Frage an Alois Gerig bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Bundestagsabgeordneter Alois Gerig
Alois Gerig
CDU
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Frage von Rainer M. •

Frage an Alois Gerig von Rainer M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Gerig,

werden Sie sich für die Einführung Bundesweiter Volksentscheide einsetzen und im Falle einer Abstimmung zur Grundgesetzänderung, zugunsten der Einführung Bundesweiter Volksentscheide votieren?

Falls nein: Bitte erklären Sie vollständig, warum Sie die Einführung Bundesweiter Volksentscheide ablehnen.

Sonstiges: In einer repräsentativen Forsa-Umfrage von Anfang Juni wurden im Auftrag von Mehr Demokratie 1.004 Personen befragt, ob es Volksbegehren und -entscheide auch auf Bundesebene geben sollte. Insgesamt antworteten 68 Prozent der Befragten mit „Ja“, 26 Prozent antworteten mit „Nein“. Unter den Anhängern der CDU/CSU unterstützen 65 Prozent die Forderung nach mehr Mitbestimmung, 27 Prozent sind dagegen.

Mit freundlichen Grüßen
Rainer Meier

Bundestagsabgeordneter Alois Gerig
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Meier,

ich bedanke mich für Ihre Anfrage. Die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene kann ich nicht befürworten.

In unserer Gesellschaft sind in sehr vielen Lebensbereichen sehr komplexe gesetzliche Regelungen erforderlich. Beispiele hierfür sind die Bereiche Wirtschaft, Technik, Steuerrecht oder Soziale Sicherheit. Aufgrund der Vielschichtigkeit vieler Fragestellungen bedürfen die meisten Gesetzentwürfe nicht nur im Plenum des Bundestages, sondern auch in seinen Ausschüssen sowie in den Arbeitsgruppen der Fraktionen und der Koalition umfangreicher und detaillierter Beratungen. Nicht selten sind bei den sehr schwierigen Regelungsmaterien Anhörungen von Sachverständigen notwendig. Vielfach ist auch eine sorgfältige Folgenabschätzung erforderlich. Zudem müssen Wechselwirkungen mit anderen Regelungsbereichen berücksichtigt werden. Während des Beratungsprozesses werden meistens Änderungen an den Gesetzentwürfen diskutiert und vorgenommen. Die Entscheidungsfindung ist in den meisten Fällen zu komplex, als dass man diese auf eine einfache Ja-Nein-Entscheidung einer Volksabstimmung reduzieren könnte.

Aus meiner Sicht ist die parlamentarische Demokratie der bessere Weg, durchdachte und ausgewogene Entscheidungen über komplexe und schwierige Sachverhalte zu treffen. Bei Volksentscheiden sehe ich die Gefahr, dass politische Entscheidungen durch Populisten stark beeinflusst werden. Zudem ist befürchten, dass aus dem Bauch heraus abgestimmt und sachfremde Beweggründe entscheidend für die Stimmabgabe sind.

Die Volksabstimmungen im Land Berlin über den Flughafen Tempelhof und über den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen belegen, dass Volksabstimmungen nicht zu einer höheren Wahlbeteiligung führen. Zu befürchten ist, dass Volksabstimmungen eine Schwächung des Parlaments mit sich bringen. Ich kann nicht erkennen, dass dies zu mehr Vertrauen in die Parlamentarier und damit zu weniger Politikverdrossenheit führen wird. Vielmehr besteht die Gefahr, dass sich das Parlament vor schwierigen und unpopulären Entscheidungen drückt und stattdessen lieber Volksabstimmungen abgehalten werden.

Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes haben die Bundesrepublik Deutschland als eine parlamentarische Demokratie ausgestaltet. Das heißt, alle wesentlichen Entscheidungen über das Gemeinwesen werden von einem gewählten Parlament gefällt. Im Mittelpunkt unserer Demokratie steht also das Parlament, das vom Volk in allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen gewählt wird. In den vergangenen 60 Jahren hat sich die Bundesrepublik alles in allem als eine stabile und erfolgreiche Demokratie erwiesen. Die Einführung von Volksabstimmungen auf Bundesebene würde den Charakter unserer Demokratie stark verändern - ich fürchte nicht zum positiven.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie frohe Weihnachten und ein
glückliches neues Jahr.

Mit freundlichen Grüßen
Alois Gerig