Frage an Angelika Graf bezüglich Familie

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Angelika Graf
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Frage von Johanna B. •

Frage an Angelika Graf von Johanna B. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Graf,

ich recherchiere für meine Seminararbeit mit dem Thema: " Maßnahmen der Familienförderung in unserer Region und deren Auswirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung.

Vor allem zum ersten Teil meiner Arbeit möchte ich am liebsten aus erster Hand Informationen verwenden - und wende mich somit an Sie. . . eine sympatische Politikerin.

Könnten Sie mir konkrete Maßnahmen unserer Familienpolitik nennen, die in den vergangenen Jahren in Rosenheim und Landkreis getroffen und umgesetzt wurden?

Ich wäre für jede Antwort und Hilfe sehr dankbar.

Mit freundlichem Gruße,

Brunner J.

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Sehr geehrte Frau Brunner,

vielen Dank für Ihre Abgeordnetenwatch-E-Mail vom 14. Juli 2008.

Die Familienpolitik des Bundes ist in den letzten Jahren auch in Stadt und Landkreis Rosenheim sichtbarer geworden. Dies betrifft insbesondere die von der rot-grünen Bundesregierung gestartete Weichenstellung -- die wir nun in der Großen Koalition fortführen -- mehr in Familieninfrastruktur zu investieren und vor allem junge Familien und solche mit geringem Einkommen stärker gezielt finanziell zu fördern.

Eine der ersten Handlungen der rot-grünen Bundesregierung im Bereich Familieninfrastruktur war die Verbesserung der Qualität der Kinderbetreuung. Mit der Nationalen Qualitätsinitiative im System der Tageseinrichtungen (NQI) haben wir ab 1999 wichtige Impulse für die dauerhafte Verbesserung der Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsqualität in Kindertageseinrichtungen gegeben. Die Ergebnisse der NQI sind in vielen Bundesländern in die Entwicklung der Bildungspläne eingeflossen. Grundsätzlich hat der Bund hier aber nur eine sehr begrenzte Gesetzgebungskompetenz und kann insofern nur grundlegende Qualitätsanforderungen und Förderziele festschreiben und eben Impulse für die Entwicklung in den Ländern geben.

Mit der "Allianz für die Familie" haben wir ab 2003 die Initiativen für eine bessere Balance von Familie und Arbeitswelt gebündelt und setzen uns für eine familienfreundlichere Arbeitswelt und Unternehmenspolitik ein. Mit der Allianz wurden die Betriebe zu mehr Familienfreundlichkeit ermuntert, zum Beispiel durch familienfreundliche Arbeitszeiten und durch die Einrichtung von Betriebskindergärten. Schwerpunkt war dabei, den Unternehmen deutlich zu machen, dass sie selbst von Familienfreundlichkeit profitieren, weil dadurch die Motivation der MitarbeiterInnen steigt und die Bindung zum Unternehmen wächst. In der Großen Koalition setzen wir die Initiative unter dem neuen Namen "Erfolgsfaktor Familie" fort. Seit Februar 2008 fördert der Bund mit 50 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds zudem Betriebe, die für die Kleinkinder ihrer Beschäftigten neue Plätze in Kindertageseinrichtungen bzw. Betriebskindergärten schaffen.

Ein noch konkreteres Beispiel ist das Investitionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung (IZBB), auch Ganztagsschulprogramm genannt. SPD und Grüne hatten sich für mehr Ganztagsschulplätze in Deutschland ausgesprochen, weil diese zum einen die Möglichkeit bieten, individuelle Förderung der Kinder auszubauen und zum anderen auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Deswegen hatten wir 2003 das Ganztagsschulprogramm ins Leben gerufen. Zwar sind eigentlich die Länder für Schulen zuständig, doch da sich in den Ländern nichts bewegte, haben wir den Ländern 4 Mrd. Euro sozusagen als Investitionshilfe angeboten, um bei dem Thema voranzukommen. Von diesen 4 Mrd. Euro für Neu-, Aus- oder Umbaumaßnahmen sowie Ausstattungsinvestitionen erhielt Bayern rund 600 Mio. Euro. Die jeweiligen Landesregierungen mussten dann entscheiden, für welche Schulen sie das Geld wie verwenden. Die Bayerische Staatsregierung hat dabei sehr viel stärker als andere Länder auf Gymnasien gesetzt, offenbar auch um durch Verwendung der Bundesmittel für Umbaumaßnahmen im Rahmen der Umstellung zum achtjährigen Gymnasium eigene Landesmittel einzusparen. Deswegen sind die meisten anderen Bundesländer leider auch schon sehr viel weiter was das echte Ganztagsschulangebot betrifft, als wir in Bayern.

Die Laufzeit des Programms (ursprünglich sollte das Programm Ende 2008 auslaufen) wurde von der Großen Koalition noch mal um ein Jahr verlängert. Die einzelnen Maßnahmen sind also noch nicht alle abgeschlossen. Nach meinen Informationen erhielten folgende Schulen in Stadt und Landkreis folgende Bundesmittel aus dem rot-grünen Ganztagsschulprogramm: Pauline-Thoma-Hauptschule Kolbermoor: 2 Mio. EUR; Gymnasium Bad Aibling, Freie Waldorfschule Rosenheim: je 1,2 Mio. EUR; Ludwig-Thoma-Gymnasium Prien, Gymnasium Raubling, Ignaz-Günther-Gymnasium/Rosenheim: je 1 Mio. EUR; Karolinengymnasium Rosenheim: 700.000 EUR; Luitpold-Gymnasium Wasserburg: 650.000 EUR; Wirtschaftsschule Kalscheuer/Rosenheim: 600.000 EUR; Gymnasium Bruckmühl, Finsterwalder Gymnasium/Rosenheim: je 500.000 EUR; Private Realschule Schloss Brannenburg: 350.000 EUR; Grundschule Innsbrucker Straße/Rosenheim: 300.000 EUR; Volksschule St. Peter Rosenheim: 100.000 EUR. Insgesamt sind es also rund 11 Mio. Euro für Schulen in Stadt und Landkreis Rosenheim. Bundesweit profitieren rund 6.000 Schulen von dem Programm, bayernweit rund 700.

Im Januar 2004 startete die damalige Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) die Initiative "Lokale Bündnisse für Familie" Die Initiative "Lokale Bündnisse für Familie", die von der Großen Koalition fortgesetzt wird, soll helfen, die Familienfreundlichkeit vor Ort zu verbessern und konkrete Hilfen in allen Lebenslagen bieten. Verschiedene Akteure aus Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Kinderbetreuungseinrichtungen, Kirche und natürlich vor allem Eltern sollen sich hier zusammenfinden und konkrete, regionalspezifische Verbesserungen für Familien vor Ort entwickeln und umsetzen, wie zum Beispiel kommunale Infrastrukturmaßnahmen zugunsten von Familien vom Spielplatz bis zu familienfreundlichem Wohnraum, familiengerechte Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen, bessere Informationen für Familien über Hilfsangebote und vieles mehr. Die jeweiligen Schwerpunkte der einzelnen Bündnisse sollen bewusst von den Akteuren vor Ort festgelegt werden. Die Bündnisse werden jeweils beim Aufbau von Bundesseite aus unterstützt und anschließend begleitet. Bisher sind deutschlandweit schon fast 500 solcher Bündnisse entstanden. In Bayern gibt es 52 Lokale Bündnisse für Familie. Auch in Rosenheim und Wasserburg sind mittlerweile solche Familienbündnisse mit der Kommunalpolitik entstanden.

Zum 1. Januar 2005 wurde von der damaligen rot-grünen Bundesregierung der sogenannte Kinderzuschlag in Höhe von maximal 140 Euro im Monat eingeführt. Dieser ist ein zielgerichtetes Instrument für Familien mit geringem Einkommen und soll verhindern, dass Eltern, die sich durch eigenes Einkommen selbst versorgen können, durch die Geburt von Kindern auf Leistungen des Arbeitslosengeldes II zurückgreifen müssen. Vor kurzem hat die Große Koalition beschlossen, dass der Kinderzuschlag ausgebaut wird, indem die Einkommensanrechnung abgemildert wird. 160.000 zusätzliche Kinder sollen dadurch künftig vom Kinderzuschlag profitieren. 2007 wurde für rund 100.000 Kinder der Kinderzuschlag gewährt.

Ebenfalls zum 1. Januar 2005 trat das Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) in Kraft. Hier war der Hintergrund, dass es in Deutschland kaum Möglichkeiten gab, Kinder unter 3 Jahren in einer Kinderbetreuungseinrichtung betreuen zu lassen. Weil viele der eigentlich dafür zuständigen Bundesländer nicht handeln wollten, hatte die rot-grüne Bundesregierung, ähnlich wie beim Ganztagsschulprogramm, mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz den Ländern zusätzliches Geld -- 1,5 Mrd. Euro im Jahr -- für den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur bereitgestellt, verbunden mit Qualitätsanforderungen. Ziel des Gesetzes ist es, dass bis 2010 rund 230.000 zusätzliche Plätze für Kinder unter 3 Jahren in Kindergärten, Krippen und in der Tagespflege entstehen. Bereits innerhalb der ersten 10 Monate nach Inkrafttreten des Tagesbetreuungsausbaugesetzes wurden 21.500 neue Plätze geschaffen, das Angebot in Westdeutschland verdoppelte sich. Welche konkreten Auswirkungen das Gesetz auf das Angebot in Stadt und Landkreis Rosenheim hatte, lässt sich leider nicht beziffern, zumal der Ausbau der Kinderbetreuung nicht nur durch das Tagesbetreuungsgesetz erfolgt sondern auch grundsätzlich Aufgabe der Kommunen bzw. Länder ist. Die Länder müssen letztlich die Kommunen mit den entsprechenden finanziellen Mitteln ausstatten, damit diese ein bedarfsgerechtes Kinderbetreuungsangebot einrichten können. Der Bund hat daher den Ländern das zusätzliche Geld zur Weiterleitung an die Kommunen zur Verfügung gestellt, zumal der Bund nicht direkt Geld an die Kommunen oder Kinderbetreuungseinrichtungen überweisen darf. Grundsätzlich ist in Stadt und Landkreis Rosenheim aber in den letzten Jahren zu beobachten gewesen, dass sich das Angebot an Kleinkinderbetreuungsmöglichkeiten deutlich verbessert hat, auch wenn die Nachfrage immer noch höher ist als das Angebot.

In der Großen Koalition hat die SPD durchgesetzt, dass der Ausbau der Kleinkinderbetreuung weiter vorangebracht wird. Bis 2013 wollen wir bundesweit für die Kinder unter 3 Jahren eine durchschnittliche Betreuungsquote von 35 Prozent erreichen und damit ein bedarfsgerechtes Angebot erreichen. Das ist ein großer Sprung, denn 2006 lag die Betreuungsquote bundesweit erst bei 13,5 Prozent, in Bayern bei 6,9 Prozent. Der Bund wird sich nach dem Beschluss der Großen Koalition in der Ausbauphase ab 2008 mit insgesamt 4 Mrd. Euro am geplanten Ausbau der Kleinkinderbetreuungsmöglichkeiten beteiligen -- davon 2,15 Mrd. Euro für Investitions- und 1,85 Mrd. Euro für die Betriebskosten. Die zusätzlichen Mittel für Investitionen sollen nicht nur für Neubauten sondern auch für Ausbau, Umbau sowie Renovierungs-, Modernisierungsmaßnahmen und Ausstattungsinvestitionen zur Verfügung stehen. Nach dem Ende der Ausbauphase, ab 2014, wird der Bund sich weiter an den Betriebskosten und zwar mit 770 Mio. Euro pro Jahr beteiligen. Bis zu 90 Prozent der förderfähigen Investitionskosten können im Rahmen des Programms mit dem Bundesanteil getragen werden. Es geht nicht nur um einen Neubau sondern vor allem auch um Umbau. Vielerorts wird nämlich wegen der demografischen Entwicklung und dem damit sinkenden Bedarf an Kindergartenplätzen kein Neubau notwendig sein. Statt Neubau können in vielen Fällen Kindergärten entsprechend ausgebaut und umgewidmet werden. Zwischen 2006 und 2013 wird erwartet, dass fast rund 200.000 Kindergartenplätze demografisch bedingt nicht mehr nötig sein werden. Bayern erhält vom Bund in 2008 rund 60 Mio. Euro (Investitionshilfe), in 2009 insgesamt (Investitionshilfe + Umsatzsteueranteil für Betriebskosten) rund 73 Mio. Euro, in 2010 insgesamt rund 87 Mio. Euro, in 2011 insgesamt rund 108 Mio. Euro, in 2012 insgesamt rund 129,4 Mio. Euro, in 2013 insgesamt rund 158 Mio. Euro und ab 2014 rund 115 Mio. Euro (Umsatzsteueranteil).

Ab dem Kindergartenjahr 2013/2014 hat die SPD in der Großen Koalition einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Tagespflege für Kinder, die das 1. Lebensjahr vollendet haben, durchgesetzt. Es handelt sich hierbei bewusst auf einen Rechtsanspruch auf Förderung, um die Zielsetzung des Rechtsanspruchs zu betonen. Von diesem Rechtsanspruch werden junge Familien in Stadt und Landkreis Rosenheim ganz konkret profitieren, denn sie erhalten damit den Anspruch auf eine entsprechende Familieninfrastruktur. Die Kommunen und Länder werden damit unter Druck gesetzt, sich an den Zeitplan zu halten.

Für Kinder, die seit dem 1. Januar 2007 geboren sind, gibt es das neue Elterngeld. Das Elterngeld ist letztlich eine Lohnersatzleistung für junge Eltern und war eine Forderung aus dem SPD-Wahlmanifest, die wir in der Großen Koalition durchgesetzt haben. Hintergrund ist, dass für viele Familien mit der Geburt eines Kindes ein Einkommen wegfällt. Die finanzielle Situation verschlechtert sich dadurch, was für junge Menschen auch abschreckend sein kann. Um den Zustand beenden, wird mit dem Elterngeld jetzt grundsätzlich 67 Prozent des vorherigen Einkommens -- höchstens aber 1.800 Euro -- ersetzt, für insgesamt maximal 14 Monate. Damit werden gezielt junge Familien deutlich gestärkt. Damit keine Familien leer ausgehen, gibt es ein Grundelterngeld in Höhe von 300 Euro, was der Höhe des bisherigen Bundeserziehungsgeldes entspricht, das durch das Elterngeld ersetzt wurde. Anders als beim Bundeserziehungsgeld, das für Geburten bis zum 31.12.2006 galt, wird beim Elterngeld kein Partnereinkommen angerechnet, es wird unabhängig vom Partnereinkommen gewährt. Beim Erziehungsgeld war es so, dass kein oder nur geringeres Erziehungsgeld gewährt wurde, wenn recht strenge Einkommensgrenzen durch eigenes oder Partnereinkommen überschritten wurden. Für Familien mit geringen Einkommen kann das Elterngeld aufgestockt werden. Einkommen unterhalb von 1.000 Euro werden bis zu 100 Prozent ersetzt. Die vollen 14 Monate Elterngeld erhalten Alleinerziehende und Paare, bei denen beide Partner das Elterngeld nehmen. Wenn zum Beispiel nur die Mutter Elterngeld beantragt und der Vater nicht, dann gibt es maximal 12 Monate Elterngeld. Wenn z.B. der Vater sich auch dafür entscheidet, gibt es 14 Monate Elterngeld. Durch diese Regelung soll das Bewusstsein gestärkt werden, dass beide Partner Erziehungsverantwortung tragen und es soll so auch Vätern erleichtert werden, bei ihren Arbeitgebern eine Auszeit für die Familie durchzusetzen. Im Anschluss an das Elterngeld gibt es in manchen Bundesländern, so auch in Bayern, noch ein Landeserziehungsgeld, das -- wie das frühere Bundeserziehungsgeld -- Partnereinkommen anrechnet und insofern nicht an alle Familien gezahlt wird. In Thüringen wurde das Landeserziehungsgeld in ein Landesbetreuungsgeld umgewandelt, das nun nur noch Eltern erhalten, die ihre Kinder aus der Kinderbetreuung und der frühen Förderung in Kindertagesstätten abmelden. In Bayern spricht sich die CSU zwar für ein Betreuungsgeld auf Bundesebene aus, auf Landesebene will sie aber keines, was etwas merkwürdig ist. Stattdessen wurden vor kurzem die Sätze für das bayerische Landeserziehungsgeld deutlich gekürzt, durch eine etwas verbesserte Einkommensanrechnung sollen aber ab 2009 mehr Familien Anspruch auf das reduzierte Landeserziehungsgeld erhalten.

Zu materiellen Verbesserungen für Familien während der rot-grünen Regierungszeit gehören die Kindergelderhöhungen um insgesamt fast 40 Prozent auf 154 Euro (179 Euro ab dem vierten Kind), die Verbesserung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung und die Steuersenkungen. Der Einstiegssteuersatz sank von 25,9 Prozent unter Theo Waigel (CSU) auf 15 Prozent, der Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent. Das steuerfreie Existenzminimum hatten wir auf 7.664 Euro erhöht. Eine Familie mit 2 Kindern zahlt unter Berücksichtigung des Kindergelds bis zu einem Bruttoeinkommen von 37.610 Euro heute im Ergebnis keine Einkommensteuern mehr. In der von der Rot-Grün eingeführten zusätzlichen Altersvorsorge ("Riester-Rente") haben wir zudem eine Kinderzulage installiert. In der Großen Koalition haben wir noch die steuerliche Absetzbarkeit von Betreuungsausgaben und haushaltsnahen Dienstleistungen verbessert.

Aktuell wird ab dem 1.1.2009 das Wohngeld auf Initiative des Bundesministers für Verkehr-, Bau- und Stadtentwicklung, Wolfgang Tiefensee (SPD), kräftig erhöht, es soll von durchschnittlich 90 auf durchschnittlich 142 Euro steigen. Heizkosten werden erstmals berücksichtigt. Hiervon profitieren in der Regel vor allem Familien mit geringem Einkommen sowie Rentnerinnen und Rentner. Im Herbst wird zudem der sogenannte Existenz-Minimum-Bericht vorliegen und voraussichtlich zu dem Ergebnis kommen, dass die Kinderfreibeträge nach Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts angehoben werden müssen. In diesem Zusammenhang wird auch über eine Kindergelderhöhung diskutiert. Ebenfalls in der Diskussion ist das bereits genannte Betreuungsgeld, das nur Eltern gewährt wird, die ihre Kinder nicht in einer Kindertagesstätte betreuen lassen bzw. die Kinder aus der frühen Förderung abmelden. Die Große Koalition hat hierzu bisher nur einen Formelkompromiss beschlossen, im Sinne dass die nächste Regierung entscheidet, ob ein Betreuungsgeld kommt oder nicht. Die SPD lehnt ein Betreuungsgeld ab, weil gerade Familien mit geringem Einkommen praktisch gezwungen wären das Betreuungsgeld anzunehmen und dann im Gegenzug aber die Kinder aus der frühen Förderung im Rahmen der Kinderbetreuung abmelden müssten. Dadurch könnten sich Armut und "Armutskarrieren" verfestigen.

Die deutsche Familienpolitik ist grundsätzlich sehr viel stärker als das in anderen Ländern der Fall ist auf finanziellen Leistungen aufgebaut. Der Staat gibt für derzeit 153 familienpolitische Leistungen und Maßnahmen im Jahr rund 189 Mrd. Euro aus. Der größte Einzelposten sind ehebezogene Maßnahmen mit rund 77 Mrd. Euro, darunter Witwen/Witwerrente mit über 30 Mrd. Euro im Jahr und das Ehegattensplitting mit rund 27 Mrd. Euro im Jahr. Der zweitgrößte Posten mit rund 43 Mrd. Euro sind steuerliche Maßnahmen, dazu gehören auch das Kindergeld mit 35 Mrd. Euro im Jahr und Kinderfreibeträge. Es folgen die Geldleistungen mit über 25 Mrd. Euro. Hierzu gehören die Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der Rente mit 12 Mrd. Euro und seit 2007 Elterngeld mit rund 4 Mrd. Euro im Jahr. Rund 25 Mrd. Euro im Jahr geben wir für Maßnahmen der Sozialversicherung aus, wie z.B. die beitragsfreie Familienversicherung in der Gesetzlichen Krankenversicherung mit rund 14 Mrd. Euro. Am wenigsten geben wir in Deutschland für Realtransfers -- also z.B. Kinderbetreuung und Jugendhilfe -- aus, nämlich 19, 1 Mrd. Euro, davon für Kinderbetreuung rund 10 Mrd. Euro.

Die niedrige Geburtenrate in Deutschland zeigt, dass wir von einer bedarfsgerechten Familienpolitik noch weit entfernt sind, was meiner Meinung nach auch mit der mangelnden Familieninfrastruktur zu tun hat. Die Geburtenziffer, also die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau ist in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Während eine Frau in 1950 im Schnitt noch 2,1 Kinder bekam, sind es heute nur noch 1,36 Kinder. Andere Länder wie Frankreich (2,1 Kinder) und Schweden (1,7 Kinder) sind da erfolgreicher. Oft wird der Zusammenhang zwischen Kinderbetreuungsmöglichkeiten und Geburten mit dem Hinweis auf Ostdeutschland zurückgewiesen, wo es zwar viel Kinderbetreuungsmöglichkeiten -- wobei Familieninfrastruktur allerdings mehr als Kinderbetreuung ist -- aber wenige Geburten gibt. Ostdeutschland ist aber in einer Sonderlage, denn nach der Wiedervereinigung ist die Wirtschaft eingebrochen, weil die Strukturen nicht wettbewerbsfähig waren. In der Folge herrschte Unsicherheit und vor allem junge Frauen gingen in den Westen und gründen/gründeten hier Familien. Bis zur Wiedervereinigung hatte die DDR fast immer eine höhere Geburtenziffer als Westdeutschland. Mit der Wiedervereinigung gab es einen dramatischen Einbruch, die Geburtenziffer sank von 1,52 (1990) auf 0,98 in 1991 und 0,77 in 1993. Seit 1994 ist die Geburtenziffer in Ostdeutschland aber in jedem Jahr wieder gestiegen und hat mittlerweile das westdeutsche Niveau wieder so gut wie erreicht.

Um die Bedarfsgerechtigkeit in der Familienpolitik zu steigern brauchen wir meiner Meinung nach und aus Sicht der SPD einen Ausbau der Familieninfrastruktur sowie gezieltere finanzielle Leistungen. Kinder mit unverheirateten Eltern haben zum Beispiel überhaupt nichts von den ehebezogenen Leistungen, heutzutage wird aber rund ein Drittel aller Kinder nichtehelich geboren (1998: 20 Prozent; 1993: 15 Prozent). Die familienbezogenen Leistungen konzentrieren sich zudem viel zu wenig auf die ersten Lebensjahre des Kindes. Die alleinerziehende Mutter mit Kleinkind kann im Extremfall weniger Familienförderung erhalten als das kinderlose Ehepaar mit Mitte Fünfzig. Wir wollen daher mehr direkt an Kinder anknüpfende Leistungen und den maximalen Vorteil aus dem Ehegattensplitting im Gegenzug reduzieren, was aber nur hohe Einkommen trifft. U.a. planen wir die Einführung eines "Schulstarter-Pakets" für junge Familien mit geringem Einkommen.

Im Bereich der Infrastruktur wollen wir Kindertagesstätten zu Eltern-Kind-Zentren ausbauen, in denen es nicht nur frühe Förderung für die Kinder sondern auch Unterstützung für Eltern gibt, wie zum Beispiel Beratung über finanzielle Leistungen, Eltern-Kurse, Sprachkurse und vieles mehr. In den Ländern setzt sich die SPD dafür ein, die Bildungskosten von den Gebühren zu befreien. In Rheinland-Pfalz, wo die SPD allein regiert, wird in diesem Jahr zum Beispiel bereits das zweite Kindergartenjahr von den Gebühren befreit, in 2009 folgt das dritte Kindergartenjahr und in 2010 wird auch für 2Jährige der Besuch von Kindertagesstätten gebührenfrei. Für das Mittagessen in der Ganztagsschule gibt es einen Sozialfonds und das Erststudium bleibt gebührenfrei. Ich halte es für einen sehr wichtigen Punkt, Eltern von Gebühren zu entlasten, denn ansonsten drohen finanzielle Verbesserungen auf Bundesebene immer durch höhere Gebühren auf Landesebene gleich wieder aufgefressen zu werden. So sind die Kindergartengebühren in Bayern in letzter Zeit leider stark gestiegen und die neu eingeführten Studiengebühren werden letztlich bei vielen Eltern hängenbleiben.

Eine Übersicht und Erläuterung der familienpolitischen Leistungen des Bundes finden Sie unter http://www.familien-wegweiser.de . Statistische Angaben zur Entwicklung der Familienstrukturen, Einkommen usw. finden Sie im Angebot des Statistischen Bundesamtes http://www.destatis.de/ .

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg für die Seminararbeit!

Mit freundlichen Grüßen
Angelika Graf