Frage an Roland Claus bezüglich Wirtschaft

Portrait von Roland Claus
Roland Claus
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Roland Claus zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Jürgen S. •

Frage an Roland Claus von Jürgen S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Claus

Sie sind als Mitglied im Finanzausschuss sicher mit den Ursachen und Auswirkungen der jetzigen Wirtschaftskrise vertraut.
Deshalb habe ich gerade an Sie 2 einfache Fragen:
Können Sie Personen (vornehmlich in Deutschland) benennen, die durch ihr Handeln mit dafür verantwortlich sind, dass diese Krise entstehen konnte?
Wenn es solche Personen gibt - und die muss es geben - warum wird immer so getan, als sei diese Krise von außen auf uns hereingebrochen?

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Schwarz

Portrait von Roland Claus
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schwarz,

Sie fragen mich, ob ich Personen benennen kann, die durch ihr Handeln mit dafür verantwortlich sind, dass diese Krise entstehen konnte, und Sie fragen mich zugleich, warum immer so getan wird, als sei diese Krise von außen auf uns hereingebrochen.

Ja, ich kann Personen benennen. Es sind viele. Es sind zum Beispiel all jene Mitglieder der Regierungsfraktionen im Bundestag seit 1990, die die Gesetze zur Deregulierung der Märkte und zur Steuerentlastung der Konzerne beschlossen haben. Welche Gesetze meine ich? Zum Beispiel diejenigen, mit denen der Spitzensteuersatz immer weiter gesenkt und die Körperschaftsteuer fast zur Bedeutungslosigkeit abgeschmolzen wurde; oder diejenigen, mit denen die Hedge-Fonds und der Handel mit sogenannten Finanzderivaten zugelassen wurden.

Man kann das alles in den Protokollen des Bundestages nachlesen: Die Mitglieder der PDS-Fraktion und später der Fraktion DIE LINKE haben gegen diese Gesetze stets ihre Stimme erhoben. Für ihr „Nein“ zu diesen Gesetzen gab es stets zwei Gründe. Erstens: Diese Gesetze sorgen samt und sonders für eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben. Sie machen die Armen ärmer und die Reichen zahlreicher. Und zweitens: Sie sorgen dafür, dass immer mehr Geld aus der Realwirtschaft abgezogen wird und in jene Bereiche der Börsenspekulation „entflieht“, wo schließlich jene riesigen Finanzblasen aus rein spekulativen Vermögenswerten entstehen konnten, die jetzt geplatzt sind.

Verantwortlich sind die genannten Politikerinnen und Politiker aber nicht nur, weil sie bestimmte Gesetze beschlossen, sondern auch, weil sie sich anderen Gesetzen verschlossen haben. So gibt es zum Beispiel seit mehr als zehn Jahren die Forderung der Bewegung ATTAC nach Einführung einer speziellen Steuer für Börsengeschäfte, die sogenannte Tobin-Steuer. DIE LINKE unterstützt diese Forderung. Die Regierungsfraktionen haben sich bisher einer solchen Steuer entschieden verweigert. Auch eine Vermögensteuer wollen die Regierungsfraktionen nicht. Beide Steuern würden zweifellos a) dem Gemeinwohl dienen (was das Grundgesetz dem Privateigentum zur Pflicht macht!) und b) die „Flucht“ des Geldes in die Finanzblasen bremsen.

Und verantwortlich sind die genannten Politikerinnen und Politiker schließlich dadurch, dass sie Gesetze beschlossen haben, mit denen die Kaufkraft in Deutschland geschwächt und damit die Binnennachfrage eingeschränkt wird. Ist es nicht interessant, dass die Bundeskanzlerin jetzt, da sie die Rentenerhöhung beschlossen hat, sagt, dass das gut für die Binnennachfrage wäre? Sie übernimmt damit ein Argument, dass DIE LINKE schon lange verwendet. Schon lange fordern wir höhere Renten, einen Mindestlohn von 8,50 € und eine Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes auf 450 €, und wir tun das aus sozialen Gründen – es geht um die Ermöglichung eines menschenwürdigen Lebens –, und wir haben auch den wirtschaftlichen Aspekt im Auge, eben: die Binnennachfrage.

Warum wird nun immer so getan, dass die Krise von außen über uns hereingebrochen sei? Nun, die Verantwortlichen wollen offensichtlich an ihre Verantwortung nicht erinnert werden. Und schon gar nicht wollen sie öffentlich zugeben, dass es Politikerinnen und Politiker gegeben hat, von denen sie immer und immer wieder auf die Gefahren ihres Tuns hingewiesen worden sind. Es regiert sich offensichtlich leichter, wenn man „den Markt“ und „die Weltwirtschaft“ für alles verantwortlich machen kann.

Ich sage dazu: Politik ist immer Menschenwerk, und auch die Wirtschaft ist Menschenwerk, und es hängt von Menschen ab, wie die Politik gestaltet wird, wie die Wirtschaft gestaltet wird. Die Politik muss die Kraft haben, die Wirtschaft in Bahnen zu lenken, die dem Menschen dienen, die dem Gemeinwohl dienen.

Die gegenwärtige Krise zeigt ein erneutes Mal: Es ist falsch, zu glauben, der Markt könne sich selbst regulieren. Überlässt man den Markt sich selbst, kommt es notwendig zu Krisen, und diese Krisen gehen nicht zu Lasten „notleidender Banken“, sondern sie gehen zu Lasten der Menschen, und sie gehen vor allem zu Lasten derjenigen, die ohnehin nur wenig haben oder schon in Armut leben müssen.

Ich meine, die Öffentlichkeit muss die Politikerinnen und Politiker drängen, offen und klar zu ihrer Verantwortung zu stehen. Die Bundestagswahlen im September sind eine gute Gelegenheit zur öffentlichen Debatte über Verantwortung für die Wirtschaftsentwicklung, und sie sind eine gute Gelegenheit, darüber abzustimmen, ob es ein „Weiter so“ geben soll oder ob Alternativen zur bisherigen Entwicklung eine Chance bekommen.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Claus