Frage an Wolfgang Thierse bezüglich Soziale Sicherung

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Wolfgang Thierse
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Frage von Olaf S. •

Frage an Wolfgang Thierse von Olaf S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Thierse,

bitte teilen Sie mir mit, wie Sie zur Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern und Beamten stehen und welche Maßnahmen Sie nach der Wahl umsetzen.

Während Arbeitnehmer gesetzlich zu festen prozentualen Einzahlungen in die Rentenversicherung verpflichtet sind, wird Beamten auch weiterhin eine Einzahlung in eine Pensionskasse erspart.
Begründet wird dies mit Bestandsschutz, einem zu geringem Entgelt usw.
Festzustellen ist, dass Beamte bei sicherem Kündigungsschutz, einem inzwischen sehr wohl über dem Durchschnitt liegenden Gehalt eines Arbeitnehmers und sonstigen Vergünstigungen wie z.B. günstigeren Beamtenkrediten, Beamtenversicherungen genießen dürfen. Diese Vorteile haben die in die Rentenversicherung einzahlenden Arbeitnehmer in keinem Fall.

Unter dem Aspekt dringend notwendiger Reformen sollte es insbesondere unter dem Aspekt der derzeitigen wirtschaftlichen Situation sicher höchste Priorität haben, wenn für Beamte dieser Bestandsschutz abgeschafft wird.
Während in den letzten und insbesondere in den kommenden Jahren von der Bevölkerung enorme Einschnitte erwartet und diese auch gesetzlich durchgesetzt werden, ist es nicht nachvollziehbar, dass Beamte uneingeschränkt die gleichen Vorteile genießen sollen wie zu wirtschaftlich enorm positiveren Zeiten.
Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, dass Beamte eine nicht selbst ersparte oder versicherungstechnisch selbst verdiente Pension erhalten, die von bereits geschröpften Arbeitnehmern und Steuerzahlern finanziert wird. Wie kann es weiterhin sein, dass Beamte, die früher aus dem Dienst ausscheiden hohe Pensionen beziehen, ohne ein bestimmtes Pensionsalter erreicht zu haben ?
Welche Maßnahmen werden zu diesem Punkt durch Sie umgesetzt ?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schulz,

Es besteht kein Anlass zu der Besorgnis, die Beamtenschaft werde von Belastungen verschont, die sonstige Arbeitnehmer tragen müssen.

Durch Rücksprache mit der AG Inneres der SPD-Fraktion habe ich mich im Detail kundig gemacht.

Rentenrechtliche Regelungen werden stets wirkungsgleich in das Beamtenversorgungsrecht übertragen.
Aktuell haben die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen den Entwurf eines Versorgungsnachhaltigkeitsgesetzes beschlossen, der dem Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz folgt. Jedoch lehnt die CDU/CSU-geführte Bundesratsmehrheit den (zustimmungsbedürftigen) Gesetzentwurf aus durchsichtigen wahltaktischen Erwägungen derzeit noch ab, obwohl die Länder ganz überwiegend die Lasten der Beamtenversorgung zu tragen haben. Auch im Bundestag hat die CDU/CSU-Fraktion die abschließende Behandlung des Gesetzentwurfs in dieser Wahlperiode blockiert.

Zuvor waren aber schon durch das Gesetz zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes von 1989, das Versorgungsreformgesetz 1998, das Gesetz zur Neuordnung der Versorgungsabschläge von 2000 und das Versorgungsänderungsgesetz 2001 einschneidende Änderungen in der Altersversorgung der Beamten vorgenommen worden. Außerdem unterliegen die Beamtenpensionen noch für eine lange Übergangszeit einer stärkeren Besteuerung als die Renten.

Die Bezüge der Versorgungsempfänger liegen im Jahr 2005 um 0,1 % unter denen des Jahres 2002. Erhöhungen sind bis einschließlich 2007 nicht vorgesehen.

Auch bei den Beihilfen, die Beamten in Krankheits- und Pflegefällen gewährt werden und dem Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung entsprechen, sind Anpassungen wie bei gesetzlich Versicherten erfolgt. Dabei handelt es sich um Leistungseinschränkungen, Kostendämpfungspauschalen und zusätzliche Selbstbehalte der Beihilfeberechtigten. Da die Beihilfen in Verwaltungsvorschriften geregelt sind, die der Bund und die einzelnen Länder jeweils für ihren Bereich erlassen, sind die Regelungen allerdings nicht in allen Punkten einheitlich. Für den Bundesbereich hat das Bundesministerium des Innern zum 1. Januar 2004 eine Änderung der Beihilfevorschriften vorgenommen, mit der auch die Be- und Entlastungen durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz wirkungsgleich übertragen worden sind. Schon zum 1. Januar 2005 wurden die Beihilfeleistungen für Zahnersatz weiter eingeschränkt, wodurch den Bundesbeamten eine höhere Beitragsbelastung in der ergänzend zu unterhaltenden privaten Krankenversicherung entstanden ist. Welche weiteren Änderungen im Beihilferecht durch die zum 1. Juli 2005 erfolgte Beitragsmehrbelastung der Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung von 0,45 % geboten sind, wird den Gesetzgeber in der neuen Wahlperiode beschäftigen.

Das Sterbegeld ist nicht nur in der gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen worden, sondern auch in den Beihilfevorschriften des Bundes, in denen die anteiligen Leistungen des Dienstherrn im Krankheitsfall geregelt sind. Weiterhin gibt es allerdings ein Sterbegeld im Beamtenversorgungsgesetz. Dem steht aber bei Arbeitnehmern vielfach ein tarifvertraglich geregeltes Sterbegeld und in der Rentenversicherung das sog. Sterbevierteljahr gegenüber. Dies bedeutet, dass die Witwe - anders als in der Beamtenversorgung - in den ersten drei Monaten nach dem Sterbefall die Rente des Verstorbenen in voller Höhe weiter bezieht. Entsprechendes gilt für betriebliche Altersversorgungen, die sich am Rentenrecht orientieren.

In der Pflegeversicherung der Rentner ist ab 1. April 2004 der Beitragszuschuss der Rentenversicherer in Höhe von 0,85 % entfallen. Diese Belastung wurde mit dem „Gesetz zur wirkungsgleichen Übertragung von Regelungen der sozialen Pflegeversicherung in das Dienstrecht...“ auf die Pensionäre des Bundes übertragen, wobei der entsprechende Abzug in einer Summe jeweils am 1. Dezember eines Jahres erfolgt.

Weiterhin werden Tariferhöhungen für die Angestellten des öffentlichen Dienstes häufig erst mit einer Zeitverzögerung auf die Beamtenbesoldung übertragen, um angestelltenspezifische Nachteile wirkungsgleich umzusetzen. Zudem ist den Bundesbeamten ab dem Jahr 2004 das Urlaubsgeld gestrichen und die Sonderzahlung („Weihnachtsgeld“) gekürzt worden; ähnliche Regelungen gibt es in den Ländern, teilweise schon seit 2003.

Sie sehen also, dass in den allermeisten Bereichen Arbeitnehmer und Beamter gleichgestellt sind. Mit der Bürgerversicherung möchte die SPD, dass alle Menschen nach ihrer Leistungsfähigkeit in ein solidarisches Gesundheitssystem einzahlen, egal ob Arbeitnehmer, Selbstständige, Beamte oder Politiker.

Mit freundlichen Grüßen,

Wolfgang Thierse