Frage an Ulrich Stockmann bezüglich Verbraucherschutz

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Ulrich Stockmann
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Frage von Bettina S. •

Frage an Ulrich Stockmann von Bettina S. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Stockmann,

mich würde interessieren, wie Sie bei der heutigen Abstimmung zum Internet abgestimmt haben und Ihre Meinung dazu wissen.
Meiner Meinung nach würde durch diese Einschränkungen ein finanzieller Markt der Internetbetreiber entstehen und durch einen Preiskampf vielen Internetnutzern der Zugang aus finanziellen Gründen verwehrt werden. Und einige können sich wieder auf Kosten anderer finanziell bereichern.
Bettina Sorge
60 Jahre alt

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SPD

Sehr geehrte Frau Sorge,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Das so genannte "Telekom-Paket" bezieht sich auf vier Berichte, die eine Reform des EU-Rechtsrahmens für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste bewirken. Es enthält zahlreiche neue Maßnahmen für den Telekommunikations- und Internetsektor, die in der Europäischen Union einen angepassten Rechtsrahmen schaffen werden.

Um das Paket noch in dieser Legislatur zu verabschieden, hatte das Europäische Parlament im Rahmen der zweiten Lesung 2009 mit Rat und Kommission im Rahmen eines Vermittlungsverfahrens einen Kompromiss verhandelt. Die Abstimmung fand am 6. Mai 2009 statt, allerdings konnte das Paket nicht angenommen werden, weil die Mehrheit von uns Abgeordneten dem Kompromiss zum Thema Internetsperren (siehe unten) nicht zustimmen wollte.

Ein weiteres umstrittenes Thema betrifft die Netzneutralität. Der ursprüngliche Entwurf sah vor, dass Internet-Provider zwar im Rahmen eines Traffic-Managements zwischen verschiedenen Datenübermittlungen wie etwa Voice-over-IP oder Peer-to-Peer-Kommunikation unterscheiden dürfen. Doch sie müssen einen Mindeststandard für die Qualität ihres Dienstes einhalten, der von den Regulierungsbehörden festgelegt werden soll. Damit sollte die Netzneutralität in der Europäischen Union gefördert werden. Der gefundene Kompromiss wurde in der Abstimmung am 6. Mai angenommen, allerdings wird das Thema der Netzneutralität auf der politischen Tagesordnung verbleiben, da europaweit nicht geklärt ist, wie weit die Provider Dienste begrenzen dürfen. Die jetzt gefundene Regelung kann zu europaweit uneinheitlichen Beschränkungen führen, was die Marktentwicklung erheblich behindern kann.

Das "Telekom-Paket" enthält außerdem Regelungen, die Investitionen in neue schnelle Netzwerke unterstützen. Es erlaubt Betreibern, entsprechend ihrem Investitionsrisiko Gewinne zu erzielen. Gleichzeitig betont es jedoch die Notwendigkeit eines effizienten Wettbewerbs. Dies genügt jedoch noch nicht, um die Lücken in der Breitbandversorgung zu schließen.

Mit dem "Telekom-Paket" werden auch viele neue Verbraucherrechte eingeführt. Dazu gehören etwa eine Vertragsbegrenzung auf nur ein Jahr, die Mitnahme der eigenen Telefonnummer beim Wechsel des Anbieters innerhalb von 24 Stunden sowie eine verpflichtende Benutzerfreundlichkeit bei Behinderungen.

Nur wenn der Rat in seiner Sitzung am 12. Juni 2009 den vorliegenden Vorschlag mit den Internetsperren annimmt, kann das gesamte Paket verabschiedet werden. Dies ist eher unwahrscheinlich und es ist deshalb davon auszugehen, dass sich das neue Parlament nach den Europawahlen am 7. Juni 2009 wieder mit dem Vorhaben befassen wird.

Sperrung von Internetinhalten

Wir Parlamentarier des Europäischen Parlaments entschieden am 6. Mai 2009 mit großer Mehrheit für einen von mehreren Fraktionen eingereichten Änderungsantrag, der verlangt, dass ein Gericht vor einer Beschränkung oder Sperrung des Internetzugangs entscheiden muss. Außerdem soll die Charta der Grundrechte der Europäischen Union zur Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit (1950 durch die Mitgliedsstaaten des Europäischen Rats ratifiziert) eingehalten werden. Der ursprüngliche Kompromissvorschlag, der in einem vorgezogenen Vermittlungsverfahren im Rahmen der II. Lesung verhandelt worden war, hatte nicht ausdrücklich einen Gerichtsbeschluss vor einem Eingriff verlangt. Das Europäische Parlament hat sich damit eindeutig gegen die Politik der Internetsperren des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy ausgesprochen.

Es ist wichtig, zu wissen, dass das Thema des Inhaltezugangs ursprünglich nicht im "Telekom-Paket" vorgesehen war und nur über Änderungsanträge eingebracht wurde. Damit wurde es ohne die eigentlich hierfür notwendigen Konsultationen behandelt. Der vom Parlament verabschiedete Artikel enthält immer noch einige juristische unklare Formulierungen. So sorgt etwa der Bezug auf die Grundrechtecharta dafür, dass das Rechtsniveau, das in vielen Mitgliedstaaten höher liegt als in der Charta, unterschritten werden könnte. Außerdem wird die Charta erst mit der Ratifizierung des Lissabon-Vertrags in allen Mitgliedstaaten rechtsverbindlich. Wichtig ist aber die Absicht: Keine Internetsperren ohne richterlichen Beschluss! Da dieser Tatbestand nun im Rahmen eines formalen Vermittlungsverfahrens weiter verhandelt werden muss, ist davon auszugehen, dass die endgültige Rechtsformulierung vernünftiger sein wird, als die ursprünglich geplante

Mit freundlichen Grüßen

Ulrich Stockmann