Sehr geehrter Herr Hildenbrand,

die Verschuldung des öffentlichen Gesamthaushalts betrug Ende 2009 rund 1.700 Milliarden Euro. Allein der Bund hat Schulden in Höhe von mehr als 1.000 Mrd. Euro. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat uns beim Bemühen um einen ausgeglichenen Haushalt erheblich zurückgeworfen. Krisenbedingt kommen in diesem Jahr daher weitere rund 65 Mrd. Euro zusätzliche Schulden des Bundes hinzu.

Durch die im Grundgesetz verankerte "Schuldenbremse" wird die Aufnahme von neuen Schulden jedoch wirkungsvoll begrenzt. Sie schreibt vor, dass das strukturelle Defizit des Bundeshaushalts, für den ich als Bundesfinanzminister die Verantwortung trage, in den Jahren 2011 bis 2016 in gleichmäßigen Schritten zurückgeführt werden muss und ab 2016 noch maximal 0,35 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) betragen darf. Das strukturelle Defizit ergibt sich übrigens, indem von der diesjährigen Neuverschuldung konjunkturelle Effekte und rein finanzielle Transaktionen abgezogen werden. Das strukturelle Defizit wird in 2010 voraussichtlich bei etwa 53 Mrd. Euro liegen. Das heißt, dass wir die strukturelle Neuverschuldung bis 2016 jährlich um rund 7 ½ Mrd. zurückführen müssen. Aber das heißt auch, dass der Schuldenstand in den kommenden Jahren zunächst weiter anwachsen wird. Auch wenn die Neuverschuldung im laufenden Jahr 2010 niedriger ausfallen wird als bisher befürchtet, bleibt sie die höchste Neuverschuldung der Nachkriegszeit.

Die Einführung der Schuldenbremse ist daher ein Wendepunkt. Wenn die strukturelle Verschuldung im Bundeshaushalt über einen längeren Zeitraum maximal 0,35 % des BIP beträgt, dann sinkt auch der Schuldenstand relativ zum BIP. Im Ergebnis gibt es dann wieder einen größeren Handlungsspielraum im Bundeshaushalt, weil ein geringerer Teil der Einnahmen durch Zinszahlungen gebunden ist. Damit wird ein Effekt erreicht, der in seiner ökonomischen Wirkung einer formalen "Rückzahlung aller Schulden" gleich kommt. Hierfür ist jedoch eine lange Phase strikter fiskalischer Disziplin vonnöten, auf die uns die Schuldenbremse verpflichtet. Die öffentlichen Schulden abzubauen bleibt eine gewaltige Aufgabe. Die Vorgaben der Schuldenbremse müssen eingehalten werden, um Wohlstand zu erhalten, Arbeitsplätze zu schaffen und nachfolgenden Generationen eine gute Zukunft zu ermöglichen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble