Frage an Sylvia Kotting-Uhl bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Sylvia Kotting-Uhl
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Carsten H. •

Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Carsten H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl,
Meine Frage ist kurz: Wie stehen Sie zu dem geplanten Freihandelsabkommen TTIP?

Besten Dank schon vorab für die Beantwortung und freundliche Grüße

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Hahn,

vielen Dank für Ihre Frage zu meiner Einschätzung von TTIP.

Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts lassen sich nur gemeinsam lösen. Handelsabkommen können ein Weg sein, daran zu arbeiten – wenn sie die richtigen Schwerpunkte setzen und Staaten nicht gegeneinander ausspielen. Doch das lassen die TTIP-Verhandlungen auch nach fast zwei Jahren nicht erkennen.

Internationale Partnerschaften sollten anstreben, soziale und ökologische Standards zu stärken und auch für den Klimaschutz positive Impulse zu setzen und nicht allein wirtschaftlichen Erfolg und Deregulierung zum Ziel erheben. Die EU und Deutschland sollten deshalb auch nur Vereinbarungen eingehen, die neben wirtschaftlichen Vorteilen vor allem den Verbraucher- und Umweltschutz verbessern und soziale und Datenschutz-Standards sichern. Ich bin mit meiner Fraktion im Bundestag der Meinung, dass die negativen Folgen und Gefahren die möglichen Gewinne von TTIP bei weitem übersteigen. Deshalb lehnen wir das Abkommen in seiner derzeitigen Form ab.

Im Kern werden bei TTIP die Angleichung von bestehenden Standards und die Möglichkeit von Angleichungen in der Zukunft verhandelt. Dafür ist in diesem Abkommen ein sogenannter Regulierungsrat vorgesehen, der als Forum für die Anpassung der Regulierungen dienen soll. Niemand hat etwas dagegen, sich über Blinkerfarben oder gemeinsame Ladegeräte auszutauschen. Es wird im Regulierungsrat aber vermutlich um deutlich mehr gehen.

Während die EU-Kommission beteuert, dass durch dieses Verfahren keine Standards untergraben werden, gibt es immer mehr Hinweis darauf, dass Misstrauen berechtigt ist. Die Sorge ist begründet, dass Handelsabkommen wie TTIP eine Hintertür dafür werden sollen, soziale und ökologische Standards zulasten des Gemeinwohls abzusenken. Vor allem für unsere Lebensmittel ist das eine Bedrohung. Auch heute schon ist die Produktion vieler Nahrungsmittel mit Massentierhaltung und übermäßigem Dünger- und Pestizid-Einsatz kritikwürdig. Es ist aber nicht auszuschließen, dass durch TTIP auch der Weg für gentechnisch veränderte Lebensmittel nach Deutschland geöffnet wird, was mit unseren heutigen Standards in Deutschland nicht vereinbar wäre.

Darüber hinaus darf ein solches Forum wie der Regulierungsrat auf keinen Fall die demokratischen Prozesse der Parlamente aushebeln oder vorweg nehmen. Wir sehen darin die Gefahr, dass durch TTIP der Gesetzgebungsspielraum deutscher Abgeordneten beschränkt wird, da jedes Gesetz im Einklang mit diesem Handelsabkommen stehen muss, denn Völkerrecht steht über nationalem Recht. Das wäre nicht vereinbar mit den Grundwerten der deutschen Demokratie. Wir fordern daher, dass diese Foren transparent arbeiten und eng an bestehende parlamentarische Prozesse angebunden werden.

Und schließlich das Thema Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren. Ursprünglich sollten Unternehmen mit diesen Schiedsgerichten vor überzogenen staatlichen Eingriffen im Ausland geschützt werden. Mittlerweile beobachten wir aber an vielen Stellen, dass diese Klageprivilegien auch genutzt werden, um gegen Regulierung zum Schutz von Menschen und Natur vorzugehen, allein weil diese die Profite schmälern könnten. Diese Klageprivilegien für Konzerne haben meiner Meinung nach in TTIP nichts verloren und daher lehne ich sie ab. Wir haben als Fraktion dazu mehrfach Anträge im Bundestag gestellt und uns auch am Konsultationsverfahren der EU-Kommission beteiligt.

Ich werde keinem Abkommen zustimmen, das Klageprivilegien für Konzerne enthält oder etablierte Standards zum Schutz von Menschen und der Umwelt untergräbt. Handelsabkommen sind dann gut, wenn sie transparent verhandelt und nach sozialen, ökologischen und menschrechtlichen Kriterien ausgerichtet sind und wenn sie die etablierten demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen nicht in Frage stellen.

TTIP ist genau das nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl