Frage an Anna Lührmann bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Anna Lührmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Knut W. •

Frage an Anna Lührmann von Knut W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Lührmann,

im Hinblick auf eine erforderliche Neuausrichtung Deutschlands, um den künftigen Problemstellungen gerecht werden zu können und eine menschliche und prosperierende Entwicklung zu ermöglichen, ist eine Suche nach nichtradikalen politischen Alternativen notwendig.
Wir beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Alternative einer parlamentarisch-demokratischen Monarchie, wie sie z.B. in Spanien oder den Niederlanden sehr erfolgreich praktiziert wird?Stichworte dazu: demographische Entwicklung, Familie, Schutz der Umwelt für künftige Generationen, Nachhaltigkeit durch Generationenverantwortung, Identität, Unabhängigkeit, Demokratie, Bürgerrechte, und vieles mehr sind einsehbar auf www.pro-monarchie.de
Gerade im Hinblick auf ökologische Themen finden diese in den bestehenden Monarchien Europas große Unterstützung und Förderung (z.B. Prinz Charles).
Wie beurteilen Sie des weiteren die Meinungslage Ihrer Parlamentskollegen und politischen Mitstreiter? Es ginge schließlich darum, die Vorteile der Demokratie mit denen der Monarchie symbiotisch zu vereinen.
Eine politsche Willensbildung findet zunehmend außerhalb der Parteien statt und ist nicht immer beruhigend (z:B. Zunahme extrem rechter / linker Positionen). Ein Gegensteuern erscheint dann geboten, bevor "das Kind im Brunnen liegt". Die Zukunft Deutschlands, auch im europäichen Kontext hängt von entscheidenden Weichenstellungen ab, die in allernächster Zeit getroffen werden müssen.
Ihrer Einschätzung sehe ich mit Interesse entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

Knut Wissenbach

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Wissenbach,
vielen Dank für Ihre Zuschrift und Ihr damit gezeigtes Interesse. Ihr zugegebenermaßen überraschender Beitrag hat mir eine bislang unbekannte Diskussion eröffnet und mich dazu veranlasst, mich mit dem Thema „Wiedereinführung der Monarchie in Deutschland“ zu beschäftigen und.

Auch wenn der Blick zu unseren Europäischen Nachbarn teilweise bestätigt, dass die parlamentarisch-demokratische Monarchie durchaus erfolgreich sein kann, bin ich im Bezug auf Deutschland gegen die „künstliche“ Wiedereinsetzung einer solchen. Dazu bewegen mich ganz pragmatische Gründe:

- Die Geschichte Deutschlands hat sich klar von der Monarchie wegbewegt. Die Stärke dieser Staatsorganisationsform liegt im hohen Maß an Identifikation der Bevölkerung mit dem Monarchen, welche jedoch historisch wachsen muss. Eine solche existiert heute in Deutschland nicht mehr und lässt für mich die unter www.pro-monarchie.de zitierten Stimmungsbilder fragwürdig erscheinen.

- Daher steht eine zentrale Frage im Raum, die sicherlich für erhitzte Debatten sorgen und damit im Falle des Falles von dringend notwendigen inhaltlichen Diskussionen ablenken dürfte: Wer könnte ein solcher Monarch werden? Wer bestimmt das? Wie sollte die Einsetzung eines solchen Monarchen vonstatten gehen? Hierauf wird auch auf der von Ihnen genannten Homepage von www.pro-monarchie.de keine Antwort gegeben.

- Als Vorteil einer parlamentarisch-demokratischen Monarchie könnte die Langfristigkeit gesehen werden, die mit der Einsetzung eines Monarchen einhergehen würde. Wenn ich Ihre Stellungnahme richtig verstanden habe, bemängeln Sie das kurzsichtige politische Handeln an der heutigen demokratischen Ordnung. Um wirklich Veränderungen zu bewirken, bedarf es meines Erachtens mehr Mut und mehr Nachhaltigkeit, nicht zwangsläufig mehr Kontinuität in der Politik. In zahlreichen Themenfeldern wird immer offenbarer, dass eine Abkehr von ausgetretenen Pfaden notwendig ist und wir neue Wege gehen müssen, bevor – um mit Ihren Worten zu sprechen – „das Kind im Brunnen liegt“. Hierfür braucht es jedoch keine Monarchie, sondern überzeugende Konzepte.

- Um der Kurzfristigkeit von Politik einen Riegel vorzuschieben, gibt es nämlich zeitgenössische Mittel und Wege, die auch mit unserer bewährten Verfassung in Einklang zu bringen sind. Hierzu möchte ich auf eine fraktionsübergreifende Initiative von Abgeordneten verweisen, die mit dem Titel "Generationengerechtigkeit ins Grundgesetz" (GgiGg) in der 15. Wahlperiode des Deutschen Bundestages ins Leben gerufen wurde. Unser Ziel ist es, Generationengerechtigkeit als Staatsziel im Grundgesetz zu veran­kern und damit die Bedürfnisse der heutigen Generationen mit den Lebenschancen künftiger Genera­tionen zu verknüpfen. Weitere Informationen finden Sie auf meiner Homepage, z.B. unter http://www.anna-luehrmann.de/suchen/199693.html?searchshow=generationengerechtigkeit

- Denn insbesondere in der langfristigen Ausrichtung der Monarchie liegen Gefahren: Durch die Einsetzung per Erbfolge, wie sie gemeinhin in zeitgenössischen Monarchien praktiziert wird, kann weder garantiert werden, dass stets qualifizierte noch gerechte oder bürgernahe Repräsentanten in diese Position erhoben werden.

- Die Wahl eines Bundespräsidenten erscheint mir daher als weitaus zeitgemäßer und die Amtszeit könnte im Sinne verstärkter Kontinuität beispielsweise auch auf acht Jahre verlängert werden, um sicherzustellen, dass der gewählte Repräsentant auch in eine neue Legislaturperiode hinein wirkt.

Insgesamt erschließt sich mir kein offensichtlicher Vorteil, der die Einsetzung eines Monarchen rechtfertigen würde. Die wenigsten von ihnen nehmen überhaupt politisch Stellung; sich herauszuhalten hat sich als gängige „Monarchenpraxis“ etabliert.

Ich bin überzeugt, dass wir auch im Rahmen unserer derzeitigen politischen Organisationsform erfolgreich sein können – mit innovativen Politikkonzepten und weitsichtigen Strategien.

Mit freundlichen Grüßen,

Anna Lührmann

PS: Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich an dieser Stelle nicht für meine KollegInnen sprechen kann und wenden Sie sich bei Interesse direkt an die jeweiligen Personen.

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