Frage an Petra Merkel bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Petra Merkel
SPD
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Frage von Hans B. •

Frage an Petra Merkel von Hans B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Meine Meinung
1.) Die Republik wird z. Zt. von der schwächsten politischen Klasse regiert;
2.) Die Republik hat z. Zt. den farblosesten Bundespräsidenten;
3.) Die SPD hat schlechte Umfragewerte und ringt um ihre Mitglieder.

Frage: Warum entlässt die Partei einen ihrer fähigsten Köpfe?
Ich bin empört! Werden jetzt Maulkörbe verteilt? Es werden weitere Mitglieder die Partei verlassen. Wähler werden die Richtung wechseln oder nicht mehr zur Wahl gehen. Schlimmer geht es dann nicht mehr. Ich habe Sarazins Buch gelesen, es war überfällig! Ich sehe keinen Anlass , Sarazin zu feuern!
HB (79)

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Bönig,

bei der Durchsicht der noch unbeantworteten Fragen auf abgeordnetenwatch.de habe ich festgestellt, dass ich Ihnen noch eine Antwort auf Ihre Frage schuldig bin. Bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihnen erst heute antworte. Gern möchte ich Ihnen meinen Standpunkt zur Debatte um einen Parteiausschluss von Thilo Sarrazin darstellen.

Öffentlich diskutiert wurde in den vergangenen Monaten häufig, dass Thilo Sarrazin in seinem Buch das ausspräche, was der Großteil unserer Bevölkerung denke. Ich habe daran entschiedene Zweifel. Was Thilo Sarrazin macht, ist, Missstände in der Integrationspolitik mit zum Teil rassistischen Äußerungen zu verbinden. Über die inhaltlichen Aussagen von Thilo Sarrazin kann und muss man diskutieren. Die Art und Weise, wie er die Thematik anspricht, polemisiert und zuspitzt, ist allerdings absolut nicht akzeptabel: Ich finde es nicht akzeptabel, dass Menschen bestimmter Religionen und Völker in von Geburt an Intelligente und Unintelligente kategorisiert werden. Bildung bekommt nur der- oder diejenige, in die/den es sich zu investieren lohnt... Dieses Gedankengut habe ich als Sozialdemokratin immer bekämpft und werde das auch weiterhin tun!

Inhaltlichen Debatten weiche ich nicht aus. Thilo Sarrazin jedoch hat diese Diskussion innerhalb der SPD nie gesucht. Er hat sich in den vergangenen Jahren in keiner Weise bemüht, innerhalb der Partei über seine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen zu diskutieren. Vielmehr hat er bewusst den Weg über die öffentliche Konfrontation gesucht. Provokationen, Zuspitzungen sind ja o.k. - solch krude Gedankengänge wie 50.000 Euro für intelligente Frauen, die zur Fortpflanzung ausgesucht werden, finde ich einfach absurd. Sie treffen mich zutiefst und zeichnen ein Menschenbild, was nicht dem der SPD entspricht.

Meine Partei ist eine, deren Mitglieder - oder weite Teile davon - sich in Zeiten, in denen solche Auffassungen nicht politisch umstritten waren, dagegen gestellt und Kopf und Kragen - und manchmal auch das Leben - riskiert haben. Die politische Korrektheit, das Gespür dafür, wie man etwas sagt, ohne Menschen zu beleidigen, zu diffamieren und zu diskriminieren, ist gerade von jemandem einzufordern, der für und durch eine Partei Ämter bekleidet und der damit auch für diese Partei steht. Wenn ein Spitzenpolitiker solche Tabubrüche begeht, wie Thilo Sarrazin mit seinen Äußerungen oder eine solche Gesinnung hat, dann hat das eine Signalwirkung für all jene, die sich dadurch ermutigt fühlen, jetzt „loszulegen“, verbal oder - im schlimmsten Fall - auch gewalttätig.

Führungspersonen in den Parteien tragen Verantwortung. Ich denke, dazu gehört auch, die Grundwerte einer Partei zu achten, besser noch sie zu leben. Zitate von Thilo Sarrazin gibt es in Hülle und Fülle. Mit erheblichen Grenzüberschreitungen. Dass es bei Thilo Sarrazin immer noch eine Steigerung geben könnte, habe ich nicht für möglich gehalten. Und irgendwann kommt dann der Zeitpunkt, da will auch ich - trotz hoher Toleranzschwelle - diese Grenzüberschreitung nicht mehr akzeptieren. Und das war jetzt mit dem Buch der Fall.

Und noch eins möchte ich bei der Diskussion hier zu bedenken geben: Als aktiver Politiker hatte Thilo Sarrazin in seiner Funktion als Berliner Finanzsenator jahrelang die Möglichkeit, Weichen auch im Bereich der Integrationspolitik zu stellen. Er macht es sich viel zu einfach, wenn er jetzt die Integrationspolitik in seinem Buch für gescheitert erklärt. All diejenigen, die jetzt sagen, Thilo Sarrazin habe Recht, möchte ich bitten, zu hinterfragen, was Thilo Sarrazin als aktiver Politiker dagegen unternommen hat. Ich kann mich an keinen konstruktiven Vorschlag des Senators Sarrazin erinnern, mit dem er das wichtige Thema Integration bereichert, geschweige denn Veränderungen unterstützt hätte.

Nach all dem sage ich ganz klar: Ich bin für einen Parteiausschluss von Thilo Sarrazin aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Aber Parteiausschluss oder nicht, das entscheide eben nicht ich, nicht der Kreis- oder Landesverband der SPD und auch nicht der Bundesverband, sondern eben ein unabhängiges Schiedsgericht. Und wenn dessen Mitglieder entscheiden, seine Thesen und Äußerungen sind vereinbar mit dem Statut der Partei, dann ist Thilo Sarrazin weiterhin Mitglied in der SPD. Das ist dann so, wird aber sicherlich ebenso Parteiaustritte mit sich bringen wie der Parteiausschluss. Trotzdem bin ich froh, dass wir uns nicht einfach wegducken, sondern Position beziehen. Das gehört zur Demokratie und zu einer Traditionspartei wie der SPD dazu.

Mit freundlichen Grüßen
Petra Merkel, MdB