Frage an Anke Domscheit-Berg bezüglich Soziale Sicherung

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Anke Domscheit-Berg
DIE LINKE
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Frage von Michael H. •

Frage an Anke Domscheit-Berg von Michael H. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Domscheit-Berg,

zunächst möchte ich Ihnen dafür danken, dass Sie Bürger:innenfragen auf dieser Plattform idR beantworten.
Als bundesdeutscher Bürger würde ich hinsichtlich meiner Wahlentscheidung gerne die tatsächliche soziale Gerechtigkeit in unserem Staat bewerten können.
Hierbei wird von Seiten der Politik wiederholt der Terminus der relativen Armut verwendet. Diese richtet sich nach dem Median des Nettoäquivalenzeinkommens, wozu ua neben Arbeitsentgelten und Transferleistungen auch Kapitaleinnahmen und Erbschaften gezählt werden.

Grundlage der Ermittlung der notwendigen statistischen Daten ist die deutsche EU-SILC-Erhebung, deren Daten Pool allerdings lediglich 13.000 dauerstichprobenbereite Haushalte mit 28.000 Personen erfasst, von denen im Durchschnitt wieder >30% der befragten Personen Angaben verweigern.

Mit Kenntnis der historischen Zusammensetzung von Gesellschaften unter ökonomischen Gesichtspunkten (Vermögens-Pyramide), und wahrscheinlichkeitsmathematischen Überlegungen, so muss ich davon ausgehen, dass sich im DSP gar keine High Net Worth Individuals, geschweige denn Milliardär:innen aus den TOP500 der vermögensten deutschen Bürger:innen befinden, obgleich sie einen signifikaten und messtechnisch hochrelevanten Anteil am Gesamtvermögen und Kapitaleinkommen besitzen.

Sollte diese Annahme zutreffen, wären dann nicht alle Angaben des Statistischen Bundesamtes bezüglich der Einkommens- und Vermögensverteilung in unserem Staat grob verzerrt, respektive analytisch unbrauchbar?

Mit freundlichen Grüßen
Michael Hanke

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Hanke,

zunächst muß ich mich bei Ihnen für die späte Beantwortung Ihrer Frage entschuldigen, uns war einfach durchs Raster gefallen, dass es hier noch offene Fragen gab. Sorry!

Es stimmt, dass die Datenlage in Deutschland sehr unvollständig ist, weil es zu wenig Daten zu den Superreichen gibt. Eine bessere Datenlage wäre deshalb auch ein begrüßenswerter Nebeneffekt, wenn unsere wiederholte Forderung nach einer Millionärs- und Vermögenssteuer endlich einmal umgesetzt werden würde. Zur Vermögensverteilung gibt es eine wirklich schlechte Datenlage.

Die Relative Armut richtet sich jedoch nach dem Median des Nettoäquivalenzeinkommens und nicht nach dem durchschnittlichen Einkommen. Der Median für Einkommen ist der Wert, der die Gesamtheit aller Einkommen in zwei Hälften teilt: die Hälfte der Bevölkerung, die weniger als der Median verdient, und die Hälfte, die mehr als der Median verdient. Obwohl der Median grundsätzlich etwas ungenauer als der Durchschnittswert ist, ist er bei Einkommen die bessere Wahl. Denn krasse Ausreißer nach oben oder unten verändern den Median nicht.

Die von ihnen angesprochene Problematik, die reichsten 500 Menschen Deutschlands nicht zu erfassen, ist daher nur ein Problem für den Durchschnittswert und nicht für den Median. Bei der Bestimmung des Medians ist es ja völlig irrelevant, wie weit jemand vom Median entfernt ist: Das Einkommen der 500 reichsten Menschen Deutschlands könnte noch zehnmal höher sein als heute, ohne dass sich der Median des Nettoäquivalenzeinkommens um einen Cent verändern würde. Das liegt daran, weil sie immer noch auf der Seite derjenigen bleiben, die mehr als der Median des Nettoäquivalenzeinkommens verdienen.

Durchschnittseinkommen und Durchschnittsvermögen werden natürlich durch fehlende extreme Datenpunkte wie Einkommen und Vermögen von Milliardären grob verzerrt. Deshalb wird das Durchschnittseinkommen üblicherweise auch anhand von Steuerdaten geschätzt und nicht auf Basis solcher Umfragen. Allerdings sind die Steuerdaten bei großen Vermögen mangels Vermögenssteuer auch nicht besonders aufschlussreich.

In Deutschland ist die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen sehr hoch, in Zeiten der Pandemie hat sie sich sogar noch verschärft. Schon vor Corona gehörte den reichsten zehn Prozent der Deutschen mehr als die Hälfe des Vermögens, für die untere Hälfte der Bevölkerung blieb nur ein Anteil von 1,3 Prozent. In Deutschland stieg das Nettovermögen der Ultrareichen bis Ende Juli auf 594,9 Milliarden Dollar. Im März 2019 waren es erst 500,9 Milliarden Dollar (Quelle: https://www.wiwo.de/politik/deutschland/nettovermoegen-der-ultrareichen-corona-hat-die-superreichen-noch-reicher-gemacht/26251634.html). Auch deshalb haben wir als Linksfraktion im Bundestag eine Beteiligung der Superreichen an den Kosten der Pandemie vorgeschlagen, denn es muss unbedingt verhindert werden, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander geht und dass die vielen Milliarden Staatsschulden, die gerade entstehen, in den nächsten Jahren durch Sozialabbau zu Lasten der Ärmeren wieder ausgeglichen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Anke Domscheit-Berg

 

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