Frage an Wolfgang Wieland bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Wolfgang Wieland
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage an Wolfgang Wieland von Harm N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Heute hat Irland gegen den Vertrag von Lissabon gestimmt. Man möchte fast zynisch sagen: Das einzige noch demokratische Land innerhalb der EU!

Warum wird hier keine öffentliche Debatte geführt? Wenn dieser Vertrag so wichtig und gut ist, dann sollte er auch anständig thematisiert, diskutiert und demokratisch legitimiert werden. Oder nicht? Jeder Bürger sollte wissen, was der Vertrag für uns bedeutet. Ich unterschreibe ja auch einen normalen Kaufvertrag nicht, ohne ihn zuvor durchzulesen.

Es tut mir leid, aber ich finde den Prozess sehr undemokratisch. Aber vielleicht können sie mir diese EU-Welt erklären. Ich wäre Ihnen sehr dankbar.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Neitzel,

ich bin – wie Sie offenbar auch – bekennender Fan und Unterstützer der Instrumente direkter Demokratie und fände eine Volksabstimmung auch in Deutschland besser. Trotzdem teile ich Ihre Einschätzung nicht, dass nur so eine „anständige“ demokratische Legitimation möglich wäre. Auch der Bundestag ist ein demokratisch gewähltes Gremium und kann legitim hierüber entscheiden. Was wünschenswerter ist, muss man also diskutieren, aber keine der beiden Variante sollte von vornherein als nicht legitimiert betrachtet werden. Und das hat übrigens auch nichts mit der „EU-Welt“ zu tun, sondern mit den Verfahren, wie sie das Grundgesetz vorsieht. Und hier verhindert die CDU nach wie vor eine Verfassungsänderung hin zum Plebiszit auf Bundesebene.

Dass der Lissabon-Vertrag nicht ausreichend thematisiert wurde, stimmt nur zum Teil. Innerhalb des Bundestages gab es umfangreiche Anhörungen und Debatten, insofern wussten die Abgeordneten, worüber sie abstimmen. Dass die Bürger den Vertragstext auch heute noch nicht in einer vernünftigen Version bekommen können, ist ein Skandal. Auch fehlt eine für den Interessierten Laien verständliche Darstellung der ganzen Systematik, der Neuerungen und der wichtigsten Einzelthemen. Ich halte den Vertrag übrigens nach wie vor für richtig und nötig, deshalb bin ich auch überzeugt, dass bei einer umfassenden Information und gelassenen Debatte auch eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ihn unterstützt hätte. Auch das irische „Nein“ hat sich teilweise an Mythen festgemacht, teilweise an Befürchtungen, die in der Gesamtschau des Vertrages nicht haltbar sind.

Ich hoffe, dass wir aus dem erneuten Scheitern lernen. Denn die Botschaft aus Irland ist klar: Die europäische Integration wird nur vorankommen, wenn es die Europäerinnen und Europäer auch wollen. Im besten Falle ist also dieses Votum der Beginn einer breiten Debatte über das für und wider der nächsten Schritte der EU.

Mir freundlichen Grüßen

Wolfgang Wieland