Wie stellen Sie sich ein BGE konkret vor?

Portraiaufnahme von Anke Domscheit-Berg mit rotem Hut
Anke Domscheit-Berg
DIE LINKE
94 %
16 / 17 Fragen beantwortet
Frage von Hannes S. •

Wie stellen Sie sich ein BGE konkret vor?

1. Soll das BGE bisherige Sozialleistungen ersetzten? (z. B. Kindergeld)
2. Soll das BGE erst ab einem bestimmten Alter ausgezahlt werden?
3. Bevorzugen Sie irgendein konkretes Modell? Precht/Kipping/Werner oder ein ganz anderes?
4. Finanzierung: Robotersteuer/angehobene MwSt oder was ganz anderes?

Vielen Dank fürs regelmäßige Beantworten von Fragen auf abgeordnetenwatch!

Portraiaufnahme von Anke Domscheit-Berg mit rotem Hut
Antwort von
DIE LINKE

Für mich ist das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ein wichtiger Baustein der notwendigen sozialen Revolution, die die begonnene digitale Revolution begleiten muss. Niemand muss mehr Existenzangst wegen Digitalisierung (oder auch während einer Pandemie) haben, wenn ein BGE als verlässliches Sicherheitsnetz für alle dient. Es soll die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Ich setze mich vor allem dafür ein, weil es unbezahlte Arbeit wertschätzt, die immernoch viel zu oft von Frauen geleistet wird, weil es die Erpressbarkeit des Niedriglohnsektors aus dem System nimmt, ihm aber mehr individuelle Freiheit gibt und weil es zu guter Letzt die (Existenz-)Angst vor der Digitalisierung und deshalb wegfallenden Jobs nimmt. Auszeiten für Weiterbildungen oder Umschulungen kann man sich mit BGE leisten. Dann steigt auch der Stellenwert unbezahlter Arbeit, weil dann jede Arbeit irgendwie bezahlte Arbeit ist. Mit der Digitalisierung haben wir erstmalig eine realistische Chance, uns vom Zwang, die eigene Arbeitskraft verkaufen zu müssen, zu befreien, weil Software, Roboter und Co. künftig einen Großteil der Wertschöpfung erbringen – aber nur, wenn wir den großen Sprung der Umverteilung schaffen und verhindern, dass nur wenige sich die Früchte dieser Wertschöpfung in die Tasche stecken. 

 

Wie man das BGE genau umsetzt, dafür gibt es viele verschiedene Vorschläge, ich habe mich selbst auf keinen endgültig festgelegt und bin der Meinung, dass man erst einmal in mehreren Kommunen aus verschiedenen Regionen Deutschlands einen mehrjährigen BGE Piloten testen und wissenschaftlich auswerten sollte. Außerdem sollte ein Expertengremium (vielleicht eine Enquete Kommission) die konkrete Machbarkeit verschiedener Optionen untersuchen und vergleichen. Ich symphatisiere jedoch sehr stark mit dem emanzipatorischen BGE der LINKEN und lehne neoliberale Modelle ab, die am Ende einen Abbau des Sozialstaates zur Folge hätten.

 

Das Netzwerk Grundeinkommen (https://www.grundeinkommen.de/) definiert 4 Kriterien, die ich selbst auch teile:

  1. Die Höhe muss vor Armut schützen und ein Mindestmaß an Teilhabe gewährleisten.

  2. Es ist ein individuelles Recht.

  3. Man muss nicht auf einem Amt seine Bedürftigkeit beweisen. (Allerdings sehen viele Finanzierungsmodelle eine entsprechende Einkommensbesteuerung vor, die einen Umverteilungseffekt hätte)

  4. Es gibt keinen Zwang zur Arbeit, keine Pflicht zur Gegenleistung.

 

Emanzipatorisches Grundeinkommen – Modell der Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE (https://www.die-linke-grundeinkommen.de):

  • Für alle Personen, die ihren Erstwohnsitz in Deutschland haben.
  • 1 180 Euro für jeden. Kinder und Jugendliche erhalten monatlich 590 Euro.
  • Sonder-und Mehrbedarfe für bestimmte Lebenslagen

 

1. Soll das BGE bisherige Sozialleistungen ersetzten? (z. B. Kindergeld)

  • Entwürdigendes Hartz4 soll wegfallen.

  • Personen ohne sozialversicherungspflichtiges Einkommen sind kostenfrei in der Kranken- und Pflegeversicherung versichert.

  • Im BGE werden steuerfinanzierte Sozialleistungen wie Kindergeld, Erziehungsgeld, Familienbeihilfe, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Sozialhilfe und BAföG zusammengefasst.

  • Das Wohngeld bleibt in modifizierter Form bestehen. Die Wohngeldtabellen orientieren sich an der ortsüblichen durchschnittlichen Bruttowarmmiete.

  • Das BGE ist auch eine Sockel-Basisrente. Diese Sockel-Basisrente ergänzt die obligatorische umlagefinanzierte Rentenzusatzversicherung in Form einer Bürger:innenversicherung.

  • Die Kranken- und Pflegeversicherung wird ebenfalls zu einer paritätisch finanzierten Bürger:innenversicherung umgestaltet.

  • Die Arbeitslosenversicherung wird in eine paritätisch finanzierte Erwerbslosenversicherung umgewandelt.

  • Ein uneingeschränkter, gebührenfreier Zugang im Bereich der Bildung ist für alle zu gewährleisten.

  • Der ÖPNV, die Möglichkeiten für die Teilnahme am politischen, kulturellen, sozialen und sportlichen Leben und der Zugang zu Wissen, Information und Internet sollen ausgebaut und schrittweise gebührenfrei gestaltet werden.

  • evtl. Gebührenfreiheit bei Fernverkehr, Post, Wasser, Telekommunikation und Abfallwirtschaft

 

2. Soll das BGE erst ab einem bestimmten Alter ausgezahlt werden?

  • Bis zum vollendeten 16. Lebensjahr beträgt das BGE für Kinder und Jugendliche die Hälfte.

 

3. Bevorzugen Sie irgendein konkretes Modell? Precht/Kipping/Werner oder ein ganz anderes?

  • Mich überzeugt am ehesten das emanzipatorische bedingungslose Grundeinkommen der Partei DIE LINKE, ich kann mir aber andere Modelle auch vorstellen, sofern ihre Machbarkeit von Expert:innen aufgezeigt wurde.

 

4. Finanzierung: Robotersteuer/angehobene MwSt oder was ganz anderes?

 

Nachfolgend konkrete Vorschläge, die eine mögliche Umsetzung beschreiben:

  • die Finanzierung erfordert enorme Umverteilung. Bruttoeinkommen bis 6.500 Euro werden besser gestellt. Reiche müssen draufzahlen.

  • Kosten von rund 667 Mrd. Euro brutto (bei einem BGE als Negative Einkommenssteuer) bzw. rund 1 087 Mrd. Euro (bei einem BGE als Sozialdividende) stehen Mehreinnahmen des Staates durch einen ökologisch orientierten Konsum sowie Einsparungen bei repressiven und diskriminierenden oder unzulänglichen steuerfinanzierten Sozialleistungen (z. B. Hartz IV, Hilfe zum Lebensunterhalt, BAföG, Kindergeld) gegenüber.

  • Zur weiteren Finanzierung wird ab dem ersten Euro auf alle Primäreinkommen eine Grundeinkommensabgabe erhoben.

  • Dazu kommen eine Sachkapital-, Primärenergie- und Microabgabe.

  • Einsparungen steuerfinanzierter Sozialleistungen

  • eine 35-prozentige Grundeinkommensabgabe auf alle Bruttoprimäreinkommen (also nicht auf Sozialleistungen) ab dem ersten Euro

  • eine Sachkapital-, Primärenergie-, Börsen- und Luxusumsatzabgabe

  • sowie eine Abgabe für Finanztransaktionen, denen keine Ware oder reale Dienstleistung zu Grunde liegt.

  • Bei dieser Abgabe wird ein persönlicher monatlicher Freibetrag von 1.500 Euro eingeräumt. Die progressive Einkommensteuer wird gesenkt: Der Eingangssteuersatz sinkt auf 7,5%, der Spitzensteuersatz auf 25%. 12.000 Euro pro Person sind einkommensteuerfrei.

  • Es gibt nur noch eine Einkommensteuerklasse.

  • Für kostenlose Infrastrukturen werden u.a. 40 Mrd. Euro aus dem nicht mehr benötigten steuerlichen Bundeszuschuss für die Rentenversicherung verwendet.

Was möchten Sie wissen von:
Portraiaufnahme von Anke Domscheit-Berg mit rotem Hut
Anke Domscheit-Berg
DIE LINKE