Frage an Ulrich Schneider bezüglich Innere Sicherheit

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Ulrich Schneider
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Frage an Ulrich Schneider von Christoph K. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Schneider,

In Artikel 102 unseres Grundgesetzes steht: "Die Todesstrafe ist abgeschafft."

Staatsrechtler Schachtschneider und andere vertreten allerdings die Ansicht, dass der Vertrag von Lissabon die Wiedereinführung der Todesstrafe oder das Töten von Menschen (z.B. bei Unruhen) ermöglicht. Auch die Grundrechte Charta und die Erklärungen dazu würde dem nicht entgegen wirken. Unter anderem deswegen wurde Verfassungsklage eingereicht. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom Juni zum Lissabonvertrag (Begleitgesetze) hat dazu, soweit ich es versteh, keine Stellung genommen.
Sie werden verstehen, dass mich dies sehr beunruhigt. Ich bin leider weder EU-Experte noch Jurist um die Fragestellung selbst zu beantworten.

Sind die von Herrn Schachtschneider aufgeworfenen Argumente / Punkte eindeutig widerlegt oder ist die Frage noch strittig? Gilt definitiv und unübersteuerbar der Satz in unserem Grundgesetz auch weiterhin „Die Todesstrafe ist abgeschafft“ und darf jetzt und in Zukunft auch weiterhin nicht getötet werden, auch nicht bei Demonstrationen / Unruhen?

Mit freundlichen Grüßen,
Christoph Köble

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Köble,

herzlichen Dank für Ihre Frage. Ich nehme Ihre Fragen und Befürchtungen zum Reformvertrag von Lissabon sehr ernst.

Ihre Auffassung, dass die Todesstrafe in Deutschland wieder eingeführt werden kann, bezieht sich auf Artikel 2 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte. Sie ist zwar nicht unmittelbar Bestandteil des Reformvertrages, jedoch erklärt die EU im Reformvertrag den Beitritt zu dieser Konvention.

Es ist jedoch keinesfalls so, dass die Menschenrechtskonvention die Bestimmungen außer Kraft setzt, die ebenfalls im Reformvertrag oder in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgelegt werden. In Artikel 6, Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union ist zu lesen: Der Beitritt zur Menschenrechtskonvention "...ändert nicht die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union." Dies wird noch einmal im Protokoll Nr. 8 des Reformvertrages bekräftigt. So steht die Charta der Grundrechte, die fester Bestandteil des Reformvertrages ist, über der Konvention, die eben nicht Bestandteil des Reformvertrages ist.

Mit der Charta der Grundrechte wird die Todesstrafe sogar explizit abgeschafft und ein Recht auf Leben garantiert. So ist dort zu lesen:

"(1) Jeder Mensch hat das Recht auf Leben.

(2) Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden."

(die Charta der Grundrechte finden Sie hier: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2004:310:0041:0054:DE:PDF )

Weiterhin werden weder durch den Beitritt der EU zur Konvention, noch durch die Ratifizierung des Reformvertrages das Grundgesetz außer Kraft gesetzt. Kein Bundesminister kann hinter die dort festgelegten Bestimmungen zurückfallen. Es ist also barer Unsinn, dass beispielsweise Demonstranten bei Unruhen einfach so erschossen werden dürfen, ist und bleibt doch das Demonstrationsrecht Bestandteil des Grundgesetzes, das im Artikel 8 des Grundgesetzes verankert ist und in Deutschland einen besonders hohen Schutz genießt. Es wird auch nach in Kraft treten des Reformvertrages seinen Stellenwert behalten wird.

Insgesamt sehe ich durch den Reformvertrag weitaus mehr Vor- als Nachteile und befürworte diesen.

Mit freundlichen Grüßen,

Ulrich Schneider