Frage an Angelika Graf bezüglich Finanzen

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Angelika Graf
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Frage von Benjamin C. •

Frage an Angelika Graf von Benjamin C. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Graf,

ein paar Fragen, vielleicht können Sie mir mit meinem Verständnis weiter helfen, denn ich kaum aus dem Staunen nicht mehr raus. Sie schreiben: "Ich halte es schlicht für logisch, dass ein reiner Sparkurs Europa nicht aus der Krise bringen kann". Griechenland ist Pleite und die anderen Länder evtl. auch. Wie kommen Sie und die SPD dazu vom Sparkurs zu reden? Sie wissen, dass Spanien und Italien bereits nicht mehr fähig sind sich am Kapitalmarkt zu finanzieren?

Der ESM ist doch letztlich eine Ergänzung der Zentralbank. Dass die ESM Bank nicht direkt an die EZB angegliedert ist kann man nur als Verschleierung bezeichnen. Können Sie versichern, dass die europäische Zentralbank nicht Pleite geht? Sie haben für eine Abgabe von Haftung an die EZB/ESM gestimmt, und zwar in Höhe von bis zu 1000 Mrd€ und mehr. Kein Mensch kann das noch überblicken, kein Bürger kontrollieren. Dass die EZB schon heute im Rahmen des SMP Staats-Anleihen kauft ist ja ohnehin verfassungswidrig. Sie nehmen einen vergangenen Gesetzesbruch und argumentieren dieser befähige zu weiteren Gesetzesbrüchen. Sie verweisen darauf, dass das SMP unbekannt ist. Warum sehen sie es nicht als Pflicht die Bürger darüber zu infomieren? Die Verluste aus dem SMP hätten schön längst öffentlich gemacht werden müssen.

Sollte der Euro kollabieren, was durchaus nicht unwahrscheinlich ist welche Forderung hat die Bundesbank an die anderen Zentralbanken? Warum werden für diese außerordentlich großen Risiken keine Rückstellung gebildet?

"Wenn die Länder dagegen aus der Krise herauskommen, dann kommen wir mit einem blauen Auge aus der Sache heraus."

Das finde ich genau richtig ausgedrückt. Man könnte es auch so sagen: die deutschen Politiker und die Zentralbänker spekulieren mit Billionen von Euro und hoffen, dass alles noch gut wird. Es ist die größte Finanzspekulation aller Zeiten und der Ausgang ist völlig unbekannt. Es einfach unbegreiflich.

Mit freundlichen Grüßen
Benjamin Cordes

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SPD

Sehr geehrter Herr Cordes,

vielen Dank für Ihre Abgeordnetenwatch-E-Mail vom 5. Juli 2012. Gerne nehme ich zu Ihren Fragen Stellung:

Frage: Wie kommen Sie und die SPD dazu vom Sparkurs zu reden?

Antwort: Wenn wir von einem Sparkurs reden, dann reden wir davon, dass die Vergabe von Hilfe an Konditionen geknüpft ist und die Krisenländer derzeit diverse Reformen und Einsparungen durchführen. Italien hatte bereits im letzten Jahr ein Sparpaket mit einem Volumen von rund 30 Milliarden Euro und vor kurzem weitere Sparmaßnahmen mit einem Volumen von 4,5 Milliarden Euro beschlossen, im kommenden Jahr sind Einsparungen mit einem Volumen von 10,5 Milliarden Euro geplant und 2014 sind es 11 Milliarden Euro. Spanien plant ein Sparpaket mit einem Volumen von 65 Milliarden Euro und hatte bereits im März ein Sparpaket mit einem Volumen von 27 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Griechenland hatte bereits 2010 ein Sparpaket mit einem Volumen von zwei Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts beschlossen und unter anderem Mitte 2011 ein weiteres mit einem Volumen von 28 Milliarden Euro. Nicht alles wurde bisher erfolgreich umgesetzt (was man übrigens auch zum damals groß angekündigten schwarz-gelben Sparpaket für Deutschland sagen muss und was insofern kein rein griechisches Problem ist). Die Staatsausgaben Griechenlands _ohne Zinsen_ wurden im Zeitraum von 2009 bis 2011 aber bereits um 17 Prozent gesenkt, wobei die Kosten für den öffentlichen Dienst noch stärker gesunken sind. Weitere Einschnitte sehen neben Lohnkürzungen, Einsparungen bei den Renten, Militärausgaben und den Ausgaben für Arzneimitteln die Entlassung von 150.000 Staatsbediensteten bis 2015 vor. Insofern würde ich von einem Sparkurs reden.

Zum Vergleich: In Deutschland erhöht die schwarz-gelbe Bundesregierung die Ausgaben im Bundeshaushalt von 296,2 Milliarden in 2011 auf 312,7 Milliarden Euro in diesem Jahr. Die Neuverschuldung Deutschlands soll sich nach den Plänen der Bundesregierung in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr - trotz Rekordsteuereinnahmen - auf 34,8 Milliarden Euro verdoppeln. In Deutschland gibt es insofern, anders als in den meisten anderen Euro-Ländern, keinen Sparkurs. Es kann einen daher ein wenig wundern, dass die Bundeskanzlerin immer so viel vom Sparen redet, aber sie meint damit offensichtlich immer nur die anderen. Erfolgte Einsparungen durch die schwarz-gelbe Bundesregierung (z.B. Streichung Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger, Kürzung Elterngeld und Zusammenstreichen der aktiven Arbeitsmarktpolitik) wurden durch neue Ausgaben (u.a. Subventionierung Hotels, Neueinstellungen in den Ministerien, Senkung der Erbschaftssteuer für hohe Vermögen) überkompensiert. Man könnte auch von einer Umverteilung von unten nach oben sprechen.

Frage: Sie wissen, dass Spanien und Italien bereits nicht mehr fähig sind sich am Kapitalmarkt zu finanzieren?

Antwort: Spanien und Italien bekommen schon noch Geld am Kapitalmarkt, sie müssen für neue Kredite - anders als Deutschland - aber äußerst hohe Zinsen zahlen. Diese Zinsbelastung frisst Sparanstrengungen gleich wieder auf. Geld, das eingespart wird, muss stattdessen für höhere Zinsen ausgegeben werden.

Können Sie versichern, dass die europäische Zentralbank nicht Pleite geht?

Antwort: Das müssen Sie die Bundeskanzlerin fragen. Ich kann als Abgeordnete einer Oppositionspartei nichts versichern, was nicht in meiner Hand liegt. Ich gehe aber nicht von einer Pleite der Zentralbank aus, denn das wäre eine Explosion mitten in Europa. Wie die Krise weiter verläuft, hängt von der Politik der Bundeskanzlerin und ihrer Regierung ab. Es ist daher die Aufgabe der Bundeskanzlerin dafür zu sorgen, dass dies nicht passiert. Die SPD kann als Oppositionspartei derzeit lediglich Vorschläge machen und nur dann etwas durchsetzen, wenn die Bundesregierung die Stimmen der Opposition braucht. Als das jetzt beim Fiskalpakt der Fall war, haben wir ein Wachstumspaket für Europa durchgesetzt sowie die Einführung der Finanztransaktionssteuer, um den Finanzmarkt endlich an den Krisenkosten zu beteiligen. Zwei in meinen Augen überfällige Kurskorrekturen, die die Bundesregierung bis dahin blockiert hatte.

Frage: Sie verweisen darauf, dass das SMP unbekannt ist. Warum sehen sie es nicht als Pflicht die Bürger darüber zu infomieren?

Antwort: Das stimmt ja nicht. Ich informiere darüber, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im großen Stil Staatsanleihen gekauft hat, sowohl in meinen Antwortschreiben, als auch in Pressemitteilungen und in Diskussionen - im Gegensatz zu den Regierungsparteien und der Bundeskanzlerin, die darüber lieber schweigen. Sie sollten diesen Vorwurf daher lieber an diejenigen richten, die nicht über die Rolle der EZB und die damit verbundenen Risiken reden, sondern sich stattdessen hinstellen und (ohne dabei rot zu werden) vor gemeinschaftlicher Haftung „warnen“ und sie „ablehnen“, obwohl es diese ja schon lange gibt. Zur EZB möchte ich noch darauf hinweisen, dass der Bundestag nicht darüber entscheidet, wenn die EZB Staatsanleihen kauft. Das ist nichts, dem Abgeordnete zugestimmt hätten. Es ist eher etwas, was von der Bundeskanzlerin durch wohlwollendes Schweigen geduldet wird und wozu die EZB sich gezwungen fühlt, weil die Politik kein ausreichendes Tempo an den Tag legt. Letzteres hat auch damit zu tun, dass die Bundeskanzlerin fast jede Rettungsmaßnahme erstmal öffentlichkeitswirksam abgelehnt hat, nur um ihr dann, nach ein paar verstrichenen Monaten, so lautlos wie möglich zuzustimmen. Für die Umfragewerte der Kanzlerin ist das super, für die Euro-Krise und die daraus für Deutschland entstehenden Kosten nicht ganz so.

Man darf ja nicht vergessen - als die Probleme Griechenlands nicht zuletzt durch immer höhere Zinsen erstmals Anfang 2010 richtig akut wurden, erklärte die Bundeskanzlerin noch, dass Griechenland sich selbst helfen müsse und es keine Hilfe gebe. Dafür gab es zwar in Deutschland großen Applaus. Zwei Jahre später, in denen auf Finanzhilfe für Griechenland ein temporärer Rettungsschirm (EFSF), Milliardenrisiken der EZB mit gemeinschaftlicher Haftung und nun ein dauerhafter Rettungsschirm (ESM) folgte, geht es schon lange nicht mehr nur um Griechenland, sondern um große Volkswirtschaften wie Spanien und Italien. Und ich muss noch immer Artikel lesen, die Titel haben wie „Merkel sperrt sich gegen jede gemeinsame Haftung“. Insofern würde ich mir auch ein bißchen mehr Ehrlichkeit der Bundeskanzlerin wünschen, denn ihr Ziel muss es ja sein, die Menschen von ihrem Weg zu überzeugen, nicht die Menschen über ihren Weg zu täuschen. Ich freue mich daher über die Aufforderung des Bundespräsidenten Joachim Gauck, dass Merkel die Menschen besser und „sehr detailliert“ über die Euro-Rettung aufklären müsse.

Frage: Sollte der Euro kollabieren, was durchaus nicht unwahrscheinlich ist welche Forderung hat die Bundesbank an die anderen Zentralbanken? Warum werden für diese außerordentlich großen Risiken keine Rückstellung gebildet?

Antwort: Auch das müssen Sie die Bundesregierung fragen. Die SPD hatte gefordert, Rückstellungen aufzubauen, die schwarz-gelbe Bundesregierung will das aber nicht. Unsere entsprechenden Hinweise anbei:

http://www.spdfraktion.de/presse/pressemitteilungen/haushalt-2013-bundesregierung-verkennt-risiken-der-finanzkrise

http://www.spdfraktion.de/presse/pressemitteilungen/merkel-hat-konsolidierung-aufgegeben-und-bricht-den-fiskalvertrag-vor-inkr

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Alternative zu Hilfsmaßnahmen für die Krisenländer - die Verweigerung der Hilfe - für Deutschland wahrscheinlich noch teurer wäre. Zumal es bisher ja um Garantien und Kredite geht, nicht um Schenkungen. Wenn es den Krisenländern besser geht, geht es auch uns besser. Geht es ihnen schlechter, geht es auch uns schlechter. Man darf nicht so tun, als wäre die Verweigerung von Hilfsmaßnahmen eine kostenlose Alternative für Deutschland, die keine weiteren und uns betreffenden Folgen hätte.

Mit freundlichen Grüßen
Angelika Graf