Frage an Anna Lührmann bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Anna Lührmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Bernd M. •

Frage an Anna Lührmann von Bernd M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Durch den Ausbau des Frankfurter Flughafens entstehen mindestens 40.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Wieso wollen die Grünen und Sie verhindern, daß mindestens 40.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen? Wollen Sie wirklich, daß Tausende von Menschen in der Hoffnungslosigkeit der Arbeitslosigkeit bleiben müssen?

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Sehr geehrter Herr Müller,

Die angebliche Notwendigkeit des Flughafenausbaus wird durch ein Märchen begründet. Der Flughafen produziere wie ein Dukatenesel permanent neue, schöne Arbeitsplätze, allerdings nur wenn er unbehindert wachsen könne. Die Mediationsverfahren durch die Arbeitsgruppe, die unter Leitung des Präsidenten der IHK Frankfurt stand, hat dies Märchen mit verbreitet, indem für den Fall eines weiteren Ausbaus mit insgesamt 57.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen argumentiert wird. Man addiert sogenannte direkte, indirekte und induzierte Arbeitsplätze zusammen und stützt die Prognose auf eine Umfrage bei Unternehmen der Region. Obwohl nur jede achte angeschriebene Firma überhaupt geantwortet hatte, wird das Ergebnis zur genannten Wunderzahl hoch gerechnet. Legendäre 200.000 Arbeitsplätze sollen im Jahr 2015 dem Flughafen zu verdanken sein. In Zeiten noch immer sehr hoher Arbeitslosigkeit wirkt dies natürlich geradezu als Evangelium. Wer kritische Fragen dazu stellt, dem wird die Schuld an der Arbeitslosigkeit gegeben.

Doch eine Überprüfung der Berechnungsmethode zeigt deutliche Mängel. Die Gutachter der Fraport berechnen Arbeitsplatzprognosen auf der Grundlage der beförderten Passagiere. Die Zahl der Direktbeschäftigten sollte 1998 (zum Zeitpunkt der Mediation) pro Zuwachs von einer Million Flugpassagieren um jeweils 1.450 zunehmen. Seit 1999 hat sich die Zahl der Flugpassagiere um 5,2 Millionen erhöht, die Zahl der Arbeitsplätze hätte also um 7.500 zunehmen sollen. Tatsächlich aber ist die Zahl der am Flughafen Beschäftigten mit ca. 63.000 nahezu konstant geblieben. Die Berechnungsmethode ist also bereits durch ihre Widrigkeit widerlegt.

Hinzu kommt, dass die Mediation zur Flughafenerweiterung davon ausging, dass „lediglich bei einem marktgerechten Anstieg der Flugbewegungen mit einem weiteren Wachstum von Beschäftigung und Einkommen zu rechnen ist“ (Hujer/Kokot, S. XIX) Leider kann dieser marktgerechte Anstieg der Flugbewegungen heute nicht vorhergesagt werden. Da selbst ein Nachtflugverbot beispielsweise eine „nicht-marktgerechte“ Einschränkung der unternehmerischen Freiheit der im Luftverkehr tätigen Betriebe mit sich bringt. Somit stehen die freihändigen Prognosen der Mediation unter Vorbehalt.

Niemand wird bestreiten, dass am Flughafen natürlich ein großes Angebot von Arbeitsplätzen existiert, doch zeigt schon die Entwicklung der Zahlen der vergangenen Jahre keineswegs eine deutliche Expansion. Dies ist leicht nachvollziehbar, denn auch in der Luftverkehrswirtschaft wird auf Rationalisierung gesetzt und jede Modernisierungsmaßnahme reduziert zunächst die Zahl der Arbeitsplätze Das beste Beispiel hierfür ist die „Cargo-City-Süd“, die im wesentlichen der Verlagerung von Arbeitsplätzen diente; nur 13 % der dortigen Arbeitsplätze sind neu. Die Zahl der bei der Verlagerung von Betrieben aus dem Umland wegrationalisierten Arbeitsplätze wird allerdings verschwiegen, so dass nicht einmal dieser niedrige Anteil von angeblich neu geschaffenen Jobs ein echter Zuwachs ist. In der Gesamtbilanz erweist sich der Flughafen als Jobmagnet, der Arbeitsplätze zu Lasten anderer Teile der Region bei sich konzentriert.

Die Argumente eines massiven Wachstums der Arbeitsplatzzahlen wurden im Mediationsverfahren zusammen getragen. Eine Überprüfung der prognostizierten Zahlen zeigt, dass sie nicht belastbar sind. Abgesehen von erheblichen methodischen Mängeln bei der Erhebung und Auswertung der Daten, kann heute niemand verlässlich angeben, wie viele Beschäftigte sein Unternehmen im Jahr 2015 haben wird. Schon die Qualitätssicherung im Mediationsverfahren hat auf diese Schwächen hingewiesen. Eine gutachterliche Überprüfung durch unabhängige Wissenschaftler im Auftrag der Stadt Hofheim kam zu dem Ergebnis, dass „die Standorteffekte eines Flughafenausbaus nicht in zuverlässiger Weise quantifiziert werden“ können.

Grüne Ideen für Jobs mit Zukunft finden Sie unter: http://www.gruene-fraktion.de/cms/arbeit_wirtschaft/dok/86/86042.htm

Mit freundlichen Grüßen,

Anna Lührmann

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