Frage an Ulrich Kelber bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Portrait von Ulrich Kelber
Ulrich Kelber
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Ulrich Kelber zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Marcus Z. •

Frage an Ulrich Kelber von Marcus Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kelber,

in den Nachrichten liest man, dass ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) beschlossen werden soll. Vielleicht würden sie folgende Fragen beantworten, um Ihren Standpunkt darzulegen:

- Was ist die Vorratsdatenspeicherung?
- Werden auch Daten von Ihnen gespeichert werden?
- Falls nein, warum nicht? Wie kann dies verhindert werden, ohne eine Liste aller "Geheimnisträger" zu führen?
- Was sind die Hauptgründe, aus denen Gerichte (z.B. Bundesverfassungsgericht 2010, EUGH 2014) die VDS sinngemäß für unzulässig erklärt haben?
- Was ist die "Überwachungs-Gesamtrechnung"?
- Ist Anonymität wichtig für Demokratie? Falls ja, warum?

In den Nachrichten wird häufig über erfolgreichen Angriffen auf IT Systeme berichtet: 2014 gab es den "Sony Hack" und die "Heartbleed"-Lücke, die letzten Tage "Cyberangriff auf den Bundestag" und "Logjam". Die Vorratsdaten sollen direkt bei den Telekommunikationsanbietern gespeichert werden:
- Wieso sollen die Daten dort sicher sein?
- Wer haftet, wenn die Daten in die falschen Hände geraten?
- Was ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung?
- Was ist Datensparsamkeit und Datenvermeidung?

Sie bezeichnen sich als "gläsernen Abgeordneten" auf Ihrer Internetseite http://www.ulrich-kelber.de/ und geben bereits viele Daten von sich Preis. Auf http://www.zeit.de/datenschutz/malte-spitz-vorratsdaten gibt es einen Artikel zum Thema Vorratsdaten: "Sechs Monate seiner Vorratsdaten hat der Grünenpolitiker Malte Spitz von der Telekom eingeklagt". Mit diesen Daten wird visualisiert, wo er sich zu welchem Zeitpunkt aufgehalten hat, wie viele Telefonate er geführt und wie lange diese dauerten, und viele SMS er gesendet oder empfangen hat.

Für den Fall, dass neue Gesetz zur VDS in Kraft tritt:
- Würden Sie sich bereit erklären, Ihre Daten in ähnlicher Form regelmäßig auf Ihrer Webseite veröffentlichen?
- Würden Sie die Daten falls notwendig versuchen "einzuklagen"?

Mit freundlichen Grüßen,
Marcus Zimmermann

Portrait von Ulrich Kelber
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Zimmermann,

vielen Dank für Ihre Fragen zur Vorratsdatenspeicherung. Ich will mich bemühen, sie alle zu beantworten, wenn auch aus Zeit- und Platzgründen kurz.
- Unter Vorratsdatenspeicherung versteht man die Speicherung von Telekommunikationsdaten für einen bestimmten Zeitraum und zur eventuellen Auswertung im Zusammenhang mit (schweren) Straftaten.
- Ja, auch meine Daten werden gespeichert, da ich derzeit zu der Gruppe der Berufsgeheimnisträger gehöre, dürfen sie aber nicht ausgewertet werden.
- Weder das Bundesverfassungsgericht noch der EUGH haben die Vorratsdatenspeicherung generell für verfassungswidrig bzw. grundrechtewidrig erklärt, sondern deren Umsetzung durch das Gesetz von 2007 (gegen das ich gestimmt habe) und die EU-Richtlinie 2006/24/EG. Der wesentliche Ablehnungsgrund für das EUGH war: "Die Richtlinie beinhaltet einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige beschränkt". Das Bundesverfassungsgericht hielt in seinem Urteil fest, dass es nicht die Vorratsdatenspeicherung generell für verfassungswidrig halte, sondern die konkrete Ausgestaltung im Gesetz. "Jedoch entsprechen die Regelungen zur Datensicherheit, zu den Zwecken und zur Transparenz der Datenverwendung sowie zum Rechtsschutz nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Damit fehlt es an einer dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden Ausgestaltung der Regelung insgesamt."
- Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil außerdem deutlich gemacht, "dass die Rechtfertigung der Maßnahme davon abhängig ist, dass gewährleistet wird, dass alle Überwachungsmaßnahmen zusammen keine Totalüberwachung der Bürger ermöglichen". Es hat also deutlich gemacht, dass die "Überwachungs-Gesamtrechnung" für die Bürgerinnen und Bürger bei einer solchen Gesetzgebung überprüft werden müsse. Sowohl die einzelnen Maßnahmen für sich genommen müssen demnach verhältnismäßig sein als auch die Verhältnismäßigkeit der Gesamtbelastung.
- Die Frage der Anonymität ist von den Umständen, dem Lebensbereich und dem eigenen Empfinden abhängig, ist aber in der Tat wichtig.
- Die Telekommunikationsunternehmen speichern ja auch heute bereits eine Reihe von Kommunikations- und Kundendaten. Auch diese müssen sie so sicher wie möglich speichern, der Gesetzentwurf sieht zusätzlich neue, schärfere Sicherheitsvorgaben vor.
- Wer haftet, wenn Daten in falsche Hände geraten ist wie heute schon abhängig davon, wie der "Falsche" an die Daten gekommen ist. Außerdem soll der Straftatbestand der Datenhehlerei neu eingeführt werden.
- Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen. Es ist durch die EU-Grundrechtecharta geschützt und laut Bundesverfassungsgericht ein Grundrecht, auch wenn es nicht ausdrücklich im Grundgesetz steht.
- Datensparsamkeit und Datenvermeidung sind Grundsätze des Datenschutzes (s. § 3 Bundesdatenschutzgesetz), die besagen, dass grundsätzlich nur so viele personenbezogene Daten gesammelt und gespeichert werden, wie für die jeweilige Nutzung notwendig sind.

Und die beiden letzten Fragen beantworte ich jeweils mit "nein", denn auch Ihre Daten werden ja nicht veröffentlicht, sondern dürfen nur beim Verdacht auf schwere Straftaten und mit richterlicher Genehmigung eingesehen. In der Regel müssten Sie dazu auch vorher(!) angehört werden.

Mit freundlichem Gruß
Ulrich Kelber