Frage an Petra Pau bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Petra Pau
DIE LINKE
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Frage von Stephan B. •

Frage an Petra Pau von Stephan B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Frau Pau,

wenn man sich im Internet in Kleinbloggersdorf und auch auf Abgeordnetewatch.de so umschaut, so wird ersichtlich, dass Lutz Heilmann durch sein (durchaus rechtsstaatlich korrektes, aber dennoch nicht sehr schlaues) Vorgehen gegenüber Wikimedia Deutschland e.V. Ihrer Partei erheblichen Schaden zugefügt hat. Seine teilweise verschwiegene MfS-Vergangenheit und das damalige Davonkommen mit blauem Auge, d.h. der Weiterverbleib in der Partei inklusive Bundestagmandat (über einen Listenplatz), setzen dem noch eins drauf. Dass dies in der Wikipedia steht, hinterließ bei vielen Nutzern ebenfalls den Eindruck, dass es genau darum in der Auseinandersetzung mit Wikimedia Deutschland e.V. gegangen wäre.
Nebenbei bemerkt: Im Jahr 2007 hat auch Atze Schröder gegen Wikimedia Deutschland e.V. eine einstweilige Verfügung erwirkt, da er sein Persönlichkeitsrecht durch dortige Nennung seines bürgerlichen Namens verletzt sah. Dies schlug zwar Wellen, aber bei weitem nicht so hoch, und das obwohl wikipedia.de viel länger nicht auf de.wikipedia.org umleiten durfte. Ein Schlagwort wie "MfS" trifft das öffentliche Auge eben etwas schmerzlicher -- und "Die Linke" als "Reizfigur" in der deutschen Politik sowieso.

Wie stehen Sie dazu?
Denken Sie, dass ein erneutes Ausschlussverfahren angestrengt werden sollte? Dass ein solches notwendig oder gar sinnvoll sein kann, beispielsweise um den Schaden zu begrenzen?
Oder sollte er das Mandat niederlegen?
Oder sollte die Angelegenheit einfach versieben und bei der nächsten Bundestagswahl ist Gras drübergewachsen? (Ich gehe davon aus, dass er in diesem Fall nicht sehr weit hoch auf die Liste gesetzt wird, aber das hat medial quasi keinen Effekt.)

Mit freundlichem Gruß,
Beyer

PS: Man möchte Herrn Heilmann glatt bei "Unsere Besten" wählen. ;-)
PPS: Zitat Lafontaine: "Politische Würstchen treten nie zurück." Auch wenn dies hier mehr ein Medientheater statt eine Politiktragödie ist, so hat er nicht ganz Unrecht.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Stefan Beyer,

meine Meinung zum Agieren von Lutz Heilmann gegenüber Wikipedia habe ich bereits im "Interview der Woche" auf der Web-Seite der Fraktion DIE LINKE dargelegt. Ich finde es falsch und kurzsichtig. Der Schaden für die Partei DIE LINKE ist groß. Wie groß er ist, das kann ich noch nicht ermessen.

Der Auslöser für seine Reaktion war, nach allem was ich weiß, übrigens nicht, dass bei Wikipedia seine Dienstzeit beim MfS der DDR ausgewiesen wurde. Es ging wohl um aktuelle Vorwürfe gegen ihn, die ich nicht bewerten kann und will. Ich weiß nicht einmal, ob sie stimmen.

Grundsätzlich gilt: Gegen falsche Vorwürfe, noch dazu wenn man sie persönlich als Ehr abschneidend empfindet, kann und muss man sich wehren. Auch, wenn sie im Internet erhoben und verbreitet werden. Aber dann muss man gegen diejenigen intervenieren, die sie erheben, und nicht gegen die Internet-Gemeinde.

Nun zum Thema "MfS" und Mandat: DIE LINKE, vormals die PDS, hat die pauschale Ausgrenzung aller, die zu DDR-Zeiten im oder mit dem MfS gearbeitet hatten, nie mitgemacht. Für uns galten andere und vor allem bewertbare Maßstäbe. Sie sind in Beschlüssen der Bundespartei nachlesbar.

Demnach müssen alle, die sich für eine Funktion oder für ein Mandat der Partei bewerben, offen legen, ob sie mit dem MfS zu tun hatten und wenn ja, was. Und sie müssen darlegen, wie sie das heute bewerten. Mit dieser Kenntnis können die Delegierten der jeweiligen Nominierungs-Konferenzen sich dann entscheiden.

Stellt sich im Nachhinein heraus, dass ein Kandidat oder eine Kandidatin seine Vorgeschichte verschwiegen hatte, dann war das ein Vertrauensbruch. Wieder ist die entsprechende Delegierten-Versammlung gefragt. In mehreren Fällen führte das dazu, dass der Umstrittene sein Mandat oder seine Funktion verlor. Diesem Prozedere musste sich auch Lutz Heilmann auf einem Landes-Parteitag der Linken in Schleswig-Holstein unterziehen, also beschlussgemäß.

Lutz Heilmann war meines Wissens beim MfS als Personenschützer tätig. In der Bundesrepublik sind Personenschützer beim LKA oder beim BKA angestellt. Übrigens: Etliche CDU-Ministerpräsidenten (Ost), die aus dem Westen kamen, ließen sich nach 1990 von ehemaligen MfS-Mitarbeitern schützen.

Damit wäre ich bei Ihrem vorletzten Frageblock. Ich sehe keinen aktuellen Grund dafür, Lutz Heilmann aus der Partei auszuschließen oder sein Mandat in Frage zu stellen. Fehler sind menschlich. Und die Hürden für Parteiausschlüsse liegen bei der Linkspartei aus guten Gründen sehr hoch.

Ihrem PS entnehme ich, dass Sie gelegentlich auf meiner Webseite vorbei schauen. Dort kann man in der Tat Monat für Monat "Unsere Besten" küren. Im November stehen Friedrich Merz, Anette Schavan und Peter Sodann zur Auswahl. Lassen Sie sich überraschen, wer im Dezember "kandidiert".

Mit freundlichen Grüßen
Petra Pau

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