Frage an Agnieszka Brugger bezüglich Gesundheit

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Agnieszka Brugger
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Eberhard M. •

Frage an Agnieszka Brugger von Eberhard M. bezüglich Gesundheit

sehr geehrte Frau Malczak,
mein Vater Paul Matzke lebt 90ig jährig alleine in Aulendorf. Sein Hausarzt hat altershalber seine Praxis geschlossen, seine Zulassung aber nicht zurückgegeben. Lt. Schwäbischer Zeitung v. 22.1.11 ist dies kritikwürdig, da er seine Zulassung in Weingarten trotz erreichtem Rentenalter weiterpraktiziert, Aulendorf aber deshalb keine neue Zulassung bekommen kann. Die restlichen Hausärzte in A. sind randvoll und weisen neue Patienten ab.
Ich denke, dass dies für meinen Vater und auch für viele andere-insbesondere ältere Menschen - eine große Härte darstellt und nicht immer Angehörige und Nachbarn da sind, die die Begleitung übernehmen können.
Mein Vater ist noch fit genug, - Gott sei Dank- seinen Alltag zu bewältigen, jedoch gehen auch an ihm Spuren des Älterwerdens nicht vorüber. Er weiß zwar, dass er im Notfall jederzeit in jeder Arztpraxis behandelt werden muss, aber für ältere Menschen beginnt oft der Notfall etwas früher als bei jüngeren und es wäre dramatisch schlecht, wenn er bei unsicherer Entscheidungslage öfters den Notarzt als den Hausarzt rufen müsste. Obwohl er noch sein Auto fährt, möglichst nur in der vertrauten Umgebung von Aulendorf, möchte ich ihm nicht zumuten, regelmäßig nach RV oder Bad Waldsee zu fahren.
Ich bitte Sie freundlichst zu prüfen, ob eine neue Hausarztzulassung in Aulendorf möglich ist und dafür bei den entsprechenden Stellen vorzusprechen, damit diese das Nöötige zügig veranlassen .
mfg
Eberhard Matzke

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Matzke,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Die bislang praktizierte ärztliche Bedarfsplanung im ambulanten Sektor wird den Versorgungsanforderungen vor allem in ländlichen oder strukturschwachen Regionen nicht gerecht. Da sie zu großräumig ist, werden einerseits Versorgungsmängel in Teilen dieser Regionen durch eine Überversorgung in anderen Teilen verdeckt, andererseits werden überregionale Versorgungsbeziehungen etwa im fachärztlichen Bereich unzureichend abgebildet. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren noch weiter verschärfen, wenn es nicht zu einem Paradigmenwechsel kommt. Aus diesem Grund haben wir uns in der Fraktion bereits intensiv mit diesem Thema beschäftigt ( http://www.gruene-bundestag.de/cms/beschluesse/dokbin/353/353030.gesundheitsversorgung_laendlicher_region.pdf ).

Im dem von Ihnen erwähnten Artikel aus der Schwäbischen Zeitung vom 21.01.11 wird dieser Missstand anschaulich beschrieben: „Grund dafür ist der Versorgungsplan der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Dieser sieht für den Landkreis Ravensburg einen Hausarzt pro 1659 Einwohner vor. Der Landkreis hat 276 176 Einwohner, es sind also 167 Hausärzte vorgesehen. Tatsächlich gibt es im Kreis Ravensburg jedoch 189 Hausärzte. Der Landkreis ist somit aus Sicht der KV überversorgt. Wie sich die Hausärzte im Landkreis verteilen, darauf achtet die KV nicht. Wegen der sogenannten Überversorgung darf sich nur dann ein neuer Hausarzt ansiedeln, wenn ein bisheriger Arzt aufhört, seinen Praxissitz und seine Zulassung weitergibt.“

Problematisch ist zudem, dass die Bedarfsplanung keine übergreifende, an der Größe und Sozialstruktur der Bevölkerung orientierte Versorgungsplanung ist, sondern nur den ambulanten Sektor umfasst und lediglich undifferenziert eine bestimmte Arztzahl fortschreibt. Hier können nur echte Strukturreformen die Voraussetzung für eine bedarfsgerechte Versorgung insbesondere in strukturschwachen Regionen schaffen. Diese Strukturreformen erfordern jedoch die Bereitschaft aller Akteure im Gesundheitswesen, sich auf Veränderungen einzulassen.

Die generell sinkende Zahl von Hausärztinnen und Hausärzten deutet aber auch auf ein schwindendes Interesse des ärztlichen Nachwuchses an einer hausärztlichen Tätigkeit im Allgemeinen und speziell in strukturschwachen Regionen hin. Es wäre vor diesem Hintergrund zu kurz gegriffen, die Perspektive allein auf die ärztliche Berufsgruppe oder die Verteilung finanzieller Ressourcen zu richten. Vielmehr sollte die Frage im Zentrum stehen, welche Anforderungen ein an den Patientinnen und Patienten orientiertes Versorgungssystem vor dem Hintergrund der demographischen Veränderungen künftig zu erfüllen hat. Gerade in ländlichen Regionen ist dies eine besondere Herausforderung, die zum Umdenken und auch zum Beschreiten neuer Wege zwingt. Für uns Grüne ist dabei eine koordinierte, generationenspezifische und nach regionalen Bedürfnissen differenzierte Gesundheitsversorgung das Ziel.

Nicht nur Akteure im Gesundheitswesen sind in der Pflicht, auf eine Verbesserung der Versorgungsqualität vor allem in unterversorgten Regionen hinzuwirken, sondern auch die Kommunen. Sie könnten stärker eine moderierende Rolle einnehmen, um notwendige Strukturänderungen anzustoßen oder zu begleiten. Sie können aber auch konkret die Versorgung verbessern, etwa indem sie Räume für Praxen, Zweigpraxen oder mobile Teams kostengünstig zur Verfügung stellen. Sie könnten für eine Anschubfinanzierung bei der Niederlassung sowie eine bedarfsgerechte verkehrliche Anbindung von Hausarztpraxen, Gesundheitszentren oder Krankenhäusern sorgen. Das aber kostet Geld, das viele Kommunen derzeit nicht aufbringen können. Daher müssen sie aus dem Teufelskreis steigender Ausgaben und sinkender Einnahmen durch eine aufgabengerechte Finanzausstattung befreit werden.

Zudem haben es vor allem Bund, Länder und Kommunen generell in der Hand, die Lebens- und Arbeitsbedingungen in strukturschwachen Regionen zu verbessern. Dies schließt auch allgemein ein bedarfsgerechtes Angebot von Einrichtungen der Daseinsvorsorge sowie gute Bedingungen für die Familien der in unterversorgten Regionen tätigen Gesundheitsberufe im Besonderen ein. Dazu zählen etwa eine ausreichende Kinderbetreuung, das Vorhandensein von Schulen und Arbeitsmöglichkeiten für Ehe- und Lebenspartner.

Aber ich möchte Ihnen nicht nur die gesundheitspolitischen Vorschläge unserer Fraktion näher bringen, mit denen wir versuchen wollen, den Hausärztemangel zu verhindern, sondern Ihnen auch konkret behilflich sein. Aus diesem Grund werde ich mich mit den KommunalpolitikerInnen von Bündnis 90/Die Grünen vor Ort koordinieren, um gemeinsam die Kassenärztliche Vereinigung zu kontaktieren und auf die untragbare Situation hinzuweisen sowie den Zulassungsausschuss dazu zu bewegen, weitere Hausärzte zuzulassen.

Ich werde Sie über meine weiteren Bemühungen informieren und stehe Ihnen darüber hinaus für weitere Fragen und Anregungen jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Agnieszka Malczak

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