Frage an Otto Fricke bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Otto Fricke
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Frage von Rigobert W. •

Frage an Otto Fricke von Rigobert W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehhrter Herr Fricke!

Warum stimmen Sie für den Lissabon Vertrag und verletzen da- mit das Grundgesetz , Artikel 2o?; denn Brüssel ("Politbüro") ist nur Executive und nicht Legislative. Wissen Sie nicht , daß damit jedem Bürger gem. dem GG, das Widerstandsrecht zusteht? Bleibt zu hoffen, daß Herr Gauweiler mit seiner Verfassungsklage Erfolg haben wird.

Mit freundlichen Grüßen R. Wenzel

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Sehr geehrter Herr Wenzel,

für Ihre Frage zum Lissabon-Vertrag danke ich Ihnen.

Ihre pauschale Kritik am Lissabon-Vertrag, ja überhaupt an der Beteiligung Deutschlands an der Europäischen Union, teile ich nicht. Die Bezeichnung der EU-Institutionen als "Politbüro" vergreift sich im Ton und ist auch inhaltlich unzutreffend. Es ist zuzugeben, dass die Regierungen der Mitgliedsstaaten bei der Rechtssetzung auf europäischer Ebene einen nicht geringen Einfluss haben. Das indes ist den Funktionsnotwendigkeiten eines supranationalen Verbundes geschuldet. Die Exekutive setzt das Recht aber keineswegs allein: Die Bürger Europas wählen in allen Mitgliedsstaaten im Turnus von fünf Jahren - nächstes Mal im nächsten Jahr - das Europäische Parlament, das heute über erheblichen Einfluss verfügt.

Gewiss sind die Verfahren der Europäischen Union nicht immer ganz so parlamentarisch organisiert, wie ich es mir als überzeugter Parlamentarier wünschen würde. Aber es lässt sich auch nicht erwarten, dass sich alle Organisationsformen der Mitgliedsstaaten auf den Gemeinschaftsverbund ohne weiteres übertragen lassen. Ich finde, die Europäische Union ist sehr geglückt: Sie hat für Frieden und Freiheit in Europa gesorgt, und sie verleugnet auch als Gemeinschaft nicht, dass es sie eine Gemeinschaft von Demokratien ist.

Es sind Fälle denkbar, in denen eine Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union eine Verletzung nationalen Verfassungsrechts darstellte, für den Lissabon-Vertrag, der eine - im Rahmen des Möglichen gelungene - Weiterentwicklung der Union darstellt, vermag ich eine solche Verletzung nicht zu erkennen. Das ändert nichts daran, dass es natürlich im Rechtsstaat das gute Recht des Kollegen Gauweiler, die Sache - in der ich freilich grundlegend anderer Meinung bin als er - vor das Verfassungsgericht zu bringen.

Was das Widerstandsrecht des GG anbetrifft, so empfehle ich, mit diesem mit großem Bedacht umzugehen. Wenn Sie behaupten, durch die Übertragung einiger Rechte an die Europäischen Gemeinschaften seien die Voraussetzungen des Rechts erfüllt, verkennen Sie - so fürchte ich - die historische Fallhöhe dieses Verfassungssatzes, dem es um die Abwehr einer menschen- und freiheitsfeindlichen Diktatur geht. Die Integration Deutschlands in die Staatengemeinschaft, beispielsweise also auch in die Europäische Union, wird hingegen vom Grundgesetz ausdrücklich gewünscht - schauen Sie gern einmal in die Artikel 23 bis 25 des GG, für Europa insbesondere in den Artikel 23 GG.

Es grüßt Sie freundlich

Otto Fricke, MdB

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