Frage an Sabine Zimmermann bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Sabine Zimmermann
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Frage von Hartmut M. •

Frage an Sabine Zimmermann von Hartmut M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Zimmermann,

ich wundere mich sehr, über die ständige Erwähnung des demografischen Wandels.
Herr Prof. Bosbach hinterfragt die Demografie auch, wie sie anhand dieses Links sehen können:

http://www.taz.de/!131729/

Ich denke, dass die Gesamtbevölkerung der Welt ansteigen wird, und Deutschland wird aus meiner Sicht noch mehr Migration bekommen.
Warum dann diese z.T. panische Debatte?

In diesem Bericht ist davon die Rede, dass 3,2 Mio. Arbeitslose nicht in der Statistik auftauchen:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/beschaeftigung-3-2-millionen-arbeitslose-gelten-nicht-als-arbeitslos-1512738.html

Der Bericht ist aus dem Jahr 2008.
Können Sie mir beantworten, wie hoch die Zahl der nicht in der Statistik erfassten Menschen heute ist?

Warum findet die sogenannte Unterbeschäftigung ( ohne Kurzarbeit) aus meiner Sicht kaum mehr eine mediale Beachtung?

Wie man anhand dieses Links sehen kann, weist die BA diese aus, man muss nur auf die Kreise oder Bundesländer drücken und man sieht diese:

http://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Statistik-nach-Regionen/Politische-Gebietsstruktur-Nav.html

Seit 1992 gingen 1,2 Mio. Jobs im Osten verloren, im Westen kamen 1,1 Mio. hinzu. Die BA hat diese Zahlen bestätigt. Zum besseren Verständnis sende ich Ihnen diesen Link mit:

http://www.t-online.de/wirtschaft/jobs/id_68181682/jobs-in-ostdeutschland-seit-1992-um-1-2-millionen-gesunken.html

Warum spricht man dann von einem Jobboom?

Außerdem prognostiziert eine US-Studie einen sehr großen Jobverlust durch die Automatisierung:

http://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft/automatisierung-roboter-ersetzen-menschen-in-der-haelfte-aller-berufe,10808230,26741978.html

Ich weiß nicht, inwiefern die Prognose aus diesem Bericht stimmt.
Aber warum findet die Automatisierung bei den Politikern -aus meiner Sicht- gar keine Beachtung?

Mit freundlichen Grüßen

Hartmut Mayer

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Mayer,

haben Sie vielen Dank für Ihre Mail. Ich stimme mit Ihren Ansichten überein.

Als die Fraktion DIE LINKE veröffentlichen wir jeden Monat eine Statistik zur tatsächlichen Arbeitslosigkeit. Aktuell (März 2014) sind neben den 3.054.722 offiziell als arbeitslos registrierten 832.055 Personen nicht erfasst, weil sie sich in Maßnahmen, in vorruhestandsähnlichen Regelungen befinden oder arbeitsunfähig sind. Diese Zahlen sind vom Grundprinzip der Statistik zur Unterbeschäftigung der Bundesagentur für Arbeit entnommen. Dazu kommt noch die so genannte stille Reserve, das heißt Personen, die nicht erwerbstätig sind, aber in keinem Kontakt zur Arbeitsverwaltung stehen, da sie keinen Anspruch auf Leistungen haben, aber grundsätzlich gerne arbeiten möchten. Die stille Reserve ist aber nur eine Schätzgröße, die nicht exakt angegeben werden kann. Es ist aber von einer Größenordnung von mehreren hunderttausend auszugehen.

Grundsätzlich vertrete ich die Ansicht, dass die Bundesagentur für Arbeit bei der Veröffentlichung der monatlichen Arbeitsmarktberichte die Zahlen zur Unterbeschäftigung an den Anfang stellen sollte. Dies würde für mehr Transparenz in der Erfassung von Erwerbslosigkeit führen.

Der Bundesagentur für Arbeit wird aber vom Gesetzgeber vorgeschrieben, wer als arbeitslos zu zählen ist. Die dafür maßgebliche Definition ist im Paragraphen 16 des SGB III festgelegt, aber auch in einer Reihe anderer Paragraphen finden sich Ausnahmeregelungen, wer als arbeitslos bzw. eben nicht als arbeitslos gilt. Somit ist die offizielle Zahl der Arbeitslosen in nicht unerheblichem Ausmaß unterzeichnet, das heißt, Personen, die de facto arbeitslos sind, werden nicht als arbeitslos erfasst und tauchen nicht in der Statistik auf. In der Vergangenheit hat es in der Zählweise der registrierten Arbeitslosigkeit immer wieder Änderungen gegeben, welche Personen nicht als arbeitslos zu zählen sind.

Zusammenfassend muss man sagen, dass die Anzahl der arbeitslosen Personen bei weitem nicht vollständig von der offiziellen Berichterstattung abgebildet wird, aber die BA dies auch nicht tun kann, da sie nur die Arbeitslosigkeit erfasst, wie diese vom Gesetzgeber definiert ist. Somit ist die Arbeitslosenstatistik mehr Ausdruck einer politisch bestimmten Zählweise von Arbeitslosen als eine objektive unabhängige Größe.

Als DIE LINKE fordern wir schon lange eine transparente Statistik zur Erfassung der Arbeitslosigkeit, die für jeden nachvollziehbar ist. Es darf auch nicht sein, dass die Bundesregierung alle paar Jahre beschließt, dass eine weitere Gruppe von vormals als arbeitslos gezählten aus der Statistik heraus gerechnet wird. Letztendlich werden so die Zahlen schön gerechnet, dies hilft aber den vielen arbeitslosen Menschen überhaupt nicht weiter, die dadurch keinen Job bekommen, nur weil sie offiziell nicht mehr arbeitslos sind.

Anstatt Ideenreichtum bei der Nichterfassung von Arbeitslosigkeit an den Tag zu legen, muss es um das effektive Bekämpfen der Arbeitslosigkeit gehen. Die Sparpolitik der letzten Jahre in der Arbeitsmarktpolitik ist aber genau der falsche Weg. Einzelne Regelungen zur statistischen Erfassung konterkarieren sogar die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Beispielsweise dadurch, dass arbeitslose über 58-jährige Hartz IV-Empfängerinnen und -empfänger nach einem Jahr ohne Jobangebot automatisch nicht mehr als arbeitslos gelten. Dies schafft Anreize zur Nichtförderung dieser Personengruppe. Der Anreiz, einen schnellen statistischen Erfolg zu erzielen, ist auch bei Maßnahmen wie Ein-Euro-Jobs für die Jobcenter relativ groß, die den Betroffenen aber im Regelfall keine Brücke in reguläre Beschäftigung bauen und nicht existenzsichernd sind. Die Förderung von Erwerbslosen muss nachhaltig ausgerichtet werden, an der Integration in existenzsichernde Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt. Dazu gehört aber auch eine Arbeitslosenstatistik als Grundlage, die das wahre Ausmaß des Problems der Arbeitslosigkeit korrekt abbildet und keine künstliche Beschönigung der Zahlen zulässt.

Die Berichterstattung zum Arbeitsplatzverlust in Ostdeutschland beruhte auf einer statistischen Auswertung von mir zum Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit. Die Entwicklung des ostdeutschen Arbeitsmarktes ist alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Zwar ist in den letzen Jahren auch in Ostdeutschland die Beschäftigung wieder gestiegen. Dies verschleiert aber den Umstand, dass der Osten im Vergleich zu 1992 fast ein Fünftel weniger sozialversicherungspflichtig Beschäftigte hat. Der gigantische Aderlass des Arbeitsmarktes konnte nicht annähernd kompensiert werden.

Unter dem Strich sind immer noch viele Regionen Deutschlands von Massenarbeitslosigkeit geprägt. Aber auch bei neu entstandenen Jobs muss man feststellen, dass es in den letzten Jahren ein enormes Wachstum prekärer Beschäftigung gegeben hat. Teilzeit und Niedriglohnbeschäftigung haben überproportional zugenommen. Der ausufernde Niedriglohnbereich muss endlich effektiv bekämpft werden. DIE LINKE steht weiterhin ein für die unverzügliche Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 10 Euro die Stunde, ohne Ausnahmen, und die Abschaffung der systematischen Niedriglohnbeschäftigung in Form der Leiharbeit als zwei wesentliche Maßnahmen, um Arbeit wieder existenzsichernd zu machen.

Freundliche Grüße

Sabine Zimmermann