Frage an Angelika Birk bezüglich Recht

Angelika Birk
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Günther P. •

Frage an Angelika Birk von Günther P. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Birk,

seit Jahrzehnten wird mir die Beteiligung an einer Volksabstimmung/Volksentscheid von den Politikern versagt – vermutlich weil ich zu DUMM bin!

Da ich für ALLES in meinem Leben nach dem deutschen Recht persönlich hafte, sehe ich es als eine Frechheit und Anmassung an, mir die Abstimmung über die Geschehnisse in unserem Land und damit auch über mein persönliches Leben zu verweigern.

Alle Politiker versuchen mit Vehemenz die Einführung der Volksabstimmung (z.b. wie in der Schweiz) zu verhindern.
Warum SIE ALLE (Politiker aller Parteien) diese Einführung verhindern ist uns gemeinsam klar, denn dann würde endlich Demokratie in unserem Land eingeführt und keine Parteiendiktatur mehr herrschen! Dann könnten die Parteifürsten nicht mehr selbstherrlich regieren und sich sowie ihre befreundeten Kapitalisten an unseren Steuergeldern bereichern.

Menschen in unserem Land werden verfolgt, observiert, von der Staatsanwaltschaft verfolgt und schikaniert, weil sie deutlich ihre Meinung sagen und auf den Missstand, den alle Politiker verursacht haben hinweisen. Doch die Politiker dürfen sich am Volkseigentum (Steuergeldern) bereichern sowie Fehlentscheidungen treffen und sich untereinander Aufträge zuschieben ohne einer rechtlichen Belangung. Wenn ein Politiker Verantwortung übernimmt heisst es, er kann sich jetzt ins Privatleben zurückziehen oder eine finanziell super dotierte Stelle einnehmen und weiterhin monatliche Gelder (Gehälter, Tantiemen oder dergleichen) einstreichen.

Mich interessiert Ihre persönliche Meinung zu meinen Ausführungen bzw. zu diesem Zustand in unserem Land.

Weiterhin interessiert es mich, wie Sie an dieser Thematik arbeiten wollen, um den Parteien (und damit sich selber) die Entscheidungsmacht zu entziehen und dem Volk - durch Einführung des Volksentscheids für alle volksrelevanten Belange - zu übertragen.

Ich bin sicher, dass wir ALLE in unserem Land die – nicht vom Volk gemachten – Probleme beseitigen können. Dies kann jedoch nicht mit einer Parteidiktatur und amerikanischen Unterwerfung erfolgen.

Viele Grüße
Günther Perlick

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Perlick,

leider hat die Antwort an Sie etwas gedauert, dafür ist sie etwas umfassender ausgefallen, weil sie ein Anliegen angesprochen haben, was mir auch als ehemaliger Ministerin sehr wichtig ist.

Die GRÜNEN haben sich seit ihrer Gründung die Bürgerbeteiligung auf die Fahnen geschrieben, dazu gehören Bürgerbegehren, Bürgerentscheide oder Volksentscheide.

In Schleswig Holstein haben wir während unserer Regierungsbeteiligung erleben müssen, wie auch ein relativ fortschrittliches Landesgesetz zu Bürgerentscheiden beschnitten werden kann: Es dürfen nur Fragen vom Volk mit bindender Wirkung für Regierung und Landtag abgestimmt werden, die den Landeshaushalt nicht berühren. Mit dieser Einschränkung wurden gegen unseren Willen von unserem Koalitionspartner zum Beispiel bildungspolitische Fragestellungen nicht zugelassen, denn fast alle politischen Fragen haben mindestens indirekt auch mit Geld zu tun.

In Hamburg kämpft die GAL seit ihrer Gründung für Möglichkeiten des Bürgerentscheides und weiß sich da einer großen Unterstützung in der Bevölkerung sicher. Auch hier wird - in diesem Fall von der CDU geführten Regierung - die Praxis torpediert. Nähere Einzelheiten erfahren Sie hierzu in der GAL- Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft.

Auch auf Bundesebene ist das Thema sehr zäh. Ich persönlich hätte es begrüßt, wenn es zur EU Verfassung eine lange öffentliche Debatte mit Volksabstimmung gegeben hätte.

Erfolgreicher waren die GRÜNEN beim Thema Transparenz: In Schleswig Holstein gibt es ein Informationsfreiheitsgesetz, dass den BürgerInnen Informationsrechte gegenüber Behörden einräumt, auf Bundesebene ist dies fix und fertig in der Schublade und hätte- wäre nicht die Wahl dazwischen gekommen, schon abgestimmt werden können.

Die Verbraucherschutzministerin Renate Künast hat erste Schritte für mehr Transparenz bei Waren und Dienstleistungen erreicht.

Vor zwanzig Jahren konnten große Firmen mit Parteispenden Millionen Steuern sparen .Diese Möglichkeit haben wir auf einen Betrag begrenzt, der deutlich unter 2000 Euro pro Person liegt und die Herkunft von Parteispenden muss veröffentlicht werden. Nur auf dieser von den GRÜNEN initiierten Gesetzesgrundlage konnten Herr Kohl als Kanzler und andere Politiker wegen möglicher Bestechung öffentlich zur Rechenschaft gezogen werden.

Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass PolitikerInnen in Parlament und Regierung alle ihre Einnahmen aus Nebentätigkeiten veröffentlichen müssen.

Mit Sorge sehen wir die Privatisierung von öffentlichen Aufgaben der Daseinsvorsorge in Verkehr, Wasser und Energieversorgung, bei Krankenhäusern, beim sozialen Wohnungsbau und in der Bildung. Dies beschränkt die Möglichkeiten demokratischer Kontrolle und befördert große Monopole, weswegen wir beispielsweise eine Kontrollbehörde mit Eingriffsmöglichkeiten für die Bereiche des Telefonierens und die Energiekonzerne durchgesetzt haben, denen das natürlich gar nicht recht ist, weil so zunehmend ihre Preisgestaltung im Sinne von mehr Verbraucherschutz geprüft wird.

Jetzt haben wir auch einen ersten Schritt zu mehr Transparenz über die im Vergleich zur Politik sehr viel höheren Spitzengehälter der Wirtschaft erreicht. Der Bundestag hat ein Gesetz verabschiedet, damit die Firmenleitungen in ihren Jahresberichten ihre Gehälter veröffentlichen müssen, ebenso wie jetzt schon die persönlichen Einnahmen der GeschäftsführerInnen der gesetzlichen Krankenkassen per Gesetz öffentlich sind.

Wir sind aber noch nicht zufrieden mit dem Erreichten und setzen uns beispielsweise dafür ein, dass auch die sehr großzügige Altersversorgung der Abgeordneten des Bundes und zum Teil der Länder überprüft wird.

In Schleswig Holstein haben die GRÜNEN entscheidend mit dafür gesorgt, dass die dortigen Landtagsdiäten mehrfach- anders als von den anderen Parteien geplant- nicht erhöht wurden und auch alle Regierungsmitglieder auf der Ministerbank wiederholt auf Gehaltserhöhungen verzichteten, sowie die Ruhegeldsregelung bescheidener gestaltet wurde.

Solche positiven ersten Schritte finden Sie allerdings weniger ausführlich und häufig in den Medien als die Skandale.

Mit freundlichem Gruß
Angelika Birk, GRÜNE Bundestagskandidatin in Lübeck Wahlkreis