Frage an Stefan Ruppert bezüglich Finanzen

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Stefan Ruppert
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Frage von Thomas R. •

Frage an Stefan Ruppert von Thomas R. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Ruppert,

Wie werden Sie bei der Entscheidung über den Euro-Rettungsschirm abstimmen?

mfG
Roepke

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FDP

Sehr geehrter Herr Roepke,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf www.abgeordnetenwatch.de. Ich möchte Ihnen im Folgenden erklären, warum ich bei der Abstimmung im Bundestag zur Ausweitung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) nach langer und gründlicher Abwägung mit „Ja“ gestimmt habe.

Die Situation im Euroraum ist nach wie vor sehr ernst und kompliziert. Die Ursache für die negative Entwicklung in den letzten Monaten liegt im Verhalten der damaligen rot-grünen Bundesregierung, die durch das Aufweichen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und durch eine unverantwortliche Haushaltspolitik die Weichen für die heutige Schieflage gestellt hat. Hohe Staatsausgaben und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit von Euro-Staaten wurden dadurch erst salonfähig gemacht. Dass man beide Defizite aber langfristig nicht durch neue Schulden ausgleichen kann, haben die Reaktionen der Finanzmärkte gezeigt. Ein zweiter schwerwiegender Fehler von Rot-Grün war die frühzeitige Aufnahme Griechenlands in die Eurozone, die die FDP damals klar abgelehnt hat.

Langfristig kann ein Ausweg aus der derzeitigen Krisensituation nur über eine solide, wettbewerbsorientierte Haushalts- und Wirtschaftspolitik in den betreffenden Schuldenstaaten erfolgen. Glücklicherweise werden dafür gerade die richtigen Weichen gestellt. Spanien und Italien haben sich die verfassungsmäßig verankerte Schuldenbremse Deutschlands zum Vorbild genommen und entsprechende Regelungen nationalstaatlich umgesetzt. Zudem wird auf europäischer Ebene mit dem deutlich verschärften Stabilitätspakt gerade ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, dass zukünftige Schuldenkrisen in der Eurozone verhindern soll. Unter anderem beinhaltet es quasi automatisch ablaufende Sanktionen gegen Defizitsünder – eine Forderung, die wir Liberalen schon frühzeitig gestellt haben.

Die erweiterte EFSF ist ein notwendiges Instrument, um den Weg aus der Krise zu beschreiten. Das Ausleihvolumen der EFSF wird von bisher 240 Milliarden Euro auf rund 440 Milliarden Euro angehoben. Dadurch erhöht sich der deutsche Anteil an Kreditbürgschaften von 123 Milliarden Euro auf 211 Milliarden Euro. Darüber hinaus wird die EFSF in die Lage versetzt, den konkreten Gefahren für die Stabilität des Euro und der Eurozone insgesamt noch besser auch vorbeugend entgegenwirken zu können. So werden neben der bereits bestehenden Möglichkeit einer Kreditvergabe an Mitgliedsstaaten nun auch der Kauf von Staatsanleihen am Primär- und Sekundärmarkt, sowie vorsorgliche Kredite und Darlehen an Staaten zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten bereitgestellt. Alle Hilfsmaßnahmen der EFSF werden auch in Zukunft unter strikten Auflagen vergeben. Ziel ist die Hilfe zur Selbsthilfe für die betroffenen Staaten. Diese müssen den Weg der Haushaltssanierung und wirtschaftlichen Strukturreformen selbstständig beschreiten.

Die krisenhaften Zuspitzungen am Kapitalmarkt und der mehrfache Eingriff der Europäischen Zentralbank (EZB) zu deren Bekämpfung haben verdeutlicht, dass der Rettungsschirm hinsichtlich seines Volumens und der Flexibilität der zur Verfügung stehenden Instrumente ausgebaut werden muss. Nur so können zukünftig mögliche Ansteckungsgefahren innerhalb des Euroraums besser bekämpft werden. Die christlich-liberale Koalition ist sich einig, dass die Stabilisierung des Euro durch geeignete Eingriffe am Kapitalmarkt zuerst Aufgabe der von den Mitgliedsstaaten getragenen EFSF und nicht der EZB ist.

Die erweiterte EFSF schafft ebenso eine Voraussetzung dafür, eine Situation, in der die Zahlungsunfähigkeit eines Eurolandes nicht mehr zu verhindern ist, kontrolliert abzuwickeln. Durch die EFSF können in Zukunft Vorkehrungen getroffen werden, die verhindern, dass die mit dem Schuldenschnitt einhergehenden Turbulenzen auf den Kapitalmärkten auf andere Staaten im Euroraum sowie die Banken übergreifen. Damit wird eine allgemeine Finanzmarktkrise verhindert.

