Frage an Petra Pau bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Petra Pau
DIE LINKE
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Frage von Lina S. •

Frage an Petra Pau von Lina S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Pau,
eigentlich wollte ich zum Thema Verteidigung fragen aber dies ist auf dieser Platform nicht vorgesehen. Da Sie im Bereich Bürgerrechte und Demokratie arbeiten, habe ich einfach diesen gewählt.

Heute las ich folgende Meldungen:
Linke Bundestagsvize Petra Pau verärgert Verteidigungsminister
Berlin. Mit Unverständnis hat das Verteidigungsministerium auf eine Behauptung von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) reagiert, wonach es bei Versorgungsleistungen weiterhin gravierende Unterschiede zwischen Soldaten aus Ost und West gebe. Pau hatte gesagt: „Noch immer ist ein in Afghanistan zerschossenes Soldatenbein Ost weniger wert, als ein dort zerfetztes Soldatenbein West.“ Das Ministerium verwies auf das gerade beschlossene Weiterverwendungsgesetz, wonach verwundete Soldaten eine Garantie zur Weiterbeschäftigung beim Bund haben. Darin werde nicht zwischen Ost und West unterschieden. Der Sold sei in diesem Frühjahr auf ein Niveau gebracht worden. Schon davor habe es im Zusammenhang mit Verletzungen keine unterschiedlichen Versorgungsleistungen gegeben. Afghanistan sei schon vor der Angleichung kein Beitrittsgebiet gewesen. Ein Ministeriums-Sprecher: „Die Darstellung von Frau Pau ist unzutreffend.“

Kopfnoten
Kriegspfade und Kreuzzüge: Petra Pau
Diese Aussage von Petra Pau (Die Linke) sollten sich alle durch den Kopf gehen lassen, die die Linke zur Partei der sozialen Gerechtigkeit und des Miteinanders stilisieren: "Noch immer müssen Ossis für weniger Geld länger arbeiten als Wessis. Noch immer ist ein in Afghanistan zerschossenes Soldatenbein Ost weniger wert als ein dort zerfetztes Soldatenbein West." Es ist ein Ärgernis, dass Leute, die so zynisch, unmenschlich und ekelhaft daherreden, sich auch noch als Gutmenschen gerieren.

Was ist nun richtig?
Ich bitte um eine ernsthafte und wahrhaftige Antwort. Bisher schätzte ich Sie- übrigens auch auf YouTube- als ernsthafte und wahrhaftige Politikerin.
Lina Schmidt

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Lina Schmidt,

Sie haben richtig zitiert, was Sie bei der Zeitung „Die Welt“ im Web gefunden haben. Auch eine weitere Zeitung reagierte im selben Duktus auf meine Presseerklärung. Die lautete übrigens im Wortlaut:

Der Unsinn des Hans-Werner Sinn im wahren Leben

Der so genannte Wirtschaftsforscher Hans-Werner Sinn aus München plädiert gegen eine Angleichung der Ost-Löhne an West-Niveau. Dazu erklärt Petra Pau, Mitglied im Vorstand der Fraktion DIE LINKE:

Mit 18 Jahren wird man volljährig. Die deutsche Einheit wird es nicht. Sie wird es so lange nicht, wie Leute a lá Sinn den Osten arrogant klein halten.
Noch immer müssen Ossis für weniger Geld länger arbeiten als Wessis. Noch immer ist ein in Afghanistan zerschossenes Soldatenbein-Ost weniger wert, als ein dort zerfetztes Soldatenbein-West.
Und wer am „Tag der deutschen Einheit“ in Frankfurt/Oder als Bundesbürger geboren wurde, wird noch 2057 seinem Rentenbescheid entnehmen können, dass er dummerweise nicht in Frankfurt am Main zur Welt kam.
So sieht der Unsinn des Hans-Werner Sinn im wahren Leben aus.
Deshalb: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist kein flotter Spruch aus dem Poesie-Album, wie Hans-Werner Sinn glauben lässt, sondern ein Gebot aus dem Grundgesetz.

„Die Welt“ hat sich also einen Aspekt aus meiner Erklärung auf die „Ost“-Empfehlung von Hans-Werner Sinn herausgesucht, um mich mit den Adjektiven „zynisch, unmenschlich und ekelhaft“ zu diffamieren. Damit disqualifiziert sich der zuständige „Welt“-Redakteur aber nur selbst.

Prüfen Sie selbst:
1. Die Gesamtproblematik, dass Bürgerinnen und Bürger aus den so genannten neuen Bundesländern noch immer vielfach zweit- oder drittklassig behandelt werden, wird im zitierten Kommentar schlicht ausgeblendet.
2. „DIE WELT“ verweist auf eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Verteidigung. Demnach gäbe es eine Gleichbehandlung aller Soldaten. Das ergäbe sich aus dem „gerade beschlossene Weiterverwendungsgesetz“. Wohl bemerkt: gerade beschlossen, im Jahr 18 der deutschen Einheit.
3. Es geht aber nicht nur um die „Weiterverwendung“ verletzter Soldaten und auch nicht nur um den Sold aktiver Soldaten. Es geht auch darum, wie Ost- bzw. West-Soldaten der Bundeswehr für den Fall der Fälle versichert werden.

Fragen Sie den Vorsitzenden des Deutschen Bundeswehrverbandes, Herrn Oberst Gertz. Er hat auf einer Anhörung im Bundestag erst jüngst dargelegt, dass und wie Bundeswehrangehörige-Ost benachteiligt werden.

Aber nochmals: Die Bundeswehr ist nur ein bewusst zugespitztes, aber reales Beispiel. Das Gesamtproblem ist vielfältiger. Und es wird von Ossis natürlich viel direkter wahrgenommen, als von Wessis.

Mit ernsthaften und wahrhaftigen Grüßen

Petra Pau
z. Zt. im Allgäu, 11. 08. 2008

PS: Wieso meinen Sie, dass Sie bei Abgeordnetenwatch nichts zum Thema „Verteidigung“ fragen dürfen?

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