Frage an Wilhelm Priesmeier bezüglich Finanzen

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Wilhelm Priesmeier
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Frage von David H. •

Frage an Wilhelm Priesmeier von David H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Priesmeier,

als unser Wahlkreisabgeordneter im Bundestag möchte ich mich mit folgendem Thema an Sie wenden:
Die aktuelle Entwicklung in der Europa- & Finanzpolitik bereitet mir Sorgen. Wo die Schulden nur groß genug sind, werden seitens der Regierungen Absicherungen ausgesprochen, die derweil schwindeleregende Höhen annehmen. Aktuell ist für den Euro Rettungsschirm (EFSF) eine Einlage von 2 Bill. € im Gespräch. Dies entspricht nahezu dem jährlichen deutschen Bruttonationalprodukt (BNE), als größte europäische Wirtschaftsnation sowie des Schuldenstandes unserer Bundesrepublik. Parallel dazu ist die vergangene Finanzkrise nicht überwunden, auch wenn sie schon aus den Köpfen der Allgemeinheit entschwindet. Aktuell sind aber schon neue Sicherungsmaßnahmen im Gespräch falls durch drohende ´Staatspleiten´ Finanzinstitute ins Trudeln geraten. Für mich ist hier auf ganzer Linie kein Ende erkennbar. Mir sind die Vorteile der europäischen Union und desEuros für unsere Wirtschaft bewusst, doch muss man in meinen Augen irgendwann eine Grenze ziehen, wenn es darum geht Absicherungen abzugeben. Aus welchem Grund trennt man in der Finanzwirtschaft nicht die Realwirtschaft vom Investmentbereich, wie es nach der Wirtschaftskrise in den 20ern in den USA gemacht wurde (was in den 90ern jedoch wieder aufgehoben wurde)? Es macht in meinen Augen einen Unterschied, ob ich hinter Zahlen konkrete Werte stehen habe oder ob ich die Geldmenge künstlich um ein Vielfaches erhöhe und das damit verbundene Risiko gemäß dem Motto: "Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren", auslagere. In der Europapolitik gilt für mich, dass eine gegenseitige Strukturhilfe, wie sie hier bei uns im Länderfinanzausgleich stattfindet, durchaus sinnvoll sein mag, aber die Bereitschaft komplette Staaten unbegrenzt finanziell abzufangen, ist bei mir nicht vorhanden, insbesondere wenn gemeinsame Wirtschaftspolitik vorhanden ist. ICH möchte zukünftig nicht in einem völlig überschuldeten Staat leben!

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Sehr geehrter Herr Horner,

vielen Dank für Ihre Frage und die differenzierte Art und Weise, mit der Sie die Problematik betrachten. Auch ich sehe die aktuelle Entwicklung in der Europa- und Finanzpolitik mit Sorge. Ich mache mir Sorgen um die Stabilität unserer Währung und die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes. Keine der möglichen Antworten auf die Euro-Krise kann für sich in Anspruch nehmen, keine Risiken zu beinhalten. Eine Patentlösung gibt es leider nicht, daher müssen wir sehr gründlich die unterschiedlichen Antworten und Konsequenzen diskutieren. Wie Sie richtigerweise bemerken, ist für Deutschland der Prozess der europäischen Einigung bisher enorm von Vorteil gewesen: Politisch, weil es die deutsche Einheit ohne die europäische Einigung nicht gäbe. Wirtschaftlich, weil Millionen deutscher Arbeitsplätze vom Export deutscher Güter und Dienstleistungen in die Europäische Union und die Euro-Zone abhängen. Die Stärkung und Erhaltung unserer Wirtschaftskraft ist eng damit verknüpft, dass es den anderen Staaten Europas ebenfalls wirtschaftlich gut geht. Deshalb hat Deutschland ein eigenes starkes nationales Interesse an der Stabilisierung der Währungsunion. Die Bewältigung der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa steht und fällt für mich mit der Stabilität der europäischen Staatshaushalte. Wir in Deutschland haben unsere Hausaufgaben gemacht. Die seinerzeit von der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder umgesetzten Reformen erweisen sich heute als unser großes Plus beim Umgang mit der Krise im Vergleich zu anderen Staaten, die keine derartigen Schritte unternommen haben.

In der jetzigen Situation und insbesondere angesichts der teilweise chaotischen politischen Zustände in Griechenland und Italien zeigt sich endgültig, dass das Krisenmanagement der Regierung Merkel viel zu zaudernd und zögerlich war. Diese Haltung hat mit dafür gesorgt, dass die Risiken für den Steuerzahler größer geworden sind. Beispielsweise kommt der Schuldenschnitt für Griechenland anderthalb Jahre zu spät und auch weitere Einsichten wie die Notwendigkeit einer Finanztransaktionssteuer wurden – obwohl seit langem von vielen Akteuren und Experten gefordert – von Regierungsseite viel zu spät erkannt. Ich plädiere dafür, Griechenland im Euro-Raum zu halten. Dies geht aber nur und ausschließlich bei harten und klaren Vorgaben für die Griechen. Eine gute Kooperationsbereitschaft von griechischer Seite ist sowieso Voraussetzung für weitere Hilfe. Eine Umschuldung Griechenlands muss von umfassenden Strukturreformen und weiteren Unterstützungsmaßnahmen begleitet werden. Es muss eine Art "Marshall-Plan" für Griechenland geben. Eine dauerhafte Alimentierung lehne ich ab. Die Griechen stehen in der Pflicht, ihr Staatswesen zu reformieren sowie ihr Sozialsystem- und vor allem ihr Steuersystem wieder funktionsfähig zu machen.

Die aktuelle Krise lehrt uns etwas, das nun auch nach und nach von einstigen neoliberalen Vorkämpfern realisiert wird: Wir müssen grundsätzlich die Weichen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik neu stellen. Wir brauchen Regeln auf den Finanzmärkten, die dem Treiben der Zocker und Spekulanten nachhaltig Einhalt gebieten. Diejenigen, die sich an der Krise bereichert haben, müssen zur Kasse gebeten werden. Hierbei ist die angesprochene Finanztransaktionssteuer das Instrument, das von der SPD seit langem gefordert wird und nun endlich eingeführt werden muss. Es ist zu hoffen, dass die Regierung wenigstens an dieser Stelle einmal Courage zeigt. Außerdem fordere ich eine gemeinsame europäische Bankenaufsicht sowie die von Ihnen angesprochene Trennung des Bankensektors in Geschäfts- und Investmentbanken. In diese Richtung werden die SPD-Fraktion und ich weiter Druck machen. Wir sind uns unserer staatspolitischen Verantwortung für Europa bewusst. Bei den Fraktionen der Regierung habe ich da erhebliche Zweifel.