Sehr geehrter Herr Kuhl,

das Bundesverfassungsgericht hat 2002 die rechtmäßigkeit der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland bestätigt, jedoch keine Vorgaben über deren Zukunft gemacht. Natürlich ist dies vorrangig ein Thema für den Bundestag - ich denke, gerade von den Ländern können aber auch diesbezüglich wichtige Signale kommen ... nicht zuletzt über den Bunderat.

In diesen Tagen hat der 2,5millionste junge Mann seinen Zivildienst angetreten. Der Zivildienst wird allerorts, vor allem von unserer Bundesregierung, als Erfolgsmodell gefeiert.

Mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation sind wir nicht mehr unmittelbar und existenzgefährdend in unserer Sicherheit bedroht. Der Fall der bündnisbezogenen Landesverteidigung, der lange die Begründung für größere Streitkräfte darstellte, kann als unwahrscheinlich gelten. Einsätze außerhalb der bündnisbezogenen Landesverteidigung, welche zunehmend das Aufgabenspektrum der Bundeswehr bestimmen, sind mit der allgemeinen Wehrpflicht unvereinbar. Mit der allgemeinen Wehrpflicht ist ein zeitlich begrenzter Eingriff in die verfassungsmäßig garantierten Freiheits- und Grundrechte junger Männer verbunden. Sie darf demnach nur so lange als gesetzlich begründete Pflicht abverlangt werden, wie sie sich sicherheitspolitisch begründen lässt.

Es werden zwischenzeitlich weniger Wehrpflichtige benötigt, als die Wehrdienstfähigen eines Geburtsjahrganges ausmachen. Weil zwischenzeitlich mehr junge Männer den Dienst an der Waffe aus Gewissensgründen verweigern als junge Männer Grundwehrdienst leisten, lässt sich die allgemeine Wehrpflicht auch unter diesem Aspekt nicht mehr aufrechterhalten. Dass der Zivildienst mittlerweile in der Realität auch alles andere als arbeitsmarktneutral ist, braucht man nicht eigens zu erwähnen.

Wie stehen Sie dazu? Wie sehen Sie dies?

Ist es nicht längst an der Zeit, die allg. Wehrpflicht auszusetzen und die Freiwilligendienste (z.b. FSJ, FÖJ) entsprechend auszubauen und weiterzuentwickeln?

Viele Grüße!

Ralf Sauer