Frage an Reiner Deutschmann von Hans H. bezüglich Kultur
Guten Tag
Die Angestellte eines gemeinnützigen und mildtätigen Vereins, in dessen Vorstand ich arbeite, wurde mit einer kostenpflichtigen Einstweiligen Verfügung konfrontiert, die ihr bei Androhung von 250 000 Euro oder ersatzweise 6 Monaten Haft verbietet, den Begriff Traumfabrik als Bezeichnung in der integrativen Jugendarbeit zu verwenden. Sie hatte das Dudenwort zuvor definitionsgemäß verwendet und -entgegen unserem Rechtsverständnis- innerhalb von 24-Stunden-Fristen durch das Wort Traumwerkstatt ersetzt, um Kosten für den Verein auf jeden Fall zu vermeiden.
Mehrere Rechtsanwälte, die wir konsultierten, behaupteten, dass in Deutschland im Medienbereich keine Rechtssicherheit herrsche und dass wir aus Kostengründen juristisch resignieren müssen. Die Zustimmung zur Einstweiligen Verfügung wird dazu benutzt werden, Einstweilige Verfügungen gegen andere gemeinnützige Vereine, Freischaffende oder Kleinunternehmen durchzusetzen, Rechtsanwaltshonorare (1 Tag Arbeit vom 5.10 zum 6.10.: 1388,75 Euro) mit Hilfe von Gerichten durchzusetzen. Dem Gericht war laut Antragsschreiben ein Konvolut von Einstweiligen Verfügungen vorgelegt worden.
Rechtsschutzversicherungen wie Advocard, aber auch Berufsverbände schließen infolge der herrschenden Rechtsunsicherheit Rechtsschutz für Rechtsprobleme dieser Art grundsätzlich aus. Der Bürger kann sich vor Aktionen von Rechtsanwälten, die die Rechtsunsicherheit und Überlastung von Gerichten ausnutzen, zur Zeit nicht schützen.
Wie wollen Sie helfen, Rechtssicherheit im Medienbereich zu realisieren?
Sehr geehrter Herr Hartung,
bei Durchsicht der Abgeordnetenwatch-Seite haben wir festgestellt, dass Ihre Frage vom Beginn der Legislaturperiode noch nicht beantwortet wurde. Der von Ihnen geschilderte Sachverhalt ist sehr komplex. Da ich die näheren Umstände nicht kenne und hier auch keine Rechtsberatung leisten darf und kann, ist es mir nicht möglich, mich konkret zu Ihren aufgeworfenen Fragen zu äußern.
Wahrscheinlich kollidierte der verwendete Begriff mit einer eingetragenen Marke oder einem Unternehmenskennzeichen, auf die der Gegner seinen Unterlassungsanspruch stützte. Vielleicht wurde auch auf eine Abmahnung falsch reagiert.
Die Behauptung jedenfalls, in Deutschland herrsche "im Medienbereich keine Rechtssicherheit", kann ich in dieser Pauschalität nicht nachvollziehen. Sicherlich ist jedoch in den Bereichen des Gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts die Lage oft unübersichtlich. Was genau für einen Unternehmer erlaubt ist hinsichtlich der Nutzung von Begriffen oder Text- und Tonfolgen, lässt sich nicht aus dem Gesetz herauslesen. Es hängt vielmehr davon ab, welcher Schutz bereits von anderen Akteuren am Markt in gesetzmäßiger Weise beansprucht wird. Daher wird ein gewissenhafter Anwalt vor der beabsichtigten Nutzung von Bezeichnungen und Begriffen im geschäftlichen Verkehr stets zu einer eingehenden Recherche raten und vor einer öffentlichen Benutzung auf gut Glück warnen.
Endgültige Sicherheit im Streitfall kann in der Tat oft nur ein Gericht schaffen, da über Rechte an geschützten Bezeichnungen meist viel gestritten wird. Die Abmahnung soll in solchen Fällen im Vorfeld helfen, einen gerichtlichen Streit und einstweilige Verfügungen vermeiden. Ergeht die einstweilige Verfügung ohne vorherige Abmahnung, hat der sie erwirkende regelmäßig die Kosten zu tragen.
Die verbleibenden Unsicherheiten im Umgang mit geschützten Begriffen lassen sich gesetzgeberisch nicht einfach aus der Welt schaffen. Bei Marken helfen entsprechende Datenbanken. Bei Unternehmenskennzeichen und im Urheberrecht helfen jedoch nur umfängliche Recherchen und gute Beratung vor einer beabsichtigten Nutzung.
Ich hoffe Ihnen mit diesen Ausführungen weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Reiner Deutschmann MdB