Frage an Stefan Urbat bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Stefan Urbat
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Frage von Marius A. •

Frage an Stefan Urbat von Marius A. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Grüß Gott,
als gläubiger Christ, der noch unentschlossen ist, wen er wählen soll, habe ich folgende Fragen an Sie und bin Ihnen dankbar für eine ehrliche Antwort.
Beste Segensgrüße aus Poing

1.Was bedeutet für Sie die "Verantwortung vor Gott", wie sie in der Präambel des Grundgesetzes verankert ist?
2.Welche Bedeutung hat für Sie der christliche Glaube und welche Bedeutung sollte der Glaube in der Politik haben?
3. Wie kann die Achtung vor christlichen Überzeugungen wieder selbstverständlicher werden?
4. Was werden Sie tun, um die Glaubensfreiheit als Menschenrecht weltweit zu stärken?
5. Was werden Sie tun, um mehr Vertrauen und Wahrhaftigkeit in der Politik zu schaffen?
6.Was werden Sie unternehmen, um die Rechte und die soziale Sicherung von klassischen Ehen und Familien als Grundpfeiler einer stabilen Gesellschaft zu erhalten und zu stärken?
7. Wie können Eltern, die ihre Kinder in erster Linie selbst erziehen wollen, gleiche Förderung erfahren wie jene, die diese Aufgabe insbesondere in den ersten Lebensjahren an Dritte delegieren?
8. Wie können alle Kinder und Jugendliche gleiche Bildungs- und Ausbildungschancen erhalten?
9. Sind Sie für völlige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften mit der Ehe?
10. Sind sie der Meinung, dass Gender Mainstreaming nicht zu einer ideologischen Verfremdung der geschlechtlichen Identität von Mann und Frau führt?
11. Kann der "Generationenvertrag" noch aufrechterhalten werden und wenn ja wie? Gibt es Alternativen?
12. Wie möchten Sie menschliches Leben vor der Geburt und am Lebensende dauerhaft schützen?
13. Wie kann Ihrer Meinung nach eine neue Wertschätzung ungeborener, behinderter und alter Menschen erreicht werden?
14.Befürworten Sie die Forschung an embryonalen Stammzellen und Klonexperimente an menschlichen Zellen?
15. Was werden Sie tun, damit die Schere zwischen Arm und Reich in unserem Land nicht immer weiter auseinander geht?
16. Sehen Sie eine Gefahr durch den Islam?

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Antwort von
PIRATEN

Hallo Herr Augustin,

danke für Ihre wohl eher ungewöhnliche Fragestellung. Mir wird manchmal vorgeworfen, ich sei zu direkt und ehrlich, als Anderes. Mit offenen Antworten kann ich Ihnen daher dienen, unser Parteiprogramm gibt hier nicht viel her, muss ich vorne weg anmerken:

1. "Verantwortung vor Gott" verstehe ich als gemeinsames christliches Menschenbild, dem selbst die Atheisten sowie Angehörige anderer Religionen unter uns heute noch immer weitgehend anhängen. Die christlichen Werte markieren eine Art gemeinsamen ethischen Kodex für alle Bürger, d.h. es wird hiermit die gemeinsame Grundüberzeugung bestärkt und das ist auch in einer Zeit abnehmender Zahlen offizieller Kirchenmitglieder noch gültig.

2. Ich bin selbst Christ der pantheistischen Prägung (das ist unter Naturwissenschaftlern wie mir sehr verbreitet). Ich halte daher die christlichen Werte für einen wichtigen Pfeiler unserer Ethik des Zusammenlebens. Allerdings bin ich auch strikter Laizist, ich möchte also keine direkte Beeinflussung der Politik durch das Christentum.

3. Ich denke, dass viel von der Fähigkeit von Pfarrern und Priestern abhängt, in Predigten die in antikem Weltbild formulierten zeitlosen Erkenntnisse der Bibel über die menschliche Natur und den Folgen daraus ebenso verständlich wie überzeugend zu vermitteln - was in der heutigen Zeit keine leichte Aufgabe ist. Andere Wege der Glaubensvermittlung müssen ebenfalls gesucht werden. Wie sich das z.B. via Internet bewerkstelligen lässt, ist eine gute Frage (auf die ich selbst keine schlüssige Antwort habe).

4. Glaubensfreiheit ist wie andere Freiheiten der Menschen ein Gut, das nur ein Staat mit intakten Strukturen wie strikter Gewaltenteilung, starken Gerichten und einer Kultur gepflegter Toleranz voll bewahren kann. Jede Stärkung des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats, für die unsere internationale Bewegung nicht nur in Deutschland eintritt, stärkt damit auch die Glaubensfreiheit.

5. Vertrauen in die Politik kann und muss man unserer Meinung nach durch mehr Transparenz von Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen, Abschaffung bzw. Einschränkung des nicht grundgesetzlich gedeckten sogenannten Fraktionszwangs und der Stärkung der Gewissensfreiheit der Abgeordneten in den Parlamenten schaffen. Außerdem wären mehr Elemente direkter Demokratie hier auch sinnvoll, um den Bürgern aktive Mitgestaltung auf Bundesebene und auch mehr Teilhabe v.a. auf Länder- aber auch kommunaler Ebene zu verschaffen. - für erwägenswert halte ich Felix von Leitners Online-Petition, die Politiker gegen den Fraktionszwang mehr auf die Einhaltung der Verfassung bei Gesetzes- initiativen verpflichten soll.

6. Nicht in allen Feldern sind weitere staatliche Eingriffe nötig oder zielführend, bei Ehen sind die derzeitigen Regelungen meiner Meinung nach nicht schlecht. Das Problem, dass Arbeitsplätze von Ehepartnern weit auseinanderliegen und eine Wohnung (z.B. Eigentum) ebenfalls weit weg liegen kann, lässt sich z.B. kaum staatlich angehen, obwohl es viele Familien belastet. Eher ließe sich die Betreuung und finanzielle Versorgung von Kindern verbessern, bei der Deutschland zur Zeit nicht gut aussieht: höheres Kindergeld und stärkere steuerliche Entlastung für Einkommen von erziehungsberechtigten können hier helfen, ebenso verbesserte Angebote zur Kinderbetreuung (auch hinsichtlich Kosten).

7. Über Elterngeld und Elternzeit gibt es bereits Regelungen, die Eltern ermöglichen, sich selbst mehr um ihre Kinder zu kümmern, als das früher möglich war. Man muss auch nüchtern die Chance sehen, die Kinder aus weniger gebildeten Elternhäusern haben, wenn sie frühzeitig mit Gleichaltrigen zusammen in einen Kindergarten kommen: das kann für ihre geistige Entwicklung und weitere Bildung sogar von Vorteil sein. Es ist also im Einzelfall abzuwägen, was für die Kinder jeweils das Beste ist, ich gehe davon aus, dass das das Hauptanliegen der meisten Eltern sein wird (und meiner Ansicht nach sein sollte).

8. Ausbildung darf zunächst einmal nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein. Wieder vollzogene Lehrmittelfreiheit und die Abschaffung von Studiengebühren z.B. in Bayern und Baden-Württemberg (ein Thema für die Landtage, muss ich da anmerken) wären erste Schritte in diese Richtung, ein weniger stark zergliedertes und länger gemeinsames Schulwesen für Alle ist eine weitere Möglichkeit, mehr Bildungsgerechtigkeit und -durchlässigkeit zu schaffen.

9. Ich sehe keinen belastbaren Grund, warum homosexuelle Lebensgemeinschaften nicht voll gleichberechtigt zu klassischen heterosexuellen Ehen gestellt werden sollten. Denn das schwächt weder traditionelle Familien, noch hat es negative Folgen für Kinder in solchen Lebensgemeinschaften, wie Untersuchungen gezeigt haben - jedenfalls ist das nicht schlechter, als die häufigeren Fälle mit allein erziehenden Elternteilen.

10. Ein moderates, auf fundierten Daten beruhendes Gender Mainstreaming halte ich nicht für schädlich, insbesondere nicht für Identitätszerstörend. Praktisch werden hauptsächlich Gleichstellungsgesetze die Konsequenz daraus sein, die eben auch biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen über die grundsätzlichsten hinaus berücksichtigen müssen (z.B. etwas unterschiedliche Arbeitsweise des Gehirns bei Frauen und Männern).

11. Ich halte den sogenannten Generationenvertrag aus zwei Gründen für gescheitert:

a) die Alterspyramide entfernt sich immer mehr von der, die zur Zeit Bismarcks existierte, d.h. immer weniger jungen, arbeitenden Menschen stehen immer mehr Rentner gegenüber

b) Vollbeschäftigung wird sich spätestens nach der Stabilisierung nach Ende der Wirtschaftskrise und Einführung wirksamer Maßnahmen (Transparenz und staatliche Aufsicht) gegen neue, übertriebene Blasen endgültig als Illusion heraus stellen - Ursache sind moderne Techniken, die die Produktivität auf ein Niveau weit über dem nötigen heben, das für eine nachhaltige Wirtschaft nötig ist

Eine individuelle Absicherung, auch staatlich gefördert, erscheint mir als einziger Ausweg aus dieser Sackgasse, Riester-Rente und Rürup-Plan sind wohl grundsätzlich richtige Ansätze, wenn auch im Detail sicher verbesserungswürdig.

Eine staatliche Grundsicherung erscheint dabei allerdings unabdingbar.

12. Ich finde die derzeitigen Regelungen im §218 im Wesentlichen in Ordnung und würde mir im Gegenteil sogar eine etwas ergebnisoffenere Beratung Schwangerer wünschen, als das zur Zeit teils der Fall ist. Die Grenzziehung, wann menschliches Leben beginnt, ist immer schwierig und ich finde, die aktuelle Regelung stellt einen tragfähigen Kompromiß dar. - Sterbehilfe ist gerade in Deutschland natürlich ein heikles Thema, passive Sterbehilfe sollte in Fällen unmissverständlichen Willens von Leidenden bzw. deren Angehörigen eher erleichtert werden, aktive Sterbehilfe halte ich jedoch für höchst problematisch und kann nur unter stark einschränkenden Bedingungen überhaupt in Frage kommen.

13. Ich denke nicht, dass es Aufgabe der Politik ist oder sein kann, den Menschen ethische Richtlinien vorzuschreiben, sie muss nur Gesetze aufgrund ethischer Übereinkünfte von Menschen machen. Religion (nicht zwingend christliche) kann hier wie erwähnt helfen, Übereinstimmungen und eine Basis für solche Gesetze zu schaffen. Das gilt eben auch gerade für behinderte und alte, pflegebedürftige Menschen, die oft allzuleicht in Anstalten abgeschoben werden, wo sie nicht mehr so sichtbar für die anderen Menschen sind. Pflegebedürftige sind aufgrund ihrer Einschränkungen immer schnell in Gefahr, dass auch ihre Menschenwürde teilweise missachtet wird, z.B. von wenig dafür geeigneten Pflegekräften.

14. Auch hier besteht ein starkes Spannungsfeld zwischen dem verständlichen und auch richtigen Wunsch, mit modernen Verfahren den Menschen besser helfen zu können auf der einen Seite, auf der anderen die Gefahr, dass wir ohne wohl abgewogene Grenzziehungen uns sozusagen zu Herren über Leben und Tod aufschwingen und ethisch verwerfliche Methoden angewendet werden. Da muss man gar nicht bis zum Klonen gehen, schon reine DNA-Analysen bergen oft großen (datenschutzrechtlich hochrelevanten) Zündstoff (Krankheitsveranlagungen z.B. bei Versicherungen). Daher plädiere ich für einen vernünftigen Ausgleich beider Aspekte; diese Diskussion wird sicher noch viele Jahre weiter gehen.

15. Hierzu fällt mir ein ganzes Bündel geeigneter Maßnahmen ein: Senkung von Sozialabgaben für einkommensschwache Menschen, Beschränkung der steuerlichen Abschreibungs-/Absetzungsmöglichkeiten für einkommensstarke Menschen bei gleichzeitiger Möglichkeit im Fall der Steuerflucht ins Ausland diesen die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, eine Luxussteuer auf besonders hochpreisige Konsumgüter, eine stärkere Besteuerung von Erbschaften und nicht durch Arbeit erzielten Einkommen (Geldanlagen), die Aufhebung von Bemessungsgrenzen bei Sozialabgaben, um einige Wichtige zu nennen.

16. Ich sehe keine generelle Gefahr durch den Islam, eher durch falschen Umgang mit dem Islam von Ländern in Europa und v.a. den USA sowie einzelnen fanatischen Gruppen islamischer Herkunft, die aber auch im jüdischen und christlichen Umfeld beispielsweise zu finden sind. Es gilt also allgemein mäßigend auf religiöse Gruppen und deren Anhänger einzuwirken, die es selbst an Toleranz missen lassen.

Mit freundlichen Grüßen,
Stefan Urbat