Frage an Wolfgang Schäuble bezüglich Innere Sicherheit

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Frage von Robert von R. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Robert von R. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Minister,

am Samstag fand in Berlin eine Demonstation palästinensischer Gruppen statt. Ich glaube, Sie können sich ausmalen, was für sympathische Slogans die Teilnehmer unters Volk brachten http://www.hagalil.com/01/de/Antisemitismus.php?itemid=1953.
Wir sind uns sicher beide einig, dass Rufe wie "Tod den Juden" oder "Israel ist ein Apartheidsstaat" auch Ihren politischen Geschmack sehr stören. Nun bin ich nur einfacher Steuerzahler, Sie hingegen Minister und haben folglich die Macht, solche Umtriebe zu unterbinden.
Wieso werden solche Aufmärsche geduldet bzw. nicht einfach auseinander getrieben? Es ist mir unerträglich, dass eine faschistoide ausländische Gruppe mitten in Berlin frech ihren intellektuellen Müll verklappen kann. Müssen wir uns das gefallen lassen?
Was gedenkt die Regierung zu tun, um die antisemitische und faschistoide Propaganda islamischer Gruppen zu verbieten?

Ich danke im Voraus für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen aus der Ortenau
von Radetzky

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Sehr geehrter Herr von Radetzky,

Sie können davon ausgehen, dass sowohl die Sicherheitsbehörden des Bundes als auch der Länder solche geschmacklosen Umtriebe nicht nur beobachten, sondern die geeigneten Maßnahmen einleiten, um Vereinigungen, die solche Propaganda verbreiten, an ihrem Tun zu hindern.

Gepaart sind Aktivitäten derartiger Organisationen häufig mit Spendensammlungen für terroristische Zwecke. Diese werden mit den Mitteln des Strafrechts verfolgt, aber auch vereinsrechtlich: So hat das Bundesministerium des Innern Vereinigungen, die terroristische Aktivitäten im Ausland unterstützen oder Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer oder religiöser Ziele propagieren, bereits in den Fällen des "Kalifatsstaats" des Metin Kaplan, der Vereine "Al-Aqsa e.V." und "YATIM Kinderhilfe e.V." und der "Hizb ut-Tahrir" verboten. Die Einhaltung dieses Verbotes wird von den Sicherheitsbehörden strikt überwacht. Vereinigungen, die nur auf dem Gebiet eines einzigen Bundeslandes tätig sind, müssen vom zuständigen Landesinnenministerium verboten werden.

Maßnahmen, die konkret Versammlungen unter freiem Himmel betreffen, wie etwa die von Ihnen angesprochene Demonstration, fallen in die Zuständigkeit der Länder, hier also des Landes Berlin.

Nach dem Versammlungsgesetz kann bei einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung die Versammlung vor ihrem Beginn verboten und nach Veranstaltungsbeginn aufgelöst werden. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit sind allerdings beschränkende Anordnungen vorrangig. Eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne des Versammlungsgesetzes ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn Straftaten begangen werden. So können beispielsweise das Skandieren der in Ihrer Frage und auf der zitierten Internetseite genannten Parolen sowie die Gleichstellung israelischen militärischen Vorgehens mit dem Holocaust bei der Versammlung Straftatbestände erfüllen, was die zuständige Staatsanwaltschaft zu prüfen hätte. Kritik an der israelischen Politik ist in Deutschland selbstverständlich an sich nicht strafbar. Wenn aber Todeswünsche geäußert, Straftaten gebilligt oder Volksverhetzung betrieben werden, ist die Grenze des rechtlich Zulässigen überschritten - unabhängig davon, aus welcher Richtung und in welche Richtung die Rufe ertönen.

Ebenso ist es nicht zu billigen, wenn das Existenzrecht des Staates Israel in Frage gestellt wird. Dies gilt nicht nur erst recht wegen des besonderen historischen Verhältnisses zwischen Deutschland und Israel, sondern auch im Verhältnis zu anderen Staaten; eine ähnliche Hetze z.B. gegen Dänen und Dänemark wäre hierzulande ebenso unzulässig. Wer sich so verhält, verlässt den Konsens der Demokraten über die Formen der politischen Auseinandersetzung und entlarvt sich selbst.

Ob die Voraussetzungen einer Auflösung der Versammlung im Einzelfall vorlagen, und ob ein Verbot bzw. die Auflösung der Versammlung geboten ist oder Auflagen als mildere Mittel zur Gefahrenabwehr ausreichten, hatte die für den Vollzug des Versammlungsgesetzes zuständige Landesbehörde, nämlich der Polizeipräsident in Berlin, zu bewerten und zu entscheiden. Weil für das Versammlungsrecht sowohl die Gesetzgebungskompetenz als auch die Zuständigkeit für den Vollzug allein beim zuständigen Land liegt, hat der Bund keinerlei Aufsichtsbefugnisse, übt also weder eine Rechts- noch eine Fachaufsicht aus. Dasselbe gilt für die Verfolgung etwaiger bei der Versammlung begangener Straftaten.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Dr. Wolfgang Schäuble, MdB