In einer öffentlichen Anhörung im Haushaltsausschuss am 19. September 2011 bezeichneten die anwesenden Sachverständigen sowohl die Erweiterung der EFSF als auch die neuen Instrumente als dringend notwendig. Mit der Zustimmung zur erweiterten EFSF wird den betroffenen Ländern mehr Zeit gewährt, um ihre Probleme selbst lösen zu können. Langfristig kann die Stabilität des Euroraums wie oben erwähnt nur aus sich selbst heraus in Form solider Haushalte in jedem Mitgliedstaat gesichert werden.

Neben der inhaltlichen Ausgestaltung bin ich auch vom Verfahren, das die Mitbestimmung des Deutschen Bundestages bei der EFSF regelt, überzeugt. Auf Drängen der FDP wurde die parlamentarische Beteiligung an Entscheidungen und Handlungen der zwischenstaatlichen Rettungsfazilität deutlich ausgeweitet. Der Bundestag muss nun explizit zustimmen, wenn ein Euro-Mitgliedstaat ein Hilfsprogramm beantragt. Dies gilt auch bei einer Ausweitung des Rettungsschirms und wesentlichen Veränderungen der Hilfsinstrumente. Ohne eine solche Zustimmung muss der deutsche Vertreter die Vorschläge auf europäischer Ebene ablehnen. Dennoch bleibt die Handlungsfähigkeit der EFSF im operativen Geschäft gewahrt. Eine effektive Abwehr konkreter Gefahren für die Stabilität der Eurozone wird auch zukünftig sichergestellt.

Die Souveränität der Volksvertretung in Fragen des Haushalts bleibt durch die erweiterte EFSF unangetastet. Das lässt sich auch daran erkennen, dass die Ausgestaltung der Parlamentsbeteiligung an der erweiterten EFSF deutlich über die Anforderungen hinausgeht, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 7. September 2011 aufgestellt hat. Mit einem mehrstufigen Verfahren, das eine Beteiligung von Gremien des Bundestages selbst in Eilfällen und Fällen dringend gebotener Vertraulichkeit ermöglicht, hat die Koalition die Vorgaben aus Karlsruhe, die in bestimmten Fällen auch eine nachträgliche Informierung des Haushaltsausschusses gestattet hätten, mehr als erfüllt. Für Fälle besonderer Vertraulichkeit oder Eilbedürftigkeit gibt es Sonderregeln. Es entscheidet ein aus Mitgliedern des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages zusammengesetztes „kleinstmögliches“ Sondergremium. Dieses Eilgremium kann aber der Einschätzung der Eilbedürftigkeit jederzeit widersprechen, mit der Folge, dass entweder der Haushaltsausschuss insgesamt oder das Plenum des Deutschen Bundestages mit der Sache befasst werden. Der Bundestag kann auch die Beteiligungsrechte des Haushaltsausschusses jederzeit an sich ziehen und selbst ausüben. Damit erhält der Deutsche Bundestag die Möglichkeit, alle Entscheidungen der EFSF, die die Budgetverantwortung des Bundestags berühren zu kontrollieren und in seinem Sinne unmittelbar zu beeinflussen.

Bei der Höhe an Kreditgarantien muss man sich als Abgeordneter natürlich fragen, ob es nicht zum jetzigen Zeitpunkt eine wirkungsvolle Alternative zur Erweiterung der EFSF gibt. Auch wenn bei mir das Wort „alternativlos“ grundsätzlich auf Misstrauen stößt, bin ich der Überzeugung, dass es eine andere Lösung aus der derzeitigen Krise nicht gibt. Eine ungeordnete Insolvenz eines Mitgliedstaates hätte zum einen unangenehme Folgen für die Inhaber der entsprechenden Staatsanleihen. Banken, Versicherungen, Rentenfonds und damit auch fast jeder Privatanleger wären in unkontrollierbarer Weise betroffen. Zum anderen könnte sich eine noch weitaus gravierendere Folge einer unkontrollierten Staateninsolvenz ergeben. Die Kapitalmärkte könnten negative Schlussfolgerungen aus der Insolvenz eines Mitgliedstaates ziehen und fortan bei anderen Staaten Kredite nur noch gegen erhebliche Zinsaufschläge zur Kompensation des Ausfallrisikos gewähren. Dadurch würden andere finanzschwache Staaten durch immer größer werdende Refinanzierungskosten viel schneller und unkontrollierter in die Zahlungsunfähigkeit getrieben. Die Folge könnte eine Spirale wirtschaftlich und finanziell zusammenbrechender Staaten sein, die aus der Eurozone aussteigen, ihre eigenen Währungen wieder einführen und diese erheblich abwerten müssten. Eine solche Kaskade hätte auch für Privatanleger und die Bürger in den betroffenen Staaten gravierende Folgen. Eine Destabilisierung oder gar ein Zusammenbruch des Euroraums hätte ebenso für unsere stark am Export orientierte Volkswirtschaft sehr fatale Auswirkungen. Den deutschen Steuerzahlern ist ein solches Risiko nicht zuzumuten.

Die Oppositionsparteien haben Eurobonds als Alternative zu den von der Koalition vorgeschlagenen Maßnahmen in die Diskussion gebracht. Sie sind jedoch kein wirksames Mittel zur Bewältigung der Krise unserer Währung. Ganz im Gegenteil: Eurobonds würden die Märkte nur kurzfristig beruhigen, wenn überhaupt. Denn die Ratingagentur Standard & Poor‘s hat schon klargestellt, dass Eurobonds aufgrund ihrer teilweisen Ausfallrisiken so bewertet werden würden wie das größte Risiko ihrer Anteilseigner, also genauso wie Griechenlands Anleihen: mit Ramschstatus. Dem geringen Wirkungsgrad stünde ein sehr hoher Preis gegenüber. Durch eine gemeinsame Haftung für Schulden hätten schlecht haushaltende Staaten keinerlei Anreize mehr, zu sparen und ihre Haushalte zu sanieren. Im Gegenzug müssten Staaten mit soliden Haushalten wie Deutschland für Schuldenstaaten mithaften, die zuvor über ihre Verhältnisse gelebt haben. Eine solche Belastung wäre den deutschen Steuerzahlern unter keinen Umständen zuzumuten. Zumal nach Schätzungen des ifo-Instituts jährliche Mehrkosten in Höhe von 47 Milliarden Euro auf Deutschland zukommen könnten.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem oben erwähnten Urteil die Verfassungswidrigkeit von Eurobonds klar festgestellt und damit die FDP-Position bestätigt. Eurobonds würden eine Vergemeinschaftung der Haftung für alle Schulden im Sinne einer gesamtschuldnerischen Haftung bedeuten. Deutschland würde als zahlungsfähiger Schuldner für alle künftig in der Eurozone aufgenommenen Schulden vollumfänglich in Anspruch genommen werden können. Einer solchen Politik hat Karlsruhe jedoch einen Riegel vorgeschoben. Im Urteil heißt es dazu: „Es ist insoweit auch dem Bundestag als Gesetzgeber verwehrt, dauerhafte völkervertragsrechtliche Mechanismen zu etablieren, die auf eine Haftungsübernahme für Willensentscheidungen anderer Staaten hinauslaufen, vor allem wenn sie mit schwer kalkulierbaren Folgewirkungen verbunden sind.“ Wir Liberalen werden weiterhin alles in unserer Macht stehende unternehmen, damit es nicht zu einer solchen Vergemeinschaftung von Schulden kommt.

Wir werden beim zukünftigen Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM), der die erweiterte EFSF ab 2013 ablösen soll, die gleichen strengen Maßstäbe hinsichtlich inhaltlicher Ausgestaltung und parlamentarischer Beteiligung anlegen wie beim jetzigen Verfahren. Zurzeit liegt dem Bundestag aber noch kein ausformulierter Vertragstext für den ESM vor. Das Parlament wird aller Voraussicht nach erst in der ersten Jahreshälfte 2012 über den ESM abstimmen. Bitte haben Sie daher Verständnis dafür, dass ich derzeit einzelne Punkte zum ESM nicht abschließend kommentieren kann.

Zusammenfassend kann ich festhalten, dass ich der Erweiterung der EFSF zugestimmt habe, da ich diesen Schritt in der derzeitigen Situation für den verantwortbarsten aller möglichen Optionen halte. Die christlich-liberale Koalition stellt mit der erweiterten EFSF die Weichen für einen Weg aus der Schuldenunion, die Rot-Grün mit zu verantworten hat, hin zu einer Stabilitätsunion. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit dem Ausweiten des Rettungsschirms eine vernünftige Balance zwischen einer notwendigen Stabilisierung der Eurozone auf der einen Seite und einem bestmöglichen Schutz der Steuerzahler in Deutschland auf der anderen Seite geschaffen haben.

In der Hoffnung, Ihre Anfrage zufriedenstellend beantwortet zu haben, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Dr. Stefan Ruppert, MdB