Frage an Reiner Aulenbacher bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Reiner Aulenbacher
MLPD
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Frage von Hubert B. •

Frage an Reiner Aulenbacher von Hubert B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Hallo Herr Aulenbacher,

Was sagt den ein "Bergarbeiter im Vorruhestand" zur Zukunft der Kohleförderung in Deutschland?

Ist es ökologisch vertretbar weiterhin Braun- wie Steinkohle im großen Stil zu fördern? Brauchen wir angesichts der technologischen Fortschritte bei den erneuerbaren Energien (Sonne, Wind,Wasser etc) überhaupt noch Kohle?n Was sollte mit den Arbeitsplätzen geschehen? Sehen Sie Alternativ-Beschäftigungsmöglichkeiten?

herzliche Grüße
Hubert Bauer

Antwort von
MLPD

Sehr geehrter Herr Huber

Vielen Dank für ihre Anfrage. Damit sprechen Sie ein Thema an, dass sowohl unter den Bergleuten, wie auch in der Umweltbewegung sehr lebhaft diskutiert wird.

Für eine sofortige drastische Reduzierung der Kohle als Energieträger und ihre Nutzung als ein wertvoller Rohstoff für heutige und kommende Generationen

Die Bergarbeiter sind herausgefordert, sich offensiv in die Frage der Verhinderung einer globalen Umweltkatastrophe und den Erhalt der menschlichen Lebensgrundlagen einzumischen. In der Öffentlichkeit wird der Kumpel als egoistisch hingestellt, der sich im Interesse seines Arbeitsplatzes an eine „veraltete Industrie“ ohne Rücksicht auf die Umwelt klammert. Das dient als Begleitmusik der Regierungen und der RAG zur Durchsetzung der Stilllegungsbeschlüsse auf dem Rücken von 34.000 Kumpel und weiteren 100.000 Arbeiterfamilien aus dem Bereich der Bergbauzulieferer. Dabei ist es die RAG im Verbund mit den Energiekonzernen, die hier alle Zechen schließen wollen und zugleich 24 neue Kohlekraftwerke – dem Klimakiller Nummer 1 - planen. Es gibt technische Möglichkeiten für eine alternative Energieerzeugung ohne fossile Brennstoffe und für die Kohle eröffnen sich Perspektiven als Rohstoff der Zukunft.

*Deshalb: Die Lagerstätten müssen zugänglich bleiben, damit sie umweltverträglich und zum Wohle der Menschheit genutzt werden können. Wir brauchen Arbeitsplätze und eine intakte Umwelt!*

1.

Kohlenstoff ist eines der häufigsten chemischen Elemente auf der Erde und Basis allen Lebens. Deren Nutzbarmachung seit dem 18. Jahrhundert war ein Sprung in der Energiegewinnung durch die Menschheit und eine technologische Grundlage für die Industrialisierung. Und zwar in seiner Bedeutung als Energieträger (Kokereien, Maschinen, Verkehr, Elektrizitätserzeugung) und als Rohstoff für die Chemie (Farben, Kunststoffe und Pharmazie). Der Bedarf an Kohle wuchs bis zum 1. Weltkrieg sprunghaft und unterliegt seitdem bis heute einer ständigen Steigerung.

2.

In den 1950er Jahren wurde Kohle durch das billige Erdöl, das aus den Ölforderländern geraubt wurde, als Chemiegrundstoff und Energieträger für den Verkehr (Auto, Flugzeuge, Eisenbahnen) weitgehend ersetzt. In der gesamten westlichen kapitalistischen Welt wurde auch die Kohlechemie zuerst im Westen, dann auch in den ehemaligen Ländern des Ostblocks, liquidiert (mit wenigen Ausnahmen: Südafrika). Das wurde durch staatliche Maßnahmen gefördert und abgesichert (Steuerpolitik, Kohlepfennig usw.) Diese Entwicklung wurde auf dem Rücken der Kumpel mit dem drastischen Abbau der Arbeitsplätze an den Zechen von über 600.000 auf heute ca. 35.000 ausgetragen. Mit den 1970/80er Jahren entwickelte sich eine weltweite Umweltkrise mit der Tendenz zum Umschlag in eine globale Umweltkatastrophe. Die Verbrennung der fossilen Energieträger Kohle, Erdöl, -gas mit einem 77 %-Anteil ist die Hauptursache der Verstärkung des T reibhauseffekts, der die Haupttriebkraft für den bereits begonnen Umschlag in eine Umweltkatastrophe ist Mit der Liberalisierung der Energiemärkte in den 1990er Jahren wurde ein weltweiter Vernichtungskampf auf dem Energiesektor eingeleitet bei dem die europäischen führenden Energiekonzerne auf den Ausbau ihrer traditionellen Techniken Kohle, Öl und Atomenergie setzen. Ende der 1990er Jahre wurde diese energiepolitische Leitlinie unter der Federführung von RAG-Chef Müller in dieser Richtung beschlossen und in der Praxis durchgedrückt.

3.

Mit der wissenschaftlich-technischen Revolution sind Verfahren herangereift, die eine effektive Nutzung der Sonnenenergie ohne Umweg über fossile Verbrennung möglich machen, sowie Wind, Wasserkraft (Gezeiten), Photovoltaik, Geothermie, Brennstoffzelle usw. Es war eine bewusste Entscheidung der über Leichen gehenden internationalen Konzerne und ihrer Regierungen, die beschleunigte Umstellung der gesamten Energieherstellung auf der Basis alternativer Energien und -versorgung (z.B. in kleineren flächendeckenden Strukturen) auszubremsen und auf weiteren Ausbau der Verbrennung fossiler Energien zu setzen.

* Die Verbrennung von Kohle muss drastisch reduziert werden! *

4.

Kohlenstoff ist Grundlage für alle Kunststoffe, Farben usw. Das Kohlenstoffatom besitzt die Fähigkeit zur Bildung von komplexen Molekülen und weist von allen chemischen Elementen die größte Vielfalt an chemischen Verbindungen auf, um synthetisch neue Stoffe mit gewünschten Eigenschaften (Kohlekeramik, elastische Karbonfasern, usw.) zu erzeugen. Der Erhalt des Steinkohlebergbaus als Basis einer zukünftigen Grundstoffindustrie ist im Interesse künftiger Generationen. Es gibt bereits faszinierende Zukunftstechnologien, wo es - wie im natürlichen Stoffkreislauf der Natur - keinen Abfall gibt, sondern eine umfassende Kreislaufwirtschaft möglich wäre mit der Schaffung von Millionen neuer Arbeitsplätze!

5.

Ein konzernweiter Kampf gegen das Stilllegungsszenario von Zechen und gegen die Umweltzerstörung der RAG ist das Gebot der Stunde! Das Erdbeben im Landkreis Saarlouis mit enormen Bergschäden soll herhalten, für die vorgezogenen Zechenstilllegungen. Schuld für die starke Zerstörung von Häusern und Gefährdung von Leib und Leben der Bevölkerung ist der Bruchbau und die übrigen umweltzerstörenden Abbaumethoden der RAG/DSK. Gemeinsamer Kampf von Bergleuten und Bevölkerung für den Erhalt der Arbeitsplätze und Abbaumethoden nach modernstem technischem Stand (Blasversatz, Hohlraumverfüllung) auf Kosten der Profite von RAG. Keine Zechenschließung, bevor gleichwertige Ersatzarbeitsplätze geschaffen sind! Kein Abbau unter Wohngebieten! Die notwendige Wende in der Energiepolitik, für Arbeitsplätze und eine lebenswerte Zukunft kann nur durch den politischen Kampf durchgesetzt werden. Die Bergarbeiter gehören dabei in die vorderste Reihe. Um die entsprechende Durchschlagkraft zu entwickeln müssen die Bergarbeiter sich international austauschen und ihre Kämpfe koordinieren. 6 Millionen Bergarbeiter weltweit sind eine Macht.

6.

Eine planmäßige Förderung und Verarbeitung von Kohle nach den Bedürfnissen der gesamten Gesellschaft erfordert eine Gesellschaft, in der nicht der Maximalprofit die Wirtschaft diktiert, sondern wo die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft ist.

Weiter möchte ich Sie auf 2 sehr interessante Internetseiten verweisen:

www.total-recycling.org und www.minersnet.org

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meinen Standpunkt zu Ihrer Zufriedenheit erläutern und stehe auch für weitere Fragen zur Verfügung.

Mit freundlichem Glückauf

Reiner Aulenbacher