Frage an Stephan Thomae bezüglich Finanzen

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Stephan Thomae
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Frage von Alfons S. •

Frage an Stephan Thomae von Alfons S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Thomae,

auf eine Anfrage vom 21.09.2011 haben Sie ausführlich geantwortet. Nach meinem Eindruck haben die verschiedenen Rettungsmaßnahmen die Ursache des Problems nicht beseitigt. Ich sehe auch nicht, wie der ESM die Ursachen angehen will. Im Fiskalpakt wurde festgelegt, dass die einzelnen Staaten eine Schuldenbremse gesetzlich einführen. Auf europäischer Ebene gibt es bereits eine Schuldenbremse, nur halten sich die wenigsten Staaten daran, auch Deutschland nicht. Wie eine Schuldengrenze funktionieren kann, haben die USA im August 2011 demonstriert. Wäre die Grenze nicht erhöht worden, so wären die USA binnen weniger Wochen zahlungsunfähig geworden. Woraus schließen Sie, dass in Europa eine Schuldenbremse bessere Wirkungen hat? Wer hindert die Parlamente daran, auch ohne Schuldenbremse einen ausgeglichenen und nachhaltigen Haushalt zu beschließen?

Mit freundlichen Grüßen
Alfons Schwarzenböck

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Sehr geehrter Herr Schwarzenböck,

vielen Dank für Ihr Fax vom 24. April 2012, in der Sie mich auffordern, gegen den ESM zu stimmen. Voraussichtlich wird die zweite und dritte Lesung der Gesetze zur Umsetzung des ESM-Pakets (ESM-Ratifizierungsgesetz, ESM-Finanzierungsgesetz und Gesetz zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes zur Einführung der Collective Action Clauses (CAC)) und des Fiskalvertrages am 25. Mai 2012 stattfinden. Gerne erläutere ich Ihnen, warum ich für das Gesetz stimmen werde.

I.

Der mit dem zweiten Griechenland-Rettungspaket geschaffene Liquiditätsrahmen ist nur ein Viertel des Lösungsansatzes. Die anderen drei Viertel bestehen daraus, dass

1. Griechenland notwendige Reformen zur grundlegenden Sanierung seines Staatshaushaltes ergreift, dass

2. die griechische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig wird, und dass

3. mit der von der FDP schon lange geforderten und jetzt endlich eingeleiteten Privatsektorbeteiligung eine Art abgefederte Insolvenz Griechenlands eingeleitet worden ist.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hatte ja bereits im Oktober 2011 auf Regeln für eine geordnete Insolvenz hochverschuldeter Staaten gedrängt, einer sogenannten „Resolvenz“. Bei diesem Resolvenzverfahren sollte die Rückgewinnung der Zahlungsfähigkeit durch eine moderierte Staatsinsolvenz erreicht werden. Jetzt ist der Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler wieder hoch aktuell. Nicht vergessen werden darf bei der Diskussion, dass eine Insolvenz auch immer Sanierung bedeutet.

II.

Auf dem Treffen der Finanzminister der Eurogruppe am Montag, dem 20.02.2012, wurde einer Privatsektorbeteiligung beschlossen: Die Forderungen der privaten Gläubiger an Griechenland belaufen sich auf rund 200 Mrd. Euro. Nach Abzug eines teilweisen Forderungsverzichts („selective default“) der privaten Gläubiger iHv. 53,5 % (107 Mrd. Euro) verbleiben Forderungen iHv. rund 93 Mrd. Euro. Durch die Sweetener der EFSF iHv. 30 Mrd. Euro sinkt zwar der Forderungsausfall der privaten Gläubiger auf 63 Mrd. Euro. Da ein Umtausch in neue 30-jährige griechische Staatsanleihen zu einem wesentlich niedrigeren Zinssatz, nämlich durchschnittlich 3,65 % stattfindet, beträgt der tatsächlich zu verbuchende Abschreibungsbedarf der Gläubiger rund 74 %!

III.

Vor dem Hintergrund, dem zweiten Griechenland-Rettungspaket die Zustimmung zu verweigern, muss man sich die Frage stellen, was die Alternative zu den Stabilisierungsmaßnahmen und Vorhaben der christlich-liberalen Koalition in ihrer Konsequenz bedeuten würde.

Der Bundestag hat vor zwei Jahren den Weg beschritten, die Eurozone mit einem Stabilisierungsmechanismus zu konsolidieren. Dieses Verfahren hat inzwischen auch erste Erfolge vorzuweisen: Der Druck auf Portugal, Irland, Italien und Spanien hat abgenommen. Aus diesem Grund wäre es jetzt inkonsequent und falsch, mitten im Lauf die Richtung zu wechseln. Das Hilfspaket ist ein Risiko, aber ein bezifferbares. Die Ablehnung jedoch wäre ein Abenteuer, und zwar ein unberechenbares. Zu glauben, mit einem Ausscheiden Griechenlands wäre Deutschland alle Sorgen los, ist naiv. Die griechische Krise hat sich langsam aufgebaut, sie kann nicht in kurzer Zeit gelöst werden.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Hinweisen weiter helfen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Thomae, MdB

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