie um Ihre 5 Kreuze auf Platz 47 der SPD-Landesliste im gelben Wahlheft.
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Schwede