Frage an Petra Pau bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Petra Pau
DIE LINKE
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Frage von Guenther H. •

Frage an Petra Pau von Guenther H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Pau!

In vielen Talkshows und anderen Fernsehberichten wird immer wieder von den Moderatoren und anderen Fragestellern aus dem Bereich der CDU moniert, dass „ die Linke“ sich aus den „alten Kommunisten der DDR“ rekrutiert.
Abgesehen davon, dass diese Betrachtung falsch ist, wuerde ich Sozialdemokraten und Gewerkschaftler der alten Bundesrepublik, die sich Ihrer Partei angeschlossen haben nicht mit solchen Worten titulieren.
Sie sollten sich jedoch massiv bei den Fragestellern dagegen wehren, z.B. mit folgenden Argumenten:

Die CDU wird immer als honorige Partei der Bundesrepublik angesehen, obwohl hier
folgende Personen taetig waren:

Der Herr Globke war Staatssekretaer der CDU und hoher Nazi (Kommentator der Nuernberger Rassengesetze)

Der Herr Filbinger war als Nazi ein CDU Ministerpraesident (Marinerichter in der Hitlerjustiz)

Herr Kiesinger war CDU Kanzler und hoher Nazi.

In dieser Republik haben die alten Nazis mit Hilfe der CDU sowohl das Bundeskriminalamt als auch den Bundesnachrichtendienst aufgebaut. (Organisation Gehlen, fremde Heere Ost)

Die Juristen des „ Volksgerichtshof “ unter Hitler koennen weitestgehend der CDU zugeordtnet werden, zumal fast alle dieser „ Juristen“ niemals vor ein bundesrepublikanisches Gericht gestellt worden sind.

(Die Liste der Richter am Volksgerichtshof und deren Werdegang finden Sie bei „Wikipedia".)

Mir ist keine „Talkshow“ bekannt, in der die CDU jemals ernsthaft wegen der genannten Parteimitglieder als „nicht staatsfaehig “ definiert wurde.

In den anderen „staatstragenden Parteien“ findet man aehnliche Gruppierungen.

Ich habe hier die CDU wegen der „rote Socken Kampagne“ besonders betrachtet
und weil ich so etwas besonders verwerflich finde, wenn man selber Dreck am Stecken hat
Meine Frage an Sie lautet:
Wen habe ich bei dieser Aufzaehlung als wichtige Person noch vergessen?

Mit freundlichen Gruessen

Guenther Heyn

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DIE LINKE

Sehr geehrter Guenther Heyn,

Sie haben mir eine Frage gestellt, die ich so nicht beantworten kann. Namhafte Institutionen der Bundesrepublik Deutschland haben gerade erst begonnen, ihre Geschichte und ihre NS-Wurzeln erforschen zu lassen, zum Beispiel das Außenministerium und das Bundeskriminalamt. Andere weigern sich, ihre historischen Verstrickungen beim Holocaust publik werden zu lassen, etwa die Bahn AG. Und bei der Bundeswehr werden noch immer Wehrmachts-Größen geehrt. Ich könnte die Liste fortsetzen, aber komplettieren kann ich sie nicht.

Ein weiteres: Ich kenne keine Partei – ich war dabei und weiß daher wovon ich spreche – die sich so kritisch, quälend, schmerzhaft und gründlich mit ihrer Geschichte auseinandergesetzt hat, wie die PDS. Die CDU und die FDP hingegen haben sich „ihre“ DDR-Parteien nebst Vermögen geräuschlos einverleibt: die Christlich Demokratische Union (CDU), die Demokratische Bauernpartei (DBD), die National Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) und die Liberal Demokratische Partei Deutschlands (LDPD).

Insofern haben Sie mit Ihrer Frage völlig Recht: Wenn es um die Geschichte geht, dann wird mit zweierlei Maß gemessen: unredlich, anmaßend, manipulierend. Leider nicht nur von Partei-Politikern, sondern massiv auch in den Medien, selbst in den öffentlich-rechtlichen, die eigentlich einen anderen Auftrag haben und sich gern als überparteilich und aufklärend rühmen.

Aktuell geht es allerdings noch um etwas anderes. DIE LINKE wird zunehmend als soziale Alternative gewählt und daher genauso zunehmend als politische Konkurrenz bekämpft. Das ist okay. Aber der Streit geht nicht um die besseren politischen Konzepte für die Gegenwart und Zukunft, sondern um die Meinungsführerschaft über die Deutung der Geschichte. Das alles auch noch entstellend und diffamierend, was wiederum durch- und kurzsichtig ist.

Die neue „Rote-Socken-Kampagne“ gegen DIE LINKE kommt zwar kraftvoll daher. Aber sie ist letztlich feige und verlogen. Denn sie versucht von den drängenden Fragen abzulenken. Zum Beispiel: Warum fallen die Netto-Löhne, obwohl die Profite steigen? Oder: Warum gibt die Bundesrepublik Deutschland mehr Euro für Rüstung und Krieg aus, als für Entwicklungshilfe? Oder: Wieso werden Ossis noch immer vielfach schlechter gestellt, als Wessis. Oder: Warum wird bei Arbeitlosen nach jedem Cent gefahndet, während Konzern-Manager oder Sport-Promis Steuer-Millionen veruntreuen können? Und so weiter…

Mit solidarischen Grüßen

Petra Pau

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