Frage an Wolfgang Thierse bezüglich Soziale Sicherung

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Wolfgang Thierse
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Frage von Daniel R. •

Frage an Wolfgang Thierse von Daniel R. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Thierse,

Die wichtigste finanzpolitische Frage für die Zukunft, wird aus meiner Sicht, in der nächsten Legislaturperiode für alle Politiker heißen: Werden in Zukunft alle Einkommensgruppen (nicht nur Einkommen und Löhne aus Erwerbsarbeit) an der Umlagefinanzierung zur gesetzlichen Rentenversicherung miteinbezogen? Ließe sich daraus, der derzeitige Zuschuß vom Bundeshaushalt von ca. 77 Mrd. € zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht verringern? Welchen Standpunkt vertreten Sie persönlich?

Mit freundlichen Grüßen
Daniel Rebholz

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SPD

Sehr geehrter Herr Rebholz,

bei einer Einbeziehung aller Einkommensarten in die gesetzliche Rentenversicherung sind zwei Dinge zu beachten. Zum einen ist es theoretisch denkbar, nicht nur Einkommen aus Erwerbsarbeit, sondern auch Einnahmen aus selbstständiger Arbeit miteinzubeziehen, also die Selbstständigen, denen es momentan freigestellt ist, ob sie sich gesetzlich, privat oder gar nicht versichern. Dieses Prinzip wollen wir im Gesundheitssystem in der nächsten Legislaturperiode mit der Bürgerversicherung umsetzen. Zum andern ist zu überlegen, welche Einnahmen aus selbstständiger Arbeit miteinbezogen werden sollen (etwa auch Einnahmen aus Miete, Pacht und Kapitaleinkünften).

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, hoffen Sie, dass durch die Einbeziehung aller Einkommensarten den Rentenkassen mehr Geld zur Verfügung steht. Das Problem hierbei ist allerdings, dass die gesetzliche Rentenversicherung nicht nach demselben Prinzip funktioniert wie die Bürgerversicherung. Bei der Bürgerversicherung zahlt jeder entsprechend seiner Leistungsfähigkeit und erhält im Bedarfsfalle jede notwendige Leistung, die er benötigt. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung verhält es sich anders: hier wird die Höhe der Rente bei Eintritt in das Rentenalter vor allem nach der Höhe der Einzahlungen, die während des Erwerbslebens geleistet wurden, bemessen. Dies würde bedeuten, dass erstens diejenigen (z.B. Selbstständige), die nunmehr ebenfalls in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen würden, im Alter natürlich auch einen Anspruch auf entsprechende Rentenzahlungen hätten. Und zweitens würden diejenigen, die höhere Einzahlungen leisten müssten, weil z.B. Einnahmen aus Miete oder Pacht miteinbezogen werden würden, im Alter wiederum auch einen höheren Auszahlungs-anspruch haben. Sie sehen: es würden also nicht nur höhere Einnahmen, sondern auch höhere Ausgaben entstehen. Zwar ist die gesetzliche Rentenversicherung wie die gesetzliche Krankenversicherung oder die Bürgerversicherung ein Solidarsystem. Doch die Solidarität wird hier nicht wie bei der Bürgerversicherung unter allen Einzahlern gleich welcher Generation ausgeübt, sondern jeweils zwischen der älteren und der jüngeren Generation. Bei der Bürgerversicherung zahlen alle Beitragszahler in einem Jahr ein, um die Kosten, die den Krankenkassen durch notwendige gesundheitliche Versorgung entstehen, zu finanzieren. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung hingegen finanziert jeweils die jüngere Generation die Leistungen, die die Älteren empfangen.

Da aufgrund der demographischen Entwicklung in unserer Gesellschaft dieser Generationenvertrag mit seinem Umlageverfahren über jeweils zwei Generationen die Finanzierung in einigen Jahrzehnten jedoch nur noch unzureichend wird sicherstellen können, wird die SPD zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherung weiterhin die private und die betriebliche Altersvorsorge fördern, so wie wir dies in den letzten Jahren bereits durch verschiedene Maßnahmen zur betrieblichen Altersvorsorge und mit der Riester-Rente getan haben.

Mit freundlichen Grüßen,

Wolfgang Thierse