Frage an Ralph Lenkert bezüglich Finanzen

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Ralph Lenkert
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Frage von Hendrik W. •

Frage an Ralph Lenkert von Hendrik W. bezüglich Finanzen

Werter Herr Lenkert,
mit Freude stelle ich fest das sie gegen das Eurorettungspaket und gegen die Griechenlandrettung gestimmt haben und fühle mich durch Sie als Repräsentant Thüringen´s in dieser Sache wie selten richtig im Bundestag vertreten. Meine Fragen: Haben sie dagegen gestimmt weil Sie sich wirklich mit Finanzen und dem Geldsystem auskennen oder aus parteipolitischen/grabenkampftaktische Gründen? Kennen sie den Zinseszinseffekt, sind sie sich des geometrischen Anstiegs über die Zeit (teils Jahrzehnte) bewusst und können sie daraus in etwa schlussfolgern was das für unser Geldsystem bedeutet bzw. für das Geld der Sparer und hart arbeitenden Menschen wenn diese Geldsystem in mathematische Bereiche vordringt die die eher surreal anmuten?

Viele Grüsse,
Hendrik W.

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Wünsche,

leider ist die Welt nicht schwarz-weiß und ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Mein Abstimmungsverhalten war nicht von parteipolitischen Spielchen, sondern von Sorgen um die Zukunft geprägt.

Lassen Sie mich Ihnen ein paar Zusammenhänge schildern, vielleicht können Sie dann verstehen in welches Dilemma uns die derzeitige und die vorherigen Bundesregierungen und die Regierungen anderer Länder gesteuert haben.

Steuern, Abgaben und Belastungen für die einfachen Bürger steigen, in der Bundesrepublik, in Griechenland und anderen Ländern, die von Finanzkrisen erschüttert wurden.

Für Einkommensmillionäre, für Aktiengesellschaften und für die Besitzer großer Vermögen sind die Steuern in den letzten Jahren weltweit massiv gesenkt worden. in der Bundesrepublik zum Beispiel

............................................................................1995 .............................................. heute
==============================================================
Spitzensteuersatz .............................................53%..................................................43%
Körperschaftssteuer ....................................... 45% .................................................15%
Steuerlast auf Zinsen .............. Steuersatz des Steuerpflichtigen ..................... 25%
Steuerfreiheit auf Veräußerungsgewinne .. nein .................................................. ja

Diese Entlastungen halfen nur den genannten Gruppen. Diese Erleichterungen wurden begründet mit der Furcht vor der "Flucht" der Multimillionäre ins Ausland. Mit der selben Begründung schmälerten die Regierungen europaweit Ihre Einnahmen und setzten damit eine Steuerwettbewerb nach unten in Gang. In der Folge verloren die Staaten Milliarden an Einnahmen.
Schlimm ist, dass die eingesparten Steuern von den Millionären in die Finanzspekulation gesteckt wurden - eine Ursache der Krise.

Gleichzeitig veränderten Regierungen weltweit die Gesetze, so dass Finanzspekulationen immer einfacher und immer riskanter werden konnten. Letztlich haben also alle europäischen Regierungen Ihren Anteil an den langfristigen Ursachen der Probleme. Da die Bundesrepublik Vorreiter in Sachen Steuerdumping und Deregulierung war,trägt die Bundesrepublik eine schwere Hypothek und Mitschuld an der Situation in Südeuropa.

Ein weiterer Aspekt ist in der "Bewältigung" der ersten Krise zu finden. Auch die griechische Regierung hat mit Milliardenprogrammen das dortige Bankensystem retten müssen.

Jetzt versuchen die mit Steuergeldern geretteten Banken Geld zu verdienen, indem sie gegen Länder und den Euro wetten, und das mit Steuermitteln - echt skandalös.

Für "die normalen Bürger" gab und gibt es dann die Mehrbelastungen. (Mehrwertsteuererhöhungen, Senkung oder Streichung von Freibeträgen, Rentenkürzungen, Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst) Hier haben sich die Regierungen mehr oder weniger offen festgelegt.

Ein "Rettungspaket" für Griechenland und eines für den Euro darf nicht dazu führen, dass damit die Verluste der Spekulation den "normalen" Bürgern der EU aufgebürdet werden, sondern es muss die Verursacher der Krise und die Gewinner der Krise und die "Spekulanten" zur Kasse bitten, und es muss die Einnahmen der öffentlichen Hand verbessern.

Dazu gehört:
1. strenge Finanzmarktregeln z.B. das Verbot von Leerverkäufen, Verhindern, oder zumindest Erschweren von Währungsspekulationen
2. höhere Körperschaftssteuern, andere Gewinnbesteuerung
3. Finanztransaktionssteuer, Börsenumsatzsteuer und Vermögenssteuer

Das Beispiel Griechenland wird als Paradebeispiel genutzt werden, um den Sozialabbau in Europa und in der Bundesrepublik zu beschleunigen. Rentenkürzungen, Gehaltseinschränkungen, Steuer- und Abgabenerhöhungen werden so salonfähig gemacht. Im Moment werden den Griechen, Spaniern, Portugiesen und Italienern "harte Einschnitte" aufgezwungen, aber die Bundesrepublik verletzt selbst die Regeln des Euro, was würde wohl passieren, wenn Banken und Hedgefonds gegen Deutschland wetten? Ob dann das Euro-Rettungspaket - übrigens geschnürt ohne dass der Bundestag die Vertragsbedingungen, das Kleingedruckte, kennt - ausreicht? Wie können wir uns gegen Sozialabbau wehren, wenn wir diesen jetzt den Anderen aufdrücken?

Es besteht für mich kein Zweifel, dass der Bundestag in dieser Situation handeln musste.
Ich habe aber gegen die Hilfen und das Rettungspaket gestimmt, weil ich die Wirksamkeit der Pakete bezweifle. Ich lehnte die Regierungsvorlagen ab, weil nicht eine Maßnahme gegen eine Wiederholung der Krise enthalten war.
Ich empfinde es als Skandal, dass die Auslöser und Profiteure der Krise, jetzt nochmals an den durch sie verursachten Problemen verdienen, das kann und will ich nicht unterstützen.

Bitte verstehen Sie, dass ich Ihre Fragen so und nicht direkt
beantwortet habe.

Mit freundlichen Grüßen

Ralph Lenkert

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