Frage an Susanne Klein bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Susanne Klein
DIE LINKE
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Frage von Anette K. •

Frage an Susanne Klein von Anette K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Frau Klein,
das Wahlprogramm der Grünen beinhaltet zum Thema Homosexualität:
Aktive Politik für Lesen und Schwule
* Akzeptanz verbessern, Gleichstellung durchsetzen
* rechtliche Diskriminierung homosexueller Paare beenden
* verpartnerte Hamb. Beamtinnen u. Beamte, Ehepaaren gleichstellen.

Dem Wahlprogramm "dieLinke" entnehme ich: Hamburg für Alle- "sozial, ökologisch,solidarisch" Politik für ein HH der Gleichberechtigung demokratischer Sozialismus, soll heißen; Alle sind gleichberechtigt
* Abschaffung des Ehegattensplittings
* gleichberechtigte Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften, etc.
Wie will "die Linke" die "alten / vorhandenen" Strukturen aufheben, ohne eine Revolution auszurufen ?
Wie sollen die 36 reichsten HH Familien und die gesellschaftlich "besser Gestellten" zur Einsicht gebracht werden zu Teilen, bzw. ihnen vermittelt werden, dass die Zukunft der Stadt Hamburg in der Solidarität und in der sozialen Gerechtigkeit liegt ?

Mfg
Anette Kraus
(verpartnerte Hamburger Beamtin + Mutter einer 16 J. Tochter)

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Kraus,

vielen Dank, daß Sie sich so intensiv mit dem Wahlprogramm der LINKEn auseinandersetzen. Gleich zu Ihrer ersten Frage:

"Wie will "die Linke" die "alten / vorhandenen" Strukturen aufheben, ohne
eine Revolution auszurufen ? "
Zuerst einmal muß man festhalten, daß die am meisten gefestigten Strukturen diejenigen in den Köpfen der Menschen sind - nicht, wie viele glauben, in den Behörden. Deshalb gilt es, jederzeit mit jedem diskussionswilligen Menschen zu reden und auch über verschiedene Ansichten zu verschiedenen Lebens- und Liebesmodellen streiten zu können . Für die LINKE ist dies - die Streit- und Diskussionskultur zu pflegen - ein ganz wesentliches Merkmal einer offenen und solidarischen , demokratischen Gesellschaft.

Denn trotz des Falls der "Mauer", die jahrzehntelang Deutschland geteilt hat, ist die Mauer in den Köpfen vieler Mitbürger noch lange nicht eingerissen worden. Viel zu viele Menschen denken noch immer in den Kategorien "Ossi" und "Wessi" - sogar bei Sozialleistungen des Staates und Tarifabschlüssen gibt es noch spürbare Unterschiede zwischen Ost und West. Arrogant schauen viele "West-"Deutsche auf die "Neubürger" und "Neuen" Bundesländer herab - alles schlechte scheint mit "denen" zusammenzuhängen - hohe Arbeitslosigkeit, Neofaschismus, Politikverdrossenheit....Viele Deutsche wünschen sich lt. Umfragen die Mauer zurück, sowohl im Osten als auch im Westen.

Wir können nicht ohne einen Wandel in den menschlichen Denkstrukturen und Ansichten einfach eine Revolution ausrufen -das hieße neuerliche Unterdrückung des Volkes, ohne auf dessen Willen zu hören. Dies will die LINKE in Deutschland - aber auch anderswo auf der Welt - nie wieder.

Wir wollen im Gegenteil durch eine verbesserte und vereinfachte Form der Möglichkeit von Volksentscheiden diesen ein höheres Gewicht geben und den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg verpflichten, die Ergebnisse dieser Bürgerentscheide in die Tat umzusetzen. Dafür sammeln wir zur Zeit wieder Unterschriften an unseren Infoständen. Ohne die Mitwirkung des Einzelnen dabei kann es keine Lösung für Viele geben.

Ihre zweite Frage -wie sollen die reichsten Familien zur Einsicht gebracht werden.... etc:

Auch dies wird nur zum Teil über Gesetze möglich sein - zum Beispiel durch eine gerechtere Steuerpolitik. Die Abschaffung des Ehegattensplittings - die ja nicht etwa die Familiengründung durch Kinderkriegen befördert, sondern lediglich das Daheimbleiben der Ehefrau (in 95 % der Fälle ist es die Frau, die ihren Arbeitsplatz aufgibt,weil sie immer noch wesentlich weniger verdient als der Mann, selbst bei gleicher Arbeit) ist natürlich eines der allerersten Anliegen.

Eine gerechte Steuer -und Abgabenpolitik sieht vor, daß jedes Einkommen - egal aus welcher Quelle - steuer- und sozialversicherungspflichtig ist. Daß es keine Ausnahmen von der staatlichen - also dem Allgemeinwohl dienenden- Versicherungspflicht geben darf. Jemand, der sein Einkommen aus der Vermietung / Verpachtung von Wohnungen erzielt, soll davon genauso wie der Arbeiter am Band oder der Briefträger Sozialabgaben entrichten. Wenn mehr starke Schultern definiert werden, wird die Belastung für jede einzelne davon nicht größer.

Wir haben keine Angst, die "Reichen" - also diejenigen mit einem extrem hohen Einkommen - zu verprelllen. Denn es hat vor der Regierung Rot-Grün in Berlin viel höhere Steuerbelastungen für obere Einkommen gegeben, und sie sind nicht abgewandert. Die Steuerlast ist vor Rot-Grün für Betriebe viel höher gewesen als unter Schröder, und die Betriebe wandern ins Ausland ab, obwohl deren Belastungen in den letzten Jahren deutlich gesunken und die Tarifabschlüsse für Löhne und Gehälter eher ein Witz waren.

Wir müssen ständig mit den Menschen reden, um ihnen klarzumachen, daß wenn die Schere zwischen Arm und Reich - auch in unserer reichen Stadt Hamburg gibt es arme und reiche Stadtteile dicht beieinander - weiter auseinandergeht, es zu solch sozialem Unfrieden kommen kann, daß dabei die Sicherheit eines jeden auf dem Spiel stehen könnte. Wir wollen nicht, daß Menschen sich zu Löhnen ausbeuten lassen müssen, die ein selbständig finanziertes Leben nicht hergeben, nur damit andere Menschen mit dem daraus erwirtschafteten Profit sich ein schönes Leben mit einer Liechtensteiner Stiftung machen können.

Es muß langsam ja wohl jedem klar werden, daß Steuergeschenke an die Reichen und Kapitalgesellschaften sie mitnichten davon abhalten können, immer gieriger zu werden und unserem "Sozialstaat " - der ihnen immerhin ihre Tätigkeit in dieser Form erst ermöglicht hat - sogar noch das (prozentuale) Bißchen an Steuern zu unterschlagen, zu dessen Abgabe sie verpflichtet sind..

Viele Grüße an Sie und Ihre Familie.

Ihre Susanne Klein