Frage an Uwe Beckmeyer

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Uwe Beckmeyer
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Frage von Michael C. •

Frage an Uwe Beckmeyer von Michael C.

Sehr geehrter Herr Beckmeyer,

Sie haben Ihr Votum für die deutsche Kriegsbeteiligung in Syrien ja bereits begründet. Trotzdem bin ich enttäuscht von Ihrer Zustimmung, da ich diesen Krieg für illegal, unethisch, und eigentlich leicht durchschaubare Kriegstreiberei halte. Es wäre schön, wenn Sie auf die folgenden Ungereimtheiten eingehen würden.
1) die Paris-Attentäter waren Franzosen und Belgier. Weshalb wird also nun Syrien angegriffen? Ein fremdes Land anzugreifen hat auch nichts mit kollektiver Selbstverteidigung zu tun. Nach derselben Logik müsste man den Vatikan angreifen, wenn ein Christ irgendwo einen Anschlag verübt, oder uns, wenn ein Deutscher irgendwo straffällig wird. Syrien ist ein souveränes Land, welches Deutschland nicht um Hilfe ersucht hat (kein UN-Mandat). Wie können Sie das ignorieren und schönreden?
2) Frankreich hat sich in den Jahren zuvor schon länger an kriegerischen Handlungen beteiligt, sowohl im Irak, als auch in Lybien. Beide Kriege waren völkerrechtswidrig, haben die Länder ins Chaos gestürzt und insgesamt weit über 1 Million Tote gefordert! Jetzt dem IS den Krieg zu erklären, mit dem Frankreich lange vorher angefangen hat, ist schizophren und zynisch. Sehen Sie das etwa anders?
3) Die Berichterstattung in Politik, Zeitungen, und Fernsehen ist offenkundig sehr US-freundlich und russophob, obwohl die USA seit Jahrzehnten einen Angriffskrieg nach dem anderen unter erfundenem Vorwand führen, Regime nach Tageslaune stürzen, im eigenen Land Todesstrafe und Folter und Waffen für Alle haben. Deshalb empfehle ich Ihnen sehr, sich auch aus anderen Quellen zu informieren, z.B. Russia Today (rtdeutsch.com) und Sputniknews (de.sputniknews.com). Sie könnten das natürlich als russische Propaganda abtun, aber so leicht machen Sie es sich hoffentlich nicht. Denn wie zu erwarten, fragt die USA ja bereits nach einer Aufstockung des deutschen Kontingents. Ich hoffe, dass Sie sich wenigstens dagegen stellen werden.

Mit freundl. Grüßen,
Michael Conrath

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SPD

Sehr geehrter Herr Conrath,

haben Sie vielen Dank für Ihre Zuschrift.

Die Gründe für meine Zustimmung zum „Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS“ entnehmen Sie bitte meinen Antworten an Frau und Herrn Mikoteit auf dieser Plattform.

Ich stütze meine Entscheidungen grundsätzlich nicht auf Berichterstattungen in der Presse, danke Ihnen jedoch für Ihre Hinweise. Ich darf Ihnen versichern, dass ich mir die Entscheidung nicht leicht gemacht habe. Eine umfassende Information und ein Diskussionsprozess gehören zur Entscheidungsfindung dazu. Das gilt gerade dann, wenn es um den Einsatz deutscher Streitkräfte geht – in diesem Fall um den Einsatz von Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeugen sowie einer Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers.

Es war richtig, dass sich der Deutsche Bundestag im vergangenen Jahr mit großer Mehrheit für einen militärischen Einsatz gegen den IS entschieden hat. Das war keine Entscheidung gegen eine politische Lösung, sondern eine Entscheidung, die eine Verhandlungslösung nur realistisch hält. Denn eines ist klar: Der IS darf sich in Syrien nicht noch weiter ausbreiten. Nur wenn vom syrischen Territorium überhaupt etwas übrig bleibt, können wir das Land am Ende befrieden.

Doch der Konflikt mit dem IS beschränkt sich keinesfalls nur auf Syrien. Auch der Irak ist seit vielen Jahren den Angriffen des IS ausgesetzt. Im zurückliegenden Jahr ist es zum Glück gelungen, den IS aus ca. 25 Prozent seines Territoriums zu vertreiben. Dennoch: Die schwersten Aufgaben stehen noch bevor. Entscheidend für den Erfolg unserer politischen Strategie sind vor allem drei Dinge: Zum einen die Unterstützung derjenigen, die sich dem IS entgegenstellen. Die Entscheidung im letzten Jahr, die Peschmerga mit Waffen und Munition zu versorgen, war nicht ohne Risiko, aber sie war richtig. Ende November haben die Peschmerga die Stadt Sindschar – wo der IS entsetzliche Massaker an den Jesiden angerichtet hat – befreit, auch dank unserer Unterstützung. Fakt ist auch: Der Vormarsch des IS wäre nicht zu stoppen gewesen ohne die Luftschläge der Alliierten.

Zweitens wissen wir aus vergangenen Konflikten, wie wichtig es ist, in den von IS zurückeroberten Gebieten das Vertrauen der Bevölkerung wiederzugewinnen. Deshalb investieren wir in die Stabilisierung dieser Regionen, bauen Polizei, Schulen, Strom- und Wasserversorgung wieder auf. Nach der Befreiung der Stadt Tikrit konnten so auch dank deutscher Hilfe über 150.000 Menschen in ihre Häuser zurückkehren.

Das dritte Element ist das schwierigste und zugleich das wichtigste: Denn die politischen Konflikte und das Chaos, die die Ausbreitung des IS erst ermöglicht haben, sind mit militärischen Mitteln nicht zu beseitigen. Dauerhaft können wir die Bedrohung durch IS nur überwinden, wenn alle Bevölkerungsgruppen im Irak und Syrien wieder eine gemeinsame politische Perspektive haben.

Bis zu einer friedlichen Regelung wird es noch ein langer und mühsamer Weg sein, und ob er gelingt, liegt nicht allein in unserer Hand. Dafür sind die Interessenunterschiede der einzelnen Akteure zu groß. Aber die Komplexität der Lage zu beklagen, ist kein Ersatz für Politik. Und wir dürfen nicht warten, bis sich die Widersprüche und Konflikte der Region von selbst auflösen oder bis es keinen Staat und keine Strukturen mehr gibt, die wir retten könnten.

Mit freundlichen Grüßen
Uwe Beckmeyer