Frage an Otto Fricke bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Otto Fricke
FDP
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Frage von Heike R. •

Frage an Otto Fricke von Heike R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehreter Herr Fricke,

ich habe mich mit einer Frage an Frau Nahles gewand, die sie mir nicht, bzw. ohne Sachbezug "beantwortet" hat.
Ich möchte diese Frage deshalb an Sie, als Vorsitzenden des Haushaltsausschuss stellen.
Die Rente mit 67 wurde federführend von Herrn Müntefering zum Gesetz gemacht. Mit zunehmenden Alter, mit sich ständig verschärfenden mentalen Belastungen am Arbeitsplatz, erhöht sich, nachgewiesen vom Statistischen Bundesamt, der Krankenstand der über 65-jährigen, der schon heute (ohne Rente mit 67!) doppelt so hoch ist wie bei den 40- bis 65-jährigen. In den ersten 6 Wochen zahlt der Arbeitgeber das Gehalt weiter, danach, bis zu 90% des Nettolohnes die Kassen. Rentenbeiträge zahlen für diese Zeiträume Arbeitgeber und Kassen weiter. Durch zahlreiche Krankmeldungen von über 65-jährigen, siehe Nachweis des Statistischen Bundesamtes, werden die Kosten aus Krankheit drastisch steigen. Wer wird diese, real auf uns zukommenden Kosten, das Statistische Bundesamt hat garantiert recht, bezahlen? Vom Gesetz sind die Arbeitgeber ausdrücklich geschützt , wörtlich: "Sonstige Auswirkungen auf die Kosten der Unternehmen entstehen nicht" !
Wer dann wird diese "Zeche´" zahlen müssen?
Diese Frage ist nicht hypothetisch, sondern sehr real und gehört, da sie ja mit der Rente mit 67 zu tun hat, auch öffentlich und verbindlich beantwortet.
Ich hoffe sehr, dass als "Lösung" nicht der Kündigungsschutz abgeschafft wird und dass nicht Abgaben weiter erhöht werden.
Welchen realen existierenden und konkreten Plan zur Lösung hat die Regierung dazu?

Mit besten Grüßen
Heike Rogall

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Rogall,

ich kann Ihre Sorge bezüglich der Rente mit 67 sehr gut nachempfinden, wird sie mich doch selbst treffen. Doch müssen wir einer Tatsache ins Auge sehen – und vom Grundsatz ist es auch was Gutes: Die Menschen in Deutschland leben immer länger. Was für den einzelnen positiv ist, wird für die gesetzliche Rentenversicherung zur Zukunftsaufgabe. Es beziehen immer mehr Rentner über einen immer längeren Zeitraum ihre Rente bei gleichzeitig sinkender Zahl der Erwerbstätigen. Diese Herausforderung lässt sich nur durch einen Paradigmenwechsel, also einen grundlegend neuen Ansatz bei der Gestaltung des Überganges von der Arbeit in die Rente bewerkstelligen.

Der Beschluss der schwarz-roten Koalition die Rente mit 67 Jahren
einzuführen und damit die Jobchancen für Ältere zu verbessern zweifelt die FDP aber an. Viele Menschen können oder wollen nicht bis zum 67. Lebensjahr arbeiten. Der Rentenzugang aus einem Arbeitsverhältnis bei Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze ist von der Regel zur Ausnahme geworden. Vor diesem Hintergrund empfinden viele Menschen die Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters als verkappte Rentenkürzung. Es wäre nicht korrekt, die heutige Lage am Arbeitsmarkt mit der Situation in 2029 gleichzustellen.

In Schweden beispielsweise sind 69 Prozent der über 55-jährigen noch erwerbstätig, während es in Deutschland gerade einmal 45 Prozent sind. Auch für Deutschland muss das Leitbild gelten, möglichst lange am Erwerbsleben teilzuhaben, statt wie bisher möglichst früh daraus auszuscheiden. Denn trotz einer höheren Lebenserwartung, immer besser werdender Gesundheit und damit verbundener höherer körperlicher Leistungsfähigkeit im Alter, geht die gesellschaftliche Wahrnehmung von Alter in die gegensätzliche Richtung.

Ich plädiere für einen flexiblen Rentenbeginn ab 60 Jahre: Mit Rentenabschlägen, aber unbegrenzten Hinzuverdienstmöglichkeiten als Arbeitsanreiz. Wichtiges Detail in den Plänen der Liberalen ist zudem, dass beim Zuverdienst Renten,- Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge bestehen bleiben, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge aber entfallen. Aus Sicht der Unternehmen bedeutet das einen Kostenvorteil; für die Rentenempfänger, die Zuverdienen wollen, erhöhen sich die Jobchancen. Für die Arbeitnehmer ergibt sich daraus eine Senkung der Arbeitsbelastung im Alter und dadurch können längere Krankheitsphasen vermieden werden. Außerdem werden in Zukunft auch die Unternehmen ein immer größeres Interesse haben, ihre Mitarbeiter länger und gesünder zu halten, weil jüngere Arbeitskräfte aufgrund der demografischen Entwicklung immer knapper werden.

Bereits in 2009 stehen fast 140.000 weniger Erwerbstätige zur Verfügung und diese Entwicklung wird sich in den kommenden zwanzig Jahren stark auf den Arbeitsmarkt auswirken. Darüber hinaus hat gute Gesundheitspolitik auch und gerade im Angesicht des demografischen Wandels einen ungemeinen Vorteil. Durch zunehmenden Behandlungs- und Pflegebedarf entsteht ein neuer Markt - ein Wachstumsmarkt, ein Gesundheitsmarkt. Neue Arbeitsplätze, Innovation und Wirtschaftlichkeit können Sinnbild einer Politik werden, die ihre Möglichkeiten und Chancen zu nutzen weiß.

Damit das gelingen kann, müssen aber noch sehr viele Probleme angepackt werden. Das umlagefinanzierte Gesundheitswesen stößt an seine Grenzen, auf den demografischen Wandel ist es nicht eingestellt. Bei immer weniger Beitragszahlern und immer mehr Leistungsempfängern ist das Gesundheitswesen vordergründig nur noch durch radikale Leistungskürzungen oder aber durch steigende Beiträge sowie letztlich durch höhere Steuerzuschüsse zu finanzieren. Beides geht zu Lasten der Bürger. Zukünftig legt zudem der Staat einen einheitlichen Krankenkassenbeitrag fest. Dies verhindert Wettbewerb zum Wohle des Patienten einerseits und bedeutet Gesundheit nach Kassenlage andererseits.

Dieser unverantwortlichen Politik sollte man ein unbürokratisches,
transparentes und leistungsfähiges Modell entgegen setzen, welches für den privaten Krankenversicherungsschutz mit sozialer Absicherung alles sorgt. Alle Krankenkassen sollen zu privaten Krankenversicherungen werden, die im Wettbewerb um die beste Versorgung, die günstigsten Verwaltungskosten und die innovativsten Tarife konkurrieren. Jede Krankenversicherung muss einen Pauschaltarif anbieten. Der sichert Regelleistungen ab und darf weder nach Geschlecht, Alter oder Krankheitsrisiko differenzieren. Ein neues System grundsätzlich privater Krankenversicherungen steht darüber hinaus für Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit. Es baut Altersrückstellungen auf, mit denen auch die zukünftig steigenden Kosten gedeckt werden können.

Außerdem fordern wir, dass die Arbeitgeberbeiträge zur Gesundheitsversorgung dauerhaft von den Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung entkoppelt werden. Das macht Arbeit in Deutschland nämlich wieder konkurrenzfähig und die Finanzierung des Gesundheitswesens von Konjunkturschwankungen unabhängig.

Ich will nicht verschweigen, dass dies eine sehr schwere und umfangreiche Aufgabe ist. Aber sie ist wesentlich für eine Gesellschaft, die immer älter wird. Lösen wir diese Aufgabe nicht, können sich auf Dauer nur noch diejenigen Gesundheit leisten, die über ausreichende private Mittel verfügen. Gerade dies gilt es aber zu verhindern.

Hoffentlich konnte ich Ihre Anfrage, Frau Rogall, ausreichend beantworten.
Ich verbleibe somit mit weihnachtlichen Grüßen und wünsche Ihnen vor allem Gesundheit auch für 2009!

Otto Fricke

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