Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Thomas R. bezüglich Umwelt
Sehr verehrte Frau Kotting-Uhl,
ich wohne im Kreis Helmstedt. Da Sie mir als Verfechter des Grünen Punktes aufgefallen sind, möchte ich Sie bitten mir aufzuzeigen, wo und wie mit welchen energetischen Aufwand am praktischen Beispiel vom Landreis Helmstedt die Wiederverwertung von Kunststoffabfällen stattfindet. Ich war selbst ein Verfechter der Wiederverwertung, was aber in der Praxis daraus geworden ist, hat nichts mehr mit Ökologie zu tun. Ich möchte Sie daher bitten mir am Beispiel einer Ökobilanz aufzuzeigen, wo dieses Material bleibt und warum es in der Folge sinnvoller ist aus Rohöl und Braunkohle Strom und Wärme zu erzeugen, wenn gleichzeitig dieses mit dem energiereichen Müll auch zu haben ist?
MFG
Thomas Reineke
Sehr geehrter Herr Reineke,
da ist Ihnen etwas Falsches aufgefallen.
Ich bin keineswegs eine Verfechterin des Grünen Punktes (trotz des liebenswerten Adjektivs!), sondern eine deutliche Kritikerin. Allerdings nicht in Ihrem Sinn - wobei: dass, was aus der Wiederverwertung von Kunststoffabfällen geworden ist, mit Ökologie nichts mehr zu tun hat, teile ich voll und ganz!
Die Schlussfolgerung aus diesem Mangel man solle den Plastikmüll besser verbrennen, ist bei Ihnen allerdings genauso falsch wie bei Herrn Glos. Mit jeder neuen Herstellung eines Kunststoffs aus Erdöl verschlechtern wir unsere CO2- Bilanz. Die Alternative zum Verbrennen von Kunststoffmüll kann sinnvollerweise natürlich nicht Rohöl oder Braunkohle sein, sondern Strom- und Wärmeerzeugung aus Erneuerbaren Energien. Dass dieser Weg, konsequent beschritten, zügig zum Ziel führen kann, wird von vielen Fachleuten längst nicht mehr bestritten.
Unser größtes ökologisches Problem ist heute der Klimawandel. Ökonomisch argumentiert heißt ein Teil des Problems Ressourcenverknappung und das längst nicht mehr nur bei fossilen Energieträgern. Das heißt, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft sind die Gebote der Stunde - kein Verbennen von Wertstoffen.
Ich kritisiere am Dualen System, dass es diesen Geboten viel zu wenig gerecht wird. Ich kritisiere an unserer derzeitigen Abfallpolitik, dass sie die klaren Ziele die es anzusteuern gilt, nicht im Fokus hat. Was wir brauchen, sind Anreizsysteme und Sanktionsmechanismen für einen wertschätzenden Umgang mit Ressourcen. Ich habe das Konzept einer Wertstoffverordnung entwickelt die die Verpackungsverordnung ablösen soll - mit einer Ressourcenabgabe nach ökologischen Kriterien auf perspektivisch alle Produkte statt Lizenzgebühren ohne Lenkungswirkung auf Verpackungen, mit einer öffentlich-rechtlichen Ressourcenagentur statt DSD, mit einer Produktverantwortung die auf ökologisches Design abzielt statt Ablasshandel. Falls es Sie interessiert, finden Sie das Konzept auf meiner Homepage http://www.kotting-uhl.de .
Wir brauchen nicht weniger, sondern viel mehr Recycling, und das meint kein "Downcycling" - das muss bereits bei der Fertigung des Produkts bedacht werden. (So bekommt das Wort "Produktverantwortung" Sinn.) Verbrennen - auch wenn das "energetische Verwertung" genannt wird - ist nie die bessere oder auch nur gleichwertige Lösung, es sei denn es handelt sich um Biokunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, dann bleiben wir im CO2-Kreislauf. Aber der Anteil an Biokunststoffen ist in Deutschland noch dermaßen gering, dass wir für die Frage des Umgangs mit Müll darauf noch nicht setzen können.
Sie sehen also, im Ausgangspunkt der Kritik sind wir uns einig, bei den daraus zu ziehenden Konsequenzen nicht - oder lassen Sie sich eventuell überzeugen?
Das praktische Beispiel Ihres Landkreises lassen Sie sich besser von einem Kommunalpolitiker darlegen - nehmen Sie einen Grünen, wenn Sie abfallpolitische Kompetenz mit einem zukunftsfähigen Blick suchen und keinen Kommunalpolitiker dem die Auslastung einer eventuellen kreiseigenen Verbrennungsanlage wichtiger ist als CO2-Kreisläufe. (Die immensen Verbrennungs-Überkapazitäten in Deutschland sind allerdings zugegebenermaßen ein Problem - ein ökonomisches und leider auch ein ökologisches.)
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl