Frage an Otto Fricke bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Otto Fricke
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Frage von Thilo M. •

Frage an Otto Fricke von Thilo M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Herr Fricke,

der Presseberichterstattung nach haben Sie als Mitglied des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung dafür gestimmt, dass Bundestagsabgeordnete keine freies Rederecht mehr besitzen, sondern nur noch dann reden dürfen, wenn ihre Fraktion es erlaubt. Ich beziehe mich folgende Presseberichterstattung darüber:

Rederecht im Bundestag: Fraktionen planen Maulkorb für Abgeordnete
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/rederecht-im-bundestag-fraktionen-planen-maulkorb-fuer-abgeordnete-1.1332338

Bundestag: Fraktionen wollen Rederecht der Parlamentarier einschränken
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,827499,00.html

Wie begründen Sie Ihre Entscheidung, sich selbst und ihren Bundestagsabgeordnetenkollegen einen Maulkorb verpassen zu wollen? Degradieren Sie sich dadurch nicht selbst zum Stimmvieh?

Mit freundlichen Grüßen

Thilo Mühlberger

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Mühlberger,

vielen Dank für Ihre Sorge um die parlamentarische Vielfalt im Deutschen Bundestag. Zu der Frage des Rederechts einzelner Abgeordneter im Plenum des Deutschen Bundestages haben mich zahlreiche, teilweise gleichlautende Schreiben erreicht. Ich erlaube mir daher, Ihnen über Abgeordnetenwatch eine Antwort zukommen zu lassen, die auch andere Bürgerinnen und Bürger erhalten haben.
Ich möchte Ihnen meine persönliche Sicht der Dinge darlegen und Ihnen mit dem Link zu zwei Pressemitteilungen meines Kollegen Jörg van Essen die Meinung der Fraktion darstellen http://www.liberale.de/Pressemitteilungen/2980c202/index.html?id=17046 . Daneben finden Sie hier eine gemeinsame Pressemitteilung von MdB van Essen und MdB Altmaier http://www.joerg-van-essen.de/content/van-essen-altmaier-parlamentarisches-rederecht-wird-gr%C3%BCndlich- beraten-werden Herr van Essen hat die Problematik auch in einem Interview auf WDR5 http://www.wdr5.de/sendungen/morgenecho/s/d/16.04.2012-06.05/b/maulkorb-fuer-abgeordnete.htmldargestellt.
Um es direkt vorab zu sagen: einen "Maulkorb" wird es mit mir nicht geben. Für mich persönlich ist das Rederecht für jeden Abgeordneten ein hohes Gut, zumal ich als "Haushälter" sehr oft in der Position stecke, eine andere Meinung zu haben als meine Fraktionskollegen.
Die Frage wann ich diese im Plenum sage, also nicht ob, ist nach meiner Meinung eine Frage die ich mit meinen Fraktionskollegen absprechen muss. Deswegen entscheidet ja auch die Fraktion in einem demokratischen Verfahren bzw. in Zusammenarbeit in der Fraktionssitzung, wer für die Fraktion reden soll.
Aus meiner persönlichen Sicht möchte ich noch hinzufügen, dass die Frage ob man redet, ob man eine Erklärung zu Protokoll, eine Kurzintervention oder eine persönliche Erklärung abgibt auch von der Bedeutung der Debatte nicht getrennt werden kann. Letztlich muss für den Bürger eine eigene Meinungsbildung möglich sein. Insofern muss eine Debatte im Ergebnis immer so sein, dass sie für den Zuhörer/Zuschauer/Leser eine Möglichkeit bietet, die Argumente selbst zu wägen. Wenn es nun aber so wäre, dass jeder der 600 Abgeordneten sich jedes Mal zu Wort melden kann, würde dies dem Bürger in letzter Konsequenz gar nicht mehr die Möglichkeit geben, eine eigene Einschätzung zu finden.
Natürlich spielt bei der Frage, wann und wo der einzelne Abgeordnete (durch den Bundestagspräsidenten) in eine Debatte einzubringen ist eine große Rolle, ob das Für und Wider sich bereits durch unterschiedliche Fraktionsmeinungen ergibt, oder ob, wie im Fall der Euro-Entscheidung, vier Fraktionen der gleichen Meinung sind und nur einzelne Abgeordnete eine andere Meinung vertreten. Denn es geht im Plenum weniger um die Frage welche Fraktion redet, sondern welche Argumente von wem in welche Richtung in die Diskussion eingebracht werden.
Letztlich hat dies 60 Jahre lang im Rahmen eines "gentlemen/-women agreement" funktioniert und wenn es nach mir ginge, könnte es auch dabei bleiben, wobei dann sowohl Fraktion als auch einzelne Abgeordnete das große Ganze weiterhin im Auge behalten müssen.
Es geht also nicht um die Beschneidung von Grundrechten für Abgeordnete, sondern lediglich um das Wie der Handhabung. Letztlich wird eine Lösung gefunden werden, die sowohl dem freien Mandat, als auch der Mehrheitsentscheidung einer Fraktion Rechnung trägt.
Ich hoffe, diese kurze Einschätzung und Information war für Sie ein hilfreicher, wenngleich später Beitrag zur Diskussion.

Herzliche Grüße,

Ihr Otto Fricke

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