Frage an Waltraud Wolff bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

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Waltraud Wolff
SPD
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Frage von Werner B. •

Frage an Waltraud Wolff von Werner B. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

1.Gibt es Überlegungen über günstigere Erwerbsmöglichkeiten von Bodenreformopfern, die ihren Niederschlag im EALG und der Erwerbsverordnung finden werden?
2. Was will die SPD tun, um nicht noch mehr Geld aus den ländlichen Gebieten abzuschöpfen a) über die an BVVG und Landgesellschaften zu zahlende Pacht und b) über mögliche höhere Verkaufspreise bei Übergabe von BVVG-Flächen an die Landgesellschaften.

Mit Dank u. Gruß
Werner Bodenstein/Sachsen-Anhalt/Möckern/ OT Hohenziatz

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Antwort von
SPD

Berlin, den 7. September 2005
Lieber Genosse Werner Bodenstein,

Du hattest dich bezüglich deiner ersten Frage bereits an mich gewandt und mit meinem Schreiben vom 15. Februar 2005 eine Antwort mit der Position der SPD-Bundestagsfraktion erhalten. Gerne antworte ich dir heute ein weiteres Mal.
1. Gibt es Überlegungen über günstigere Erwerbsmöglichkeiten von Bodenreformopfern, die ihren Niederschlag im EALG und der Erwerbsverordnung finden werden?

Die Beschwerde von Neubauern-Erben beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte blieb wie du weißt, erfolglos.
Folgender Hintergrund:
Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofes hat entschieden, dass die Beschwerdeführer durch die Anwendung des 2. Vermögensrechtsänderungsgesetzes nicht in ihrem Eigentumsrecht verletzt sind.

Zu den Motiven des Gesetzgebers bei der Regelung der Ansprüche in „Alterbfällen“ nach dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992, mit dem die Lücken im so genannten „Modrow-Gesetz“ geschlossen wurden und die Abwicklung der Bodenreform im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt wurden, ist Folgendes zu sagen: Nach DDR-Recht war das Bodenreformeigentum kein Volleigentum im Sinne des Zivilrechtes, sondern speziell geregeltes Arbeitseigentum. Dies verdeutlichen die Besitzwechselverordnungen der DDR der Jahre 1951, 1956, 1975 und 1988. Sie regelten das Verfahren zur Übertragung von Bodenreformeigentum bzw. dessen Rückführung in den Bodenfonds auch im Erbfall. Wegen der Unteilbarkeit von Bodenreformland konnte dieses nur einem Erben übertragen werden.
Voraussetzung war, dass dieses Land in der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft tätig war. Der Eigentumsübergang erfolgte durch staatlichen Verwaltungsakt. Unterblieb eine Eigentumsübertragung, war das Land in dessen Bodenfonds zurückzuführen und die Erben traten nicht in die Rechte des Erblassers als Eigentümer von Bodenreformland ein.

Das Modrow-Gesetz hob für Grundstückseigentümer von Bodenreformland bestehende Beschränkungen auf. Erst in diesem Zusammenhang wurde die Besitzwechselverordnung aufgehoben. Mit Inkrafttreten des Modrow-Gesetzes am 16. März 1990 konnten daher Erben von Bodenreformland nach den allgemeinen Bestimmungen des Zivilrechtes Eigentum erwerben. Davon sind jedoch „Alterbfälle“ nicht betroffen. Aus dem Text des Gesetzes ergeben sich hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Eine Änderung der bestehenden Rechtslage wäre rückwirkend auch nicht zulässig gewesen. Deshalb unterblieb im Gesetz eine Rückwirkungsregelung, die im Einzelfall einen Eingriff in bestehendes Recht bedeutet hätte.

Die zu den „Alterbfällen“ ergangenen umfangreichen Rechtsprechungen der obersten deutschen Gerichte hat die Wirksamkeit der die Abwicklung der Bodenreform betreffenden Vorschriften im Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz stets bejaht. Sorgfältig sind die besondere Stellung des Bodenreformeigentums, die Rechtsnachfolge im Erbfall und die Bedeutung des Modrow-Gesetzes gewürdigt worden. Bindende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes bestätigen stets, dass die im Gesetz vorgesehen Nachzeichnungsregelung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, etwa aus Artikel 14 des Grundgesetzes (Eigentum, Erbrecht, Enteignung) begegnet.

Ich weiß, dass die vermögensrechtlichen Auseinadersetzungen in den neuen Ländern nach wie vor sehr emotional geführt werden. Es ist aber unmöglich, die Geschichte umzuschreiben. Ob Neubauern, Wiedereinrichter oder Agrargenossenschaften, für all diese Gruppen mussten Regelungen gefunden werden, die juristisch korrekt waren. Darüber hinaus trägt der Staat natürlich auch die Verantwortung für alle Steuerzahler, die über ihre Mittel die vermögensrechtlichen Abwicklungen in den neuen Ländern mittragen müssen. Ich denke, im Sinne aller ist nun endlich Klarheit geschaffen worden. Ich sehe keine Möglichkeit, dass der Gesetzgeber im Falle der Neubauern, Wiedereinrichter oder Agrargenossenschaften wieder aktiv wird.

2. Was will die SPD tun, um nicht noch mehr Geld aus den ländlichen Gebieten abzuschöpfen a) über die an BVVG und Landgesellschaften zu zahlende Pacht und b) über mögliche höhere Verkaufspreise bei Übergabe von BVVG-Flächen an die Landgesellschaften.

Es gab Anregungen einiger Bundesländer die BVVG-Flächen an Landgesellschaften zu übertragen.
Diese Anregungen wurden nicht weiter verfolgt, denn zum einen besitzt die BVVG über Know-how und Personal, um die Flächenveräußerung weiter voran zu treiben und zum anderen verfügt nicht jedes ostdeutsche Bundesland über eine Landgesellschaft oder ist über die Flächenveräußerung durch die Landgesellschaft interessiert.
Der Flächenverkauf nach EALG wird weiter fortgeführt. Seit Anfang des vergangenen Jahres gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, dass Betriebe, die einen besonderen Beitrag zum Erhalt von Arbeitsplätzen leisten oder besonders umweltgerecht wirtschaften, bis Ende 2006 einen gewissen Zugang zum Erwerb von EALG-Flächen bekommen. Ihnen werden Flächen in der Größenordnung von 50 Hektar zum Verkauf angeboten. Nach 2006 muss geprüft werden, inwieweit sich diese Maßnahem bewährt hat.
Für alle übrigen Interessenten werden Flächen, für die die Pacht ausgelaufen ist und die nicht über das EALG veräußert werden, zum marktüblichen Preis angeboten.