Frage an Thomas Blechschmidt bezüglich Verbraucherschutz

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Thomas Blechschmidt
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Frage von Sebastian W. •

Frage an Thomas Blechschmidt von Sebastian W. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Blechschmidt,

Wenn sie gewählt werden (und bevor "echte" Volksentscheide kommen werden), und es käme dann zu einer Abstimmung, im Europaparlament, über ein mögliches Paintball-Verbot auf EU-Ebene, wie würden sie persönlich abstimmen?

Und woher wissen Sie, bei einer solchen (oder anderen) Abstimmungen, dass sie im Namen der Mehrheit des Volkes entscheiden (weil direkte Volksentscheide ja nicht unmittelbar nach Ihrer Wahl möglich sein werden)?

Viele Grüße,

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Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr Wieseler,

Da stellen Sie mir eine sehr interessante Frage. Ich freue mich sehr darüber. Vor allem deshalb, weil Sie damit ein Dilemma unserer Strategie als Wählervereinigung aufzeigen, das wir im Zuge des Europawahlkampfs nicht ohne weiteres lösen können.

Wir haben als Wählervereinigung kein spezifisches, uferloses Programm, das ich als Beurteilungsgrundlage zur Beantwortung dieser Frage heranziehen könnte. Viele bemängeln das und wir können den Nachteil dieses fehlenden Programms bei der Europawahl nur sehr schwer ausgleichen. Bei der Bundestagswahl im September wird das unseren Kandidaten sehr viel leichter fallen, da wir mit unserem Sachthema ausschließlich um die Erststimmen antreten, mit denen die Bürger dann bei dieser Wahl zum zweiten Mal (nach der Europawahl) in der Geschichte der Bundesrepublik ein direktes Zeichen setzen können.

So viel zur gedanklichen Vorgeschichte meiner Antwort. Ich möchte Ihnen verdeutlichen, dass ich mir über meine Handlungsweise und Entscheidungsprozesse so sorgfältig wie möglich eigene Gedanken mache.

Zurück zu Ihrer Frage und Ihrer berechtigten zweiten Frage: Ich weiß natürlich nicht, was die Mehrheit der Bürger gerne will, eben weil es keine Möglichkeit zu Volksentscheiden gibt. Die Befragung einzelner Personen, die manifestes Interesse haben könnten, oder die Daten von demoskopischen Umfragen erscheinen mir zu unzuverlässig - vor allem angesichts der bei den letzten Wahlen zu Tage getretenen Irrtümer in den Vorhersagen. Deshalb bleibt mir nur ein bewährtes Mittel: Der Rückgriff auf Grundrechte, die in unserem Verfassungsprovisorium, dem Grundgesetz, verankert und geschützt sind. Dort besteht nach Artikel 2 allgemeine Handlungsfreiheit. Dieser Artikel genügt mir allein schon für eine Entscheidung. Durch Paintballspiele wird niemand verletzt. Die Akteure wirken freiwillig mit. Berufe ich mich darauf, dass Paintballpsiele durch die Gewöhnung an den Umgang mit Waffen die Gewaltschwelle heruntersetzen, das Aggressionspotential schüren und die Entwicklung speziell junger Menschen zu potentiellen Gewältätern fördern, dann muss ich konsequenter Weise die Frage stellen:

Wie wirken sich Schneeballschlachten und Tannenzapfenschlachten (sehr gefährlich!) auf Kinder und Jugendliche aus? Wie wirken TV-Übertragungen von Boxkämpfen? Wie verhält es sich mit Formel 1 Rennen, der Huldigung an die Geschwindigkeit schlecht hin? Wie wirken Nichtraucherschutzgesetze, die die Raucher zwingen, ihrem ungesunden Laster in aller Öffentlichkeit nachzugehen und damit ein schlechtes Vorbild vor allem für Kinder und Jugendliche zu sein? Ich selbst wurde an einem Sonntag Vormittag vor Jahren nach einem vom TV übertragenen Boxkampf zwischen Holyfield und Tyson von zwei Betrunkenen angegriffen, die die ganze Nacht und die Übertragung des Events dazu nutzten sich gemeinschaftlich der Eliminierung mehrer Lagen Whisky-Cola und Warsteiner Bier zu widmen. Der wegen Ohrbiss abgebrochene Kampf war offenbar so unbefriedigend, dass sie unbedignt noch jemanden am Boden liegen sehen wollten. Soll ich der Übertragung des Boxkampfs die Schuld geben und das Verbot von Boxkämpfen oder der Übertragungen fordern? Was haben dann Boxkämpfe vor allem im öffentlich-rechtlichen TV zu suchen? Kann ich den Veranstalter oder die Sendeanstalt jetzt auf Schmerzensgeld verklagen und zu Sicherung meiner Ansprüche die GEZ-Gebühren einbehalten?

Ich halte ein Verbot von Paintballspielen für Augenwischerei und absolut nicht zielführend. Das bringt nichts, ausser dass wir eine, wenn auch kleine, aber dennoch neue Event-Reise-Gemeinde erschaffen, die dann zum Paint-Ball Kurztrip übers Wochenende nach Serbien, Montenegro, in die Türkei oder in sonst ein Nahziel ausserhalb der EU fliegen wird. Wir haben uns zu sehr daran gewöhnt, die Symptome abzuschneiden und Verantwortung immer schön an die Politik zu delegieren, statt uns selbst mit den Themen auseinanderzusetzen. Junge Menschen haben es zunehmend schwerer, ihre eigene Gefühlswelt kennen zu lernen und damit umzugehen, da sie nur noch in der materiellen und verstandesorientierten Welt gefordert und gefördert werden. Schulen und Ausbildungsplätze leisten vieles, aber es fehlt auch wesentliches.

Dazu noch eine Anekdote von gestern, 16.05.09: Nach dem Spiel des VFL Wolfsburg gegen Hannover 96 wurde der Torjäger Graffite zum Interview gebeten und er fragte die Reporterin sogleich, wie es ihr geht. Das ist eine in südlichen und angelsächsischen Ländern übliche Art Begrüßung. In Deutschland hat das kaum eine Entsprechung. Dazu sind wir zu reserviert. Die Gefühle anderer gehen uns nichts an. Deshalb war die Reporterin auch vollkommen überrascht. Damit hatte sie nicht gerechnet.

Wir sollten daran arbeiten, diesem wichtigen Teil unseres Lebens wieder mehr Beachtung zu schenken. Paintballspiele ermöglichen manchen Leuten, einen bestimmten Teil ihrer Gefühlswelt auszuleben. Meine Stimme für ein Verbot wird es nicht geben, solange es keine Möglichkeit zu Volksentscheiden gibt.

Aber meine Stime würde die Verpflichtung zu fachlicher Betreuung der Spieler erhalten. Ein simples Gespräch mit einem Psychologen über die eigenen Gefühle während und nach dem Spiel ist zielführender als ein Verbot. Irgendwo muss das emotionale Potential ja hin. Ich kann durchaus verstehen, wenn solche Spiele Spass machen, wenngleich ich noch nie gespielt habe. Aber ich konnte in meiner Kindheit und Jugend auch eine Menge Schneebälle verfeuern und da einiges erleben.

Mit demokratischen Grüßen

Thomas Blechschmidt