Bahnprivatisierung

Mit großer Mehrheit hat der Bundestag die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG beschlossen. Allerdings nahmen 60 Abgeordnete aus der Großen Koalition nicht an der Abstimmung teil. Aus Reihen der SPD-Fraktion gab es 27 Nein-Stimmen. Nach den Plänen der Regierungskoalition sollen zunächst lediglich 24,9 Prozent des Personen- und Güterverkehrs an Investoren verkauft werden. Schienennetz und Bahnhöfe sollen auf Dauer zu 100 Prozent in Bundesbesitz bleiben.

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Dafür gestimmt
354
Dagegen gestimmt
158
Enthalten
3
Nicht beteiligt
96
Abstimmungsverhalten von insgesamt 611 Abgeordneten.
Name Absteigend sortieren FraktionWahlkreisStimmverhalten
Portrait von Ulla BurchardtUlla BurchardtSPD144 - Dortmund II Dagegen gestimmt
Portrait von Ernst BurgbacherErnst BurgbacherFDP286 - Rottweil-Tuttlingen Dagegen gestimmt
Portrait von Martin BurkertMartin BurkertSPD246 - Nürnberg-Süd Dafür gestimmt
Portrait von Michael BürschMichael BürschSPD6 - Plön - Neumünster Dafür gestimmt
Portrait von Cajus CaesarCajus CaesarCDU/CSU136 - Lippe I Nicht beteiligt
Portrait von Christian CarstensenChristian CarstensenSPD22 - Hamburg-Nord Dafür gestimmt
Portrait von Marion Caspers-MerkMarion Caspers-MerkSPD283 - Lörrach-Müllheim Dafür gestimmt
Portrait von Roland ClausRoland ClausDIE LINKE74 - Burgenland Dagegen gestimmt
Portrait von Gitta ConnemannGitta ConnemannCDU/CSU26 - Unterems Dafür gestimmt
Portrait von Sevim DağdelenSevim DağdelenDIE LINKE115 - Krefeld II - Wesel II Dagegen gestimmt
Portrait von Peter DanckertPeter DanckertSPD62 - Dahme-Spreewald - Teltow-Fläming III - Oberspreewald-Lausitz I Dafür gestimmt
Portrait von Herta Däubler-GmelinHerta Däubler-GmelinSPD291 - Tübingen Nicht beteiligt
Portrait von Leo DautzenbergLeo DautzenbergCDU/CSU90 - Heinsberg Dafür gestimmt
Portrait von Diether DehmDiether DehmDIE LINKE42 - Stadt Hannover II Dagegen gestimmt
Portrait von Hubert DeittertHubert DeittertCDU/CSU132 - Gütersloh Dafür gestimmt
Portrait von Ekin DeligözEkin DeligözDIE GRÜNEN256 - Neu-Ulm Dagegen gestimmt
Portrait von Karl DillerKarl DillerSPD205 - Trier Dafür gestimmt
Portrait von Alexander DobrindtAlexander DobrindtCDU/CSU227 - Weilheim Dafür gestimmt
Portrait von Thomas DörflingerThomas DörflingerCDU/CSU289 - Waldshut Dafür gestimmt
Portrait von Patrick DöringPatrick DöringFDP42 - Stadt Hannover II Dagegen gestimmt
Portrait von Martin DörmannMartin DörmannSPD94 - Köln I Nicht beteiligt
Portrait von Marie-Luise DöttMarie-Luise DöttCDU/CSU118 - Oberhausen - Wesel III Dafür gestimmt
Portrait von Werner DreibusWerner DreibusDIE LINKE Dagegen gestimmt
Carl-Christian DresselSPD239 - Coburg Dafür gestimmt
Portrait von Elvira Drobinski-WeißElvira Drobinski-WeißSPD285 - Offenburg Dafür gestimmt

Unter dem Dach einer Holding, deren Besitzer der Bund bleibt, soll es künftig zwei Unternehmen geben. Eine Säule des Bahn-Konzerns, die Bahninfrastruktur, bleibt als staatliche Verwaltungsgesellschaft vollständig in Bundesbesitz. Der gesamte Güter-, Fern- und Regionalverkehr der Bahn wird in einer Aktiengesellschaft zusammengeführt und zu 24,9 Prozent privatisiert.

Das 24,9-Prozent-Modell geht zurück auf einen Vorschlag des SPD-Parteirats. Bundesregierung, Bahn, Union und der konservative SPD-Flügel hatten ursprünglich die Veräußerung von 49,9 Prozent der Anteile favorisiert. Anders als die SPD sehen CDU und FDP in dem jetzt gefunden Kompromiss nur einen Einstieg in die Privatisierung und möchten in Zukunft weitere Anteile veräußern.

Vom Tisch ist das sogenannte "Volksaktienmodell", bei dem Investoren mit stimmrechtslosen Vorzugsaktien und einer garantierten Dividende an der Bahn beteiligt werden sollten. Dies hatte im Oktober 2007 der SPD-Parteitag beschlossen. Andernfalls sollte ein Sonderparteitag einberufen werden.

Konkret beinhaltet der Kompromiss von Union und SPD folgende Punkte:
Das Unternehmen Deutsche Bahn AG bleibt zu 100 Prozent in Bundeseigentum.
Private Investoren werden mit 24,9 Prozent am Güter- und Personenverkehr sowie an der Logistiksparte beteiligt, erhalten jedoch keinen unternehmensbestimmenden Einfluss. Zu diesem Zweck werden der Güter-, der Fern-, der Regionalverkehr sowie der Logistikbereich zu einer Gesellschaft unter dem Dach der Deutschen Bahn AG zusammengefasst, deren Aktienmehrheit beim Bund bleibt.
Die Eisenbahninfrastruktur (Schienennetz, Bahnhöfe) bleibt dauerhaft und vollständig bei der Deutschen Bahn AG und damit zu 100 Prozent beim Bund.
Der Erlös der Teilprivatisierung soll zu gleichen Teilen für ein Innovations- und Investitionsprogramm für den Schienenverkehr, für eine Aufstockung des Eigenkapitals der Bahn AG und für den Bundeshaushalt verwendet werden. Aus dem Investitionsprgramm werden insbesondere Lärm mindernde, Energieeffizienz steigernde und Netzverbessernde Maßnahmen finanziert, auch in die Bahnhöfe soll investiert werden.

Durch die Kapitalbeschaffung möchte die Deutsche Bahn gewappnet sein, wenn es ab 2010 durch die europäische Öffnung der Personennahverkehrsnetze zu einem verstärkten Wettbewerb auf dem europäischen Schienennetz kommt. Zudem sind Investitionen in das Netz, in die Lärmvorsorge und in Umladeterminals erforderlich, da immer mehr Güter auf der Schiene transportiert werden.

Innerhalb der SPD gibt es nach wie vor kritische Stimmen zur Teilprivatisierung. "Es ist nicht hinnehmbar, wenn der Parteibeschluss der SPD zur Zukunft der Bahn durch taktische Absprachen der Bundesregierung mit dem Vorstand der Bahn AG ausgehöhlt und umgangen wird," schreibt beispielsweise der Flensburger Abgeordnete Wolfgang Wodarg auf abgeordnetenwatch.de. Er werde im Bundestag gegen die Teilprivatisierung stimmen.

Bündnis 90/Die Grünen kritisieren das Koalitionsmodell zur Bahnprivatisierung als "Etikettenschwindel", da es weder eine wirkliche Privatisierung bedeute noch das öffentliche Eigentum sichere. Der verkehrspolitische Sprecher, Winfried Hermann, sagte bei seiner Rede im Bundestag: "Jede Regierung wird zukünftig nach Kassenlage und Mehrheit Aktien verkaufen."

Die Partei Die Linke befürchtet (wie die Grünen auch) negative Konsequenzen für die Kunden und den Schienenverkehr im ländlichen Raum und den neuen Bundesländern. Die Bahn als öffentliches, staatliches Unternehmen sei aus Steuermitteln, also dem Geld der Bürgerinnen und Bürgern, groß geworden. Damit sei sie quasi Eigentum der Menschen.

Grundsätzlich begrüßt wird der Einstieg in die Privatisierung von der FDP. Dieser geht die Veräußerung von 24,9 Prozent allerdings nicht weit genug, am Ende müsse eine vollprivatisierte Bahn stehen. Die Infrastruktur soll nach Ansicht der Liberalen vollständig in Bundesbesitz bleiben.