Frage an Wolfgang Thierse bezüglich Recht

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Frage an Wolfgang Thierse von olaf k. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Thierse,

am 10.5. schrieb J. Eisenberg in der "taz": "Das `Recht´ zur falschen Sachverhaltsfeststellung, wenn sie unter Beachtung der Prozessregeln stattfindet, ist ureigenstes Richterprivileg. Bis zur Überschreitung der Schwelle zur Rechtsbeugung kann ein unschuldig Verurteilter nicht einmal eine Wiederaufnahme erreichen. (…) Und diese Schwelle übertritt ein bundesdeutscher Richter praktisch nie, weil ihm kein Vorsatz nachgewiesen werden kann."

Der Straftatbestand der Rechtsbeugung wurde nach Gründung der Bundesrepublik von einem nur mit ehemaligen Nazis besetzten BGH mit dem Konstrukt des "unbedingten Vorsatzes" ausgehebelt, den nachzuweisen nur gelingen kann, wenn ein Richter laut in den Saal ruft: "Ich begehe jetzt eine Rechtsbeugung!" Der Grund: Es sollte verhindert werden, dass blutbesudelte Kumpane der neubestallten Bundesrichter für die 10.000fach begangenen NS-Justizmorde zur Verantwortung gezogen werden. Mit Erfolg: Kein Blutrichter wurde verurteilt.

Das änderte sich erst mit der Aufarbeitung des DDR-Unrechtes. Hier nun fand das Bundesverfassungsgericht, das Gesetz müsse buchstabengetreu angewendet werden. Doch nach Abschluss der Verfahren kehrte man zum Nazirichterprivileg zurück(Beispiel: Der Fall Schill).

Auf seiner Website schreibt C. Ströbele: In den Neunzigern „hat die bundesdeutsche Justiz aus dem Richterprivileg, also dem Privileg, dass Richter für Ihre Tätigkeit so gut wie nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, nur ein Privileg gemacht, das nur für NS- und bundesdeutsche Richter gilt.“ Die selbsthergestellte Gleichstellung von heutigen Richtern mit Naziblutrichtern scheint die betroffenen Juristen solange nicht zu stören, wie sie ihnen hilft, auch bei begangener Rechtsbeugung straffrei zu bleiben. Frage: Werden Sie sich wirksam dafür einsetzen, dass deutsche Gerichte künftig auch dann das Gesetz anwenden – dem sie laut Grundgesetz „unterworfen“ sind – wenn es um Straftaten der eigenen „Kaste“ geht?

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