Frage an Uta Zapf bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Uta Zapf
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Frage von Markus R. •

Frage an Uta Zapf von Markus R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Zapf,

ich kann nur mein blankes Entsetzen darüber ausdrücken, was derzeit abgesegnet wird.
Die Gesetzesentwürfe zu Vorratsdatenspeicherung, zum Abnehmen von Fingerabdrücken in Reisepässe und RFID, zu Flugdatenweitergabe und Onlinedurchsuchung sowie einer Bundesabhörbehörde sind einfach nur hochgradig verfassungswidrig.

Das Sammeln von Daten auf Vorrat verstößt gegen das Grundgesetz. Ebenso die erkennungsdienstliche Behandlung von Bürgern (Biometrie).
Selbst wenn nur die Verbindungsdaten und nicht der Inhalt gespeichert würden, wird damit der Informantenschutz nachhaltig vernichtet.
Und warum werden diese Daten 52 fremden Staaten und deren Polizei, Geheimdiensten und Behörden offengelegt?

Die derzeitige Beratungsresistenz der Regierung ist unfaßbar.

Es hat noch nicht einen Terrortoten in Deutschland in den letzten Jahren gegeben - aber wie viele wurden in der nahen Vergangenheit überall auf der Welt durch oppressive Staatsgewalt umgebracht?
Es scheint als hätte die Politik aus der Geschichte nichts gelernt.

mit großen Bedenken

Markus Reiter

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Reiter,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 15. November 2007. Sie sprechen darin verschiedene Themen an, zu denen ich gerne Stellung nehmen möchte.

Vorratsdatenspeicherung:
Die Novelle zum Telekommunikationsüberwachungsrecht, die der Deutsche Bundestag am 9. November beschlossen hat, setzt die EU-Richtlinie zur sog. „Vorratsdatenspeicherung“ in deutsches Recht um. Da die aktuellen Regelungen mit diesem Jahr enden, musste eine neue Gesetzesgrundlage zum 1. Januar 2008 verabschiedet sein. Ziel der Novelle ist es, die verfassungsrechtlich gebotene effektive Strafverfolgung so grundrechtsschonend wie möglich zu gewährleisten.

Inhalt der Novelle ist es, dass Telekommunikationsunternehmen Verbindungsdaten entsprechend der EU-Richtlinie sechs Monate speichern müssen; schon nach geltendem Recht geschieht dies bisher bereits aus geschäftlichen Gründen für eine Dauer von drei bis sechs Monaten.

Zu den Telekommunikationsverbindungsdaten gehören neben Telefonverbindungen auch solche Verbindungsdaten, die bei der Kommunikation über das Internet anfallen. Diese müssen nach der EU-Richtlinie künftig ebenfalls gespeichert werden. Auch in diesem Bereich werden nur Daten über den Internetzugang und die E-Mail-Kommunikation gespeichert. Dabei speichert das Telekommunikationsunternehmen lediglich, dass eine bestimmte Internetprotokoll- Adresse (IP) zu einem bestimmten Zeitpunkt online war, nicht dagegen, welche Seiten besucht wurden oder welchen Inhalt eine E-Mail hat; gleiches gilt auch bei der Internettelefonie. Neu hinzu kommt nur, dass bei der Mobilfunktelefonie auch der Standort (angewählte Funkzelle) bei Beginn der Mobilfunkverbindung gespeichert wird.

Auch weiterhin werden die Verbindungsdaten nur bei den Unternehmen gespeichert. Ein Zugriff ist für Polizei und Staatsanwaltschaft nur auf richterlichen Beschluss möglich. In diesem legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln darf.

Der deutschen Regierung ist es auf europäischer Ebene gelungen, die „Vorratsdatenspeicherung“ auf das zu reduzieren, was zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität tatsächlich erforderlich und angemessen ist. Dabei hatten die Initiatoren der „Vorratsdatenspeicherung“ auf EU-Ebene mit den anfänglichen Entwürfen weitergehendes vorgesehen: So sollte die Mindestspeicherfrist zwölf Monate betragen. Durch lange und intensive Verhandlung ist erreicht worden, dass es jetzt nur noch sechs Monate sind. In der Praxis bedeutet das, dass die Unternehmen, die die relevanten Daten heute bereits für erhebliche Zeiträume zu geschäftlichen Zwecken aufbewahren, keine wesentlich längeren Speicherungen vornehmen müssen als bisher.

Online-Durchsuchung:
Ebenfalls diskutiert und oftmals mit der Novelle verwechselt wird die Maßnahme zur Online-Überwachung, die das inhaltliche Ausspähen von Daten auf PCs unter bestimmten Bedingungen erlauben soll. Dies lehnt die SPD ab.

Damit einhergehend bestehen Überlegungen im Bundesinnenministerium, dass das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Bundespolizei ihre Zuständigkeiten bei der Überwachung von Telefongesprächen beim Bundesverwaltungsamt zusammenführen sollen. Dies widerspricht allerdings der gebotenen Trennung von Polizei und Geheimdiensten und wird daher von der SPD abgelehnt.

Fingerabdrücke in Reisepässen:
Biometrische Daten, die im Zusammenhang mit dem neuen Reisepass erhoben werden (Bild und Fingerabdrücke) dienen allein der gesicherten Identifikation des Passinhabers. Eine dauerhafte Speicherung der Fingerabdrücke lehnt die SPD ab. Dies gilt im Übrigen auch für die Ausgabe neuer Personalausweise.

Flugdatenweitergabe:
Die Vereinigten Staaten von Amerika verschärfen im Zuge ihres Kampfes gegen den internationalen Terror ihre Einreisebeschränkungen. Um auch zukünftig problemlos aus der EU in die USA einreisen zu können, hat sich die EU mit den USA auf ein Abkommen verständigt, bestimmte Passagierdaten wie Name, Buchungsdatum, Gepäckinformation oder Sitzplatz an das US-Heimatschutzministerium zu übertragen. Danach wird sich unter anderem zum 1. Januar 2008 das Übermittlungsverfahren ändern: Während das DHS bislang im so genannten Pull-Verfahren – im automatisierten Abrufverfahren – selbst auf die Daten zugreift, werden die Fluggesellschaften künftig die Daten von sich aus übermitteln (Push-Verfahren). Sensible Daten wie etwa Rasse, Religion oder Daten über die Gesundheit werden – falls überhaupt vorhanden – herausgefiltert und umgehend gelöscht.

Die SPD-Bundestagsfraktion nimmt sowohl ihre Verantwortung für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung als auch ihre Verpflichtung für Bürgerrechte ernst. Sie hat ihren Vorbehalt gegen die EU-Regelung zur „Vorratsdatenspeicherung“ erst aufgegeben, nachdem die Bundesregierung in Brüssel einen zufriedenstellenden Kompromiss erzielt hat, dem letztlich auch das Europäische Parlament zustimmte. Die aktuellen Vorschläge zur Online-Durchsuchung werden in dieser Form von der SPD abgelehnt. Und bei dem ausgehandelten Kompromiss zur Flugdatenweitergabe konnte Deutschland sowohl bezüglich der Speicherdauer als auch des Umfangs der übertragenen Daten eine erhebliche Reduzierung der Forderungen der US-Behörden erreichen.

Mit freundlichen Grüßen
Uta Zapf, MdB