Bahnprivatisierung

Mit großer Mehrheit hat der Bundestag die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG beschlossen. Allerdings nahmen 60 Abgeordnete aus der Großen Koalition nicht an der Abstimmung teil. Aus Reihen der SPD-Fraktion gab es 27 Nein-Stimmen. Nach den Plänen der Regierungskoalition sollen zunächst lediglich 24,9 Prozent des Personen- und Güterverkehrs an Investoren verkauft werden. Schienennetz und Bahnhöfe sollen auf Dauer zu 100 Prozent in Bundesbesitz bleiben.

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Dafür gestimmt
354
Dagegen gestimmt
158
Enthalten
3
Nicht beteiligt
96
Abstimmungsverhalten von insgesamt 611 Abgeordneten.
Name Absteigend sortieren FraktionWahlkreisStimmverhalten
Portrait von Dietmar BartschDietmar BartschDIE LINKE13 - Schwerin - Ludwigslust Dagegen gestimmt
Portrait von Sabine Bätzing-LichtenthälerSabine Bätzing-LichtenthälerSPD199 - Neuwied Dafür gestimmt
Portrait von Wolf BauerWolf BauerCDU/CSU93 - Euskirchen - Erftkreis II Dafür gestimmt
Portrait von Helmut Günter BaumannHelmut Günter BaumannCDU/CSU166 - Annaberg - Aue-Schwarzenberg Dafür gestimmt
Portrait von Marieluise BeckMarieluise BeckDIE GRÜNEN54 - Bremen I Nicht beteiligt
Portrait von Ernst-Reinhard BeckErnst-Reinhard BeckCDU/CSU290 - Reutlingen Dafür gestimmt
Portrait von Volker BeckVolker BeckDIE GRÜNEN95 - Köln II Dagegen gestimmt
Portrait von Dirk BeckerDirk BeckerSPD136 - Lippe I Dafür gestimmt
Portrait von Uwe BeckmeyerUwe BeckmeyerSPD55 - Bremen II - Bremerhaven Dafür gestimmt
Portrait von Cornelia BehmCornelia BehmDIE GRÜNEN64 - Cottbus - Spree-Neiße Dagegen gestimmt
Portrait von Veronika BellmannVeronika BellmannCDU/CSU162 - Freiberg - Mittlerer Erzgebirgskreis Dafür gestimmt
Portrait von Birgitt BenderBirgitt BenderDIE GRÜNEN260 - Stuttgart II Dagegen gestimmt
Portrait von Klaus Uwe BenneterKlaus Uwe BenneterSPD80 - Berlin-Steglitz-Zehlendorf Dafür gestimmt
Portrait von Axel BergAxel BergSPD219 - München-Nord Dafür gestimmt
Portrait von Ute BergUte BergSPD138 - Paderborn Dafür gestimmt
Portrait von Christoph BergnerChristoph BergnerCDU/CSU73 - Halle Dafür gestimmt
Portrait von Otto BernhardtOtto BernhardtCDU/CSU4 - Rendsburg - Eckernförde Dafür gestimmt
Portrait von Petra BierwirthPetra BierwirthSPD59 - Märkisch-Oderland - Barnim II Dafür gestimmt
Portrait von Karin BinderKarin BinderDIE LINKE272 - Karlsruhe-Stadt Dagegen gestimmt
Portrait von Lothar BindingLothar BindingSPD275 - Heidelberg-Weinheim Dafür gestimmt
Portrait von Clemens BinningerClemens BinningerCDU/CSU261 - Böblingen Dafür gestimmt
Portrait von Lothar BiskyLothar BiskyDIE LINKE63 - Frankfurt (Oder) - Oder-Spree Dagegen gestimmt
Portrait von Renate BlankRenate BlankCDU/CSU246 - Nürnberg-Süd Dafür gestimmt
Portrait von Peter BleserPeter BleserCDU/CSU202 - Mosel / Rhein - Hunsrück Dafür gestimmt
Portrait von Heidrun Bluhm-FörsterHeidrun Bluhm-FörsterDIE LINKE Dagegen gestimmt

Unter dem Dach einer Holding, deren Besitzer der Bund bleibt, soll es künftig zwei Unternehmen geben. Eine Säule des Bahn-Konzerns, die Bahninfrastruktur, bleibt als staatliche Verwaltungsgesellschaft vollständig in Bundesbesitz. Der gesamte Güter-, Fern- und Regionalverkehr der Bahn wird in einer Aktiengesellschaft zusammengeführt und zu 24,9 Prozent privatisiert.

Das 24,9-Prozent-Modell geht zurück auf einen Vorschlag des SPD-Parteirats. Bundesregierung, Bahn, Union und der konservative SPD-Flügel hatten ursprünglich die Veräußerung von 49,9 Prozent der Anteile favorisiert. Anders als die SPD sehen CDU und FDP in dem jetzt gefunden Kompromiss nur einen Einstieg in die Privatisierung und möchten in Zukunft weitere Anteile veräußern.

Vom Tisch ist das sogenannte "Volksaktienmodell", bei dem Investoren mit stimmrechtslosen Vorzugsaktien und einer garantierten Dividende an der Bahn beteiligt werden sollten. Dies hatte im Oktober 2007 der SPD-Parteitag beschlossen. Andernfalls sollte ein Sonderparteitag einberufen werden.

Konkret beinhaltet der Kompromiss von Union und SPD folgende Punkte:
Das Unternehmen Deutsche Bahn AG bleibt zu 100 Prozent in Bundeseigentum.
Private Investoren werden mit 24,9 Prozent am Güter- und Personenverkehr sowie an der Logistiksparte beteiligt, erhalten jedoch keinen unternehmensbestimmenden Einfluss. Zu diesem Zweck werden der Güter-, der Fern-, der Regionalverkehr sowie der Logistikbereich zu einer Gesellschaft unter dem Dach der Deutschen Bahn AG zusammengefasst, deren Aktienmehrheit beim Bund bleibt.
Die Eisenbahninfrastruktur (Schienennetz, Bahnhöfe) bleibt dauerhaft und vollständig bei der Deutschen Bahn AG und damit zu 100 Prozent beim Bund.
Der Erlös der Teilprivatisierung soll zu gleichen Teilen für ein Innovations- und Investitionsprogramm für den Schienenverkehr, für eine Aufstockung des Eigenkapitals der Bahn AG und für den Bundeshaushalt verwendet werden. Aus dem Investitionsprgramm werden insbesondere Lärm mindernde, Energieeffizienz steigernde und Netzverbessernde Maßnahmen finanziert, auch in die Bahnhöfe soll investiert werden.

Durch die Kapitalbeschaffung möchte die Deutsche Bahn gewappnet sein, wenn es ab 2010 durch die europäische Öffnung der Personennahverkehrsnetze zu einem verstärkten Wettbewerb auf dem europäischen Schienennetz kommt. Zudem sind Investitionen in das Netz, in die Lärmvorsorge und in Umladeterminals erforderlich, da immer mehr Güter auf der Schiene transportiert werden.

Innerhalb der SPD gibt es nach wie vor kritische Stimmen zur Teilprivatisierung. "Es ist nicht hinnehmbar, wenn der Parteibeschluss der SPD zur Zukunft der Bahn durch taktische Absprachen der Bundesregierung mit dem Vorstand der Bahn AG ausgehöhlt und umgangen wird," schreibt beispielsweise der Flensburger Abgeordnete Wolfgang Wodarg auf abgeordnetenwatch.de. Er werde im Bundestag gegen die Teilprivatisierung stimmen.

Bündnis 90/Die Grünen kritisieren das Koalitionsmodell zur Bahnprivatisierung als "Etikettenschwindel", da es weder eine wirkliche Privatisierung bedeute noch das öffentliche Eigentum sichere. Der verkehrspolitische Sprecher, Winfried Hermann, sagte bei seiner Rede im Bundestag: "Jede Regierung wird zukünftig nach Kassenlage und Mehrheit Aktien verkaufen."

Die Partei Die Linke befürchtet (wie die Grünen auch) negative Konsequenzen für die Kunden und den Schienenverkehr im ländlichen Raum und den neuen Bundesländern. Die Bahn als öffentliches, staatliches Unternehmen sei aus Steuermitteln, also dem Geld der Bürgerinnen und Bürgern, groß geworden. Damit sei sie quasi Eigentum der Menschen.

Grundsätzlich begrüßt wird der Einstieg in die Privatisierung von der FDP. Dieser geht die Veräußerung von 24,9 Prozent allerdings nicht weit genug, am Ende müsse eine vollprivatisierte Bahn stehen. Die Infrastruktur soll nach Ansicht der Liberalen vollständig in Bundesbesitz bleiben.