Frage an Thomas Röver bezüglich Energie

Thomas Röver
DIE LINKE
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Frage von Aidar K. •

Frage an Thomas Röver von Aidar K. bezüglich Energie

Sehr geehrter Herr Röver,
ich habe der Atomkraft gegenüber eine neutrale Meinung, weil ich in der Umlagerung des Energiegewinns in erneuerbare Energie ebenso eine Problematik sehe:
Ziel dieser Umlagerung sei der Schutz der Umwelt, jeddoch ist es doch so, dass beispielsweise Windräder massenhaft in der Umwelt stehen und sich bald in das Bild der Umwelt in Deutschlandweit etabliert haben werden. Kann dann noch von Natur die Rede sein;
Natur die man mit dieser Methode schützen will.
Zudem sind diese teuer, rel. unproduktiv und erst rentieren sich erst nach jahrzehnten.

1.Wieso sind diese ihrer Meinung nach trotzdem vorteilhaft? (Bitte argumentieren Sie ohne die erneut Atomkraft zu kritisieren)

2.Wo würden sie in unserer Region weitere Windräder aufstellen, ohne Bürgerbegehren aufgrund des Landschaftsbildes zu riskieren?

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Khabipov,

das Problem der Verschandelung der Landschaft durch Windkrafträder ist ein Problem. Ich wäre froh, wenn die anderen Probleme, über die wir zu reden haben, auch nur annähernd so wenig Überlebens-notwendig wären...

Lassen Sie mich einige Vorbemerkungen machen.

Energieerzeugung aus fossilen Energieträgern - Öl, Gas, Kohle, Uran - ist ein Auslaufmodell. Einmal, weil die fossilen Energieträger definitiv endlich sind. Und zwar innerhalb der nächsten 100 Jahre, wenn nicht ganz drastisch Energie eingespart wird - was bei wachsender Weltbevölkerung sehr schwer sein wird. Und zweitens, weil weder Atomenergie sicher beherrschbar ist (und auch höchstens 2 - 4 % der Weltenergiebedarfs jemals wird decken können) noch die durch die fossilen Energien erzeugten Klimaveränderungen auch nur annähernd beherrschbar sein werden. Fossile Energien werden knapp, sind in Deutschland in viel zu geringem Umfang verfügbar, werden teuer, sind jetzt schon und werden in Zukunft Ursache von nicht lösbaren kriegerischen Auseinandersetzungen, insbesondere im Nahen und Mittleren Osten. Wer die grundlegende Abhängigkeit unserer Wirtschaft, unseres Wohlstandsmodells und unserer gesamten westlichen Zivilisation von "Energieverbrauch" verneint, hat nichts begriffen. Und wer in diesem Bereich noch auf Energien setzt, die in wenigen Generationen zu Ende sind und bis dahin unseren Planeten in ein Treibhaus verwandeln werden, ist blind - oder hat ein starkes ökonomisches Interesse daran, dass die Menschen keine Alternativen denken sollen...

Zur Wirtschaftlichkeit regenerativer Energien:
Ich stelle erstens Ihre Aussage in Frage, dass Windenergie teuer und unwirtschaftlich ist. Die Subventionen der Atomindustrie gehen in die Zig-Milliarden - wir reden gerade wieder über 3 Mrd € allein für die ASSE-Sanierung. Kein einziges Gramm Uran ist bisher endgültig und sicher eingelagert worden. Ein guter Teil "unseres" Atommülls lagert im Ausland, ein Teil wurde sogar gegen Bezahlung (!) seitens der Steuerzahler in die ASSE eingelagert. Die AKW´s laufen praktisch ohne Versicherung. Etc pp. In ähnlicher Weise werden bei den Kosten der fossilen Energien die "externen" Schäden komplett vernachlässigt - vom Waldsterben über Sturmschäden, Überschwemmungen und Ver-Wüstungen. Alle diese Kosten zahlen die einfachen Menschen, direkt oder indirekt über Steuern, nie aber die Verursacher der Schäden. Nie werden diese Kosten auf den Energiepreis verrechnet. Wind- Sonnen und Wasserenergien verursachen hingegen nur sehr geringe "externe" Schäden.

Und zweitens ist ja klar, dass wir über "Markteinführungsstrategien" reden. Klar ist, dass mit den relativ hohen Kosten, die wir hier in Deutschland für regenerative Energien zahlen, wir auch unsere Solar- und Windanlagenbauer fördern. Deutschland ist hier Spitzentechnologie- und -exportland! Klar ist, nach obiger Vorbemerkung: spätestens in 100 Jahren werden wir eine zu 90 oder 100% regenerative Energiewirtschaft haben (müssen) - weil einfach das Öl und das Gas verbraucht sein werden und Kohle, als Klimakiller Nr 1 und hauptsächlich noch in China vorkommend, mit Sicherheit nicht das Rückgrat der Energieversorgung bilden kann. Also müssen wir schnellstmöglich in den Zustand kommen - in Forschung und Entwicklung, im Aufbau von Produktionsstätten, im Ausbau der Energienetze und der Speicherkapazitäten, in der Umstellung der Treibstoffe des Straßen-, Schiff- und Flugverkehrs, aber auch in den Bereichen Energieeffizienz Allgemein oder Gebäudesanierung - dass wir in diesen Wirtschaftssegmenten so schnell so weit sind, dass dieser erforderliche, unausweichliche Wandel ohne soziale Verwerfungen, ohne Zusammenbruch weiter Teile der Maschinenbau- und der chemischen Industrien, ohne bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen um die verbleibenden fossilen Energien geschafft wird - und noch so rechtzeitig, dass die globale Erwärmung auf ca. 2K begrenzt werden kann.

Unter diesen Aspekten, d.h. unter den Aspekten der Mitbetrachtung von auch zukünftigen Folgekosten, können Sie sicher sein, dass Windstrom absolut konkurrenzfähig mit konventionellen Energieerzeugern ist. Die Stern-Studie zeigte z.B. das die Kosten des Klimawandels in Zukunft etwa 15- 20 % des global möglichen Bruttosozialproduktes aufzehren könnten.

Der zukünftige Zubau im Bereich der Windkraft geht übrigens vor allem in den weniger "störenden" Offshore-Bereichen (im Meer) sowie durch das Up-Graden vorhandener Anlagen. Denn moderne Anlage geben, bei nur unwesentlich größerer Rotorhöhe, ein vielfaches an Energie als ältere Anlagen, daher "dünnt" man die alten Windkraftanlagen aus, ersetzt diese durch weniger, ruhiger laufende Neuanlagen und schont so, bei höherem Ertrag, Augen und Ohren. Und regenerative Energien heißt nicht nur Windkrafträder. Solarenergie, kleine Wasserkraft, Geothermie, (um nur drei Beispiele zu nennen) haben teilweise ähnliche Potentiale, sind deutlich weniger störend, sind aber leider noch nicht so stark wie die Windkraft ausgebaut.

Zu Ihrer Frage der Vorzugsgebiete für neuen Windkraftfelder in unserer Region. Ich kann Ihnen diese Frage nicht beantworten. Das liegt einfach daran, dass es Aufgabe einer verantwortungsvollen Regionalplanung gewesen WÄRE, (und natürlich, auch jetzt noch ist), zunächst ein regionales Energiekonzept zu erstellen. In einem solchen Konzept sollte, ausgehenden vom Ziel einer größtmöglichen Eigen-Energieversorgung der Region, die Heutigen Energieverbraucher, die möglicherweise in Zukunft sich ergebenden Einsparmöglichkeiten durch Energieeffizienz und intelligentere Arbeitsorganisation und die regional vorhandenen Energieerzeugungs-Potentiale abgeschätzt werden. Anschließend erst könnten und sollten diejenigen Flächen mit hohem Windaufkommen und zugleich geringer Landschafts- und Anwohnerbelastung identifiziert werden. Unserer Auffassung nach sollten übrigens möglichst auch die BürgerInnen der Region (bzw. kommunale EVU´s) Bauherren/Betreiber neuer Windkraftanlagen werden, so dass die erzielten Gewinne (und teilw. auch Arbeitsplätze) der Kommune zugute kommen. Ich denke, unter diesen Voraussetzung können in offenen Diskussionsprozessen, mit oder ohne Bürgerbegehren, die notwendigen Flächen gefunden werden.

Abschließend drei Bemerkungen:
1. Heute fand in BS eine zukunftsweisende Konferenz statt, organisiert von DGB SON, in der genau diese Problematik ausführlich erörtert wurde. Unter den anwesenden prominenten Politikern und Wissenschaftlern wurde etwa in gleicher Richtung diskutiert. Eine Energiewende ist einfach ÜBERLEBENSNOTWENDIG.
2. Auf meiner HP "roeverstattrummmerkeln.de" ist ein Artikel von Götz Brand (Ist die Menschheit noch zu retten) und ein Artikel von mir (Die Krise: Enteignung der Völker) zu diesem Themenkomplex. Ruhig mal reinschauen
3. Und in Richtung meiner eher neoliberal oder rummerkelnd eingestellten Mitbewerber empfehle ich, mal dieses Thema unter dem Oberbegriff "Generationengerechtigkeit" zu diskutieren. Welche Erde hinterlassen wir unseren Kindern? (Aber derart elementare Fragen werden hier eher nicht diskutiert, weil s.o. ".... oder hat ein starkes ökonomisches Interesse daran, dass die Menschen keine Alternativen denken sollen...")
4. Veranstaltungshinweis: 17.9.; 19.oo Uhr, brunsviga. Podiumsdiskussion zum Thema: Atom - Energie mit Zukunft? Alle DirektkandidatInnen kommen wohl, außer C. Müller, der hat Wichtigeres vor.

JA, das war jetzt recht lang, und das Thema Atom ließ sich auch nicht vermeiden. Ich finde aber, dass Ihre Frage das auch so verdient hat.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Röver