Organspenden-Reform: Widerspruchslösung

Der Bundestag stimmt über zwei überfraktionell eingebrachte Gesetzesentwürfe ab, welche die Bundesregierung auffordern, dass Organspendemodell in Deutschland zu reformieren. Die Abgeordneten entscheiden über die Einführung einer Widerspruchslösung oder einer Zustimmungslösung.

Über die Widerspruchs- und die Zustimmungslösung sowie über einen AfD-Antrag wurde jeweils namentlich abgestimmt. Hier finden Sie die Ergebnisse zur Widerspruchslösung.

Mit 292 Ja-Stimmen und 379 Nein-Stimmen wurde der Antrag zur Widerspruchslösung bei 3 Enthaltungen abgelehnt. Die Abstimmungsergebnisse zur angenommen Zustimmungslösung finden Sie hier.

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Dafür gestimmt
292
Dagegen gestimmt
379
Enthalten
3
Nicht beteiligt
35
Abstimmungsverhalten von insgesamt 709 Abgeordneten.
Name Absteigend sortieren FraktionWahlkreisStimmverhalten
Portrait von Ingo GädechensIngo GädechensCDU/CSU9 - Ostholstein - Stormarn-Nord Dafür gestimmt
Portrait von Matthias GastelMatthias GastelDIE GRÜNEN262 - Nürtingen Dagegen gestimmt
Portrait von Alexander GaulandAlexander GaulandAfD63 - Frankfurt (Oder) - Oder-Spree Dagegen gestimmt
Portrait von Thomas GebhartThomas GebhartCDU/CSU211 - Südpfalz Dagegen gestimmt
Portrait von Kai GehringKai GehringDIE GRÜNEN120 - Essen III Dagegen gestimmt
Portrait von Axel GehrkeAxel GehrkeAfD9 - Ostholstein - Stormarn-Nord Dagegen gestimmt
Foto von Stefan Gelbhaar, MdBStefan GelbhaarDIE GRÜNEN76 - Berlin-Pankow Dagegen gestimmt
Portrait von Michael GerdesMichael GerdesSPD125 - Bottrop - Recklinghausen III Dafür gestimmt
Bundestagsabgeordneter Alois Gerig Alois GerigCDU/CSU276 - Odenwald - Tauber Dafür gestimmt
Portrait von Martin GersterMartin GersterSPD292 - Biberach Dafür gestimmt
Portrait von Eberhard GiengerEberhard GiengerCDU/CSU266 - Neckar-Zaber Dafür gestimmt
Portrait von Albrecht GlaserAlbrecht GlaserAfD170 - Schwalm-Eder Dagegen gestimmt
Portrait von Angelika GlöcknerAngelika GlöcknerSPD210 - Pirmasens Dafür gestimmt
Portrait von Franziska GminderFranziska GminderAfD Dagegen gestimmt
Portrait von Eckhard GnodtkeEckhard GnodtkeCDU/CSU66 - Altmark Dafür gestimmt
Nicole GohlkeNicole GohlkeDIE LINKE219 - München-Süd Dafür gestimmt
Portrait von Katrin Göring-EckardtKatrin Göring-EckardtDIE GRÜNEN193 - Erfurt - Weimar - Weimarer Land II Dagegen gestimmt
Portrait von Kay GottschalkKay GottschalkAfD111 - Viersen Dagegen gestimmt
Portrait von Alexander Graf LambsdorffAlexander Graf LambsdorffFDP96 - Bonn Dagegen gestimmt
Timon GremmelsTimon GremmelsSPD168 - Kassel Dafür gestimmt
Kerstin Griese MdBKerstin GrieseSPD105 - Mettmann II Dagegen gestimmt
Ursula Groden-Kranich MdBUrsula Groden-KranichCDU/CSU205 - Mainz Dagegen gestimmt
Portrait von Hermann GröheHermann GröheCDU/CSU108 - Neuss I Dagegen gestimmt
Portrait von Klaus-Dieter GröhlerKlaus-Dieter GröhlerCDU/CSU80 - Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf Dagegen gestimmt
Portrait von Michael GroßMichael GroßSPD122 - Recklinghausen II Dagegen gestimmt

In der kontroversen Debatte zur Reform des Transplantationsgesetzes wurden zwei fraktionsübergreifende Gesetzesentwürfe eingereicht - die Widerspruchslösung und die  Zustimmungslösung. Man verfolge grundlegend das Ziel, die Anzahl der Organspenden zu erhöhen und die eigentlich vorhandene Bereitschaft der Bevölkerung abzurufen. Die AfD fordert in einem Antrag eine sogenannte Vertrauenslösung. Die Abstimmungsergebnisse zur Zustimmungslösung finden Sie hier.

Anlass für die Reform sei es, dass in Deutschland etwa 9.500 Menschen auf ein Spenderorgan warteten, es im Jahr 2018 jedoch bundesweit lediglich 955 Organspender:innen gab. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich auf Platz 7 (Zahlen und Fakten des BZgA). Zudem zeigt die Spendenbilanz 2019 auf, dass die Zahl der gespendeten Organe laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) von 3.113 auf 2.995 sank. Aus einer repräsentativen Umfrage der BZgA 2018 geht hervor, dass 72% der Befragten bereit wären, nach dem Tod Spender:in zu werden.

Um diesem Problem entgegenzutreten, wurden drei unterschiedliche Lösungsansätze erarbeitet:

  • Der Gesetzesentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU/CSU) und dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach fordert die Einführung einer doppelten Widerspruchslösung. Damit gelte jede:r Bundesbürger:in als Spender:in, sofern die Person nicht zu Lebzeiten widerspricht. Ein etwaiger Widerspruch solle in einem Zentralregister eingetragen werden. Für den Fall, dass es keinen dokumentierten Widerspruch im Register gibt, müssen die Angehörigen befragt werden, darum doppelter Widerspruch. Kritiker:innen wie der ehemalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sehen in dieser Lösung einen Verlust des Selbstbestimmungsrechts. Mit dieser Lösung werde man "gleichsam nach dem Tode zum Gemeineigentum, dessen Organe zur Verfügung gestellt werden können." Eine Organspende müsse eine Spende bleiben, so  Gröhe im Tagesschau Interview. Spahn selbst befürwortet die Widerspruchslösung als "ein ermutigendes Signal für alle Patienten, die auf ein Spenderorgan warten" (Quelle: Tagesspiegel).
  • Eine Gruppe um die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock und Linken-Vorsitzende Katja Kipping schlägt vor, das Modell der Zustimmungslösung einzuführen. Diese Lösung sieht vor, dass Organe nur entnommen werden dürfen, sofern die verstorbene Person zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat. Allerdings soll hierbei die Spendebereitschaft regelmäßig erfragt werden, z.B. bei der Neubeantragung eines Personalausweises (Quelle: DLF). Auch bei dieser Lösung soll den Bürger:innen ermöglicht werden, ihre Entscheidung in einem Zentralregister zu dokumentieren, zu ändern und zu widerrufen. Zudem sollen Hausärzt:innen ihre Patient:innen regelmäßig zur Eintragung in das Register ermutigen. Die Entscheidungslösung hält SPD-Gesundheitsexperte  Karl Lauterbach für "zu kompliziert". Er ist Befürworter der Widerspruchslösung und erklärt auf Nachfrage, das "ist das einfachste". Zudem sei die Widerspruchslösung seiner Meinung nach unbürokratischer.
  • Die AfD-Fraktion sieht laut Antrag das Problem in dem durch verschiedene Skandale begünstigte und aus ihrer Sicht verbreitete Misstrauen der Bevölkerung gegenüber den Vermittlungs- und Koordinierungsstellen und spricht sich daher für eine Vertrauenslösung aus. Diese fordert vor allem, dass die Koordinierung des Organspendeprozesses von einer unabhängigen, öffentlich-rechtlichen Institution übernommen werde. Die AfD kritisiert, dass die Organisation "Eurotransplant", die aktuell die Vergabe von Spendeorganen organisiert, von einer Untersuchungskommission überwacht werde, in dem zu viele befangene Institutionen säßen - so dürfen seit 2010 auch der Vorstand der "Deutschen Stiftung Organtransplantation" sowie Direktor:innen von "Eurotransplant" selbst als Gäste an den Gremiumssitzungen teilnehmen. Eine unabhängige Kontrolle der Tätigkeiten sei laut der Fraktion demnach zurzeit nicht gegeben. Außerdem fordert die AfD ein Plus an Informationen für die Bevölkerung zum Thema Organspenden.

Bei der Abstimmungen sollen die Abgeordneten eine Gewissensentscheidung treffen - der sonst übliche "Fraktionszwang" soll somit entfallen.

Mit 292 Ja-Stimmen und 379 Nein-Stimmen wurde der Antrag zur Widerspruchslösung bei 3 Enthaltungen abgelehnt